Alle Jahre wieder: „Euskal Selekzioa“ und „Selecció Catalana“

Die Nationalmannschaft Tunesiens gastiert derzeit in Spanien, um sich auf den Africa Cup of Nations vorzubereiten. Zwei Testspiele am 28. Dezember und am 30. Dezember krönen das Trainingslager. Allerdings geht es nicht gegen Spanien, sondern die „Euskal Selekzioa“ und die „Selecció Catalana“, also die Auswahlen des Baskenlandes und Kataloniens. Für die beiden „Nationalteams“ sind die internationalen Vergleiche am Jahresende gute Tradition. Mehr als diese Freundschaftsspiele sind für Basken wie Katalanen allerdings nicht drin.

Basken und Katalanen verbindet eine ebenso traditionelle wie herzliche Abneigung gegenüber dem spanischen Zentralstaat. Mit Vorliebe äußert sie sich in emotional aufgeladenen Fußballstadien. Wenn es noch eines Belegs bedurfte, dann lieferte ihn 2009 das spanische Pokalfinale in Valencia, in dem sich der baskische Athletic Club de Bilbao und der katalanische FC Barcelona gegenüberstanden. 55.000 Basken und Katalanen pfiffen die vor dem Spiel intonierte spanische Nationalhymne gnadenlos nieder, so dass König Juan Carlos Probleme gehabt haben dürfte sie zu vernehmen. Kein Wunder, dass der spanische Fußballverband es vermeidet Länderspiele in die beiden stolzen Regionen zu vergeben.

Dem König vergeht Hören und Sehen und der Reporter kann es nicht fassen:
Gellendes Pfeifkonzert und ein baskisch-katalanisches Fahnenmeer beim Finale der Copa del Rey 2009

Legendär sind auch die Duelle des FC Barcelona gegen die Königlichen von Real Madrid. In ihnen stellen die Katalanen ihren „Nationalstolz“ seit über 80 Jahren äußerst demonstrativ zur Schau. Die Brisanz dieses Klassikers verschärfte sich noch in der Zeit des Franco-Regimes (1939-1975), als Real für das faschistische System stand, während Barca den Unabhängigkeitskampf der Katalanen repräsentierte. Doch auch die baskischen Aushängeschilder Athletic Bilbao und Real Sociedad de San Sebastian duellieren sich ebenso leidenschaftlich mit den Madrilenen. Das baskische „Nationalgefühl“ von Athletic geht sogar so weit, dass es bis heute nur Spieler verpflichtet, die aus dem Baskenland stammen (incl. Navarra und dem französischen Baskenland) oder dort fußballerisch ausgebildet wurden.

Bemühungen um separate Nationalteams
Da kann es nicht verwundern, dass Basken wie Katalanen sich wiederholt um die Anerkennung eigener Nationalteams bemühten. Als „Kronzeugen“ führten sie Wales, Schottland, Nordirland und England an, die über international spielberechtigte Fußballverbände verfügen, obwohl sie politisch nicht unabhängig sind. Da der Fußball seinen Siegeszug allerdings von den britischen Inseln aus antrat, genießen sie bei UEFA und FIFA das Privileg als „Gründungsväter“ international mit eigenen Teams anzutreten. Die Ausnahmestellung der britischen Verbände dokumentiert zudem, dass nur sie jeweils einen und die FIFA weitere vier Vertreter in das International Board entsenden. Alleine dieses Gremium entscheidet über verbindliche Änderungen der Fußballregeln.

Spanien spielt die sportpolitische Klaviatur
Stand also bereits der Verweis auf die britischen Verbände auf schwachen Füßen, so holten spanische Institutionen das baskisch-katalanische Unterfangen endgültig von den Beinen. 2001 war Gibraltar auf dem besten Weg der UEFA beizutreten, was den spanischen Fußballverband auf den Plan rief. Er machte sich dafür stark jeglichen separatistischen Bestrebungen einen Riegel vorzuschieben und plädierte für eine Änderung der Aufnahmekriterien in die UEFA. Kurzerhand änderte der europäische Fußballverband Artikel 5 seiner Statuten. Demnach können seit 2002 nur Verbände UEFA-Mitglieder werden, die ihren Sitz „(…) in einem Land (haben), das ein von der UNO anerkannter, unabhängiger Staat ist (…) und die im Gebiet ihres Landes für die Organisation und Durchführung des Fussballsports verantwortlich sind.“ Bestehende Verbände wurden also geschützt, aus ihnen hervorgehende Verbände verhindert. Für Basken und Katalanen bedeutet dies nichts anderes als zuerst ihre politische Unabhängigkeit zu erringen, bevor die fußballerische folgen kann.
Dass eine politische Unabhängigkeit utopisch ist, braucht nicht lange diskutiert zu werden. Zwei katalanische Parteien wagten im September 2007 im spanischen Parlament dennoch einen sportpolitischen Vorstoß. Sie beantragten, dass Katalonien und das Baskenland mit einem eigenen Team an Welt- und Europameisterschaften teilnehmen dürfen. Selbstredend schmetterte die Mehrzahl der Abgeordneten das Ansinnen ab, selten waren aber auf den Fluren eines Parlaments so viele Träger von Fußballtrikots zu sehen wie an diesem Tag. Bei einer solch rigiden Haltung gegenüber separatistischen Bewegungen ist es nur konsequent, dass Madrid bis heute das Kosovo nicht anerkennt.

Auftritte der „Nationalteams“ werden zum traditionellen Jahresausklang
Trotz der gescheiterten Aufnahme in die UEFA lassen es sich Basken wie Katalanen nicht nehmen internationale Vergleiche auszutragen. Schon im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts fanden Duelle der beiden Regionalauswahlen gegen andere Regionen, Klubs und seltener auch Nationalteams statt. Das Franco-Regime untersagte die Fortsetzung der Vergleiche, sie lebten jedoch nach Francos Tod 1975 langsam wieder auf. Das baskische Team trägt seit 1993, das katalanische seit 1997 regelmäßig am Ende jedes Jahres ihre „Länderspiele“ aus.
Beide tragen die meisten Partien zu Hause aus, wo sie natürlich am meisten Beachtung finden und Unterstützung erfahren. Die baskische Auswahl empfängt ihre Gäste (u.a. Russland, Uruguay, Wales, Ghana und zuletzt Venezuela) traditionell im altehrwürdigen San Mames, der Spielstätte von Athletic Bilbao. Die Katalanen luden ihre Gegner lange Jahre in Barcas gute Stube, das Camp Nou, ein. In diesem Jahr spielen sie zum zweiten Mal in Folge in Barcelonas Olympiastadion. Nachdem die „Länderspielhistorie“ schon in den 1930ern Duelle mit Spanien (!) und Brasilien aufweist, spielten die Katalanen zuletzt vermehrt gegen Kontrahenten aus Süd- und Mittelamerika. So gastierten in den letzten neun Jahren u.a. Ecuador, Brasilien, Argentinien, Paraguay, Costa Rica, Kolumbien und Honduras in der Mittelmeermetropole. Mit Tunesien kommt nach Nigeria (1998) zum zweiten Mal ein afrikanisches Team nach Barcelona.

Alles was Rang und Namen hat
Beide Auswahlen haben keine Probleme die populärsten Spieler für ihre „Weihnachtsspiele“ zu gewinnen. Obwohl diese in der Regel das spanische Nationaltrikot überstreifen und die kurze Weihnachtspause gut zur Regeneration nutzen könnten, betrachten sie es als Ehrensache für ihre Heimatregion aufzulaufen. So standen für Katalonien 2009 beim 4:2-Sieg gegen Argentinien Victor Valdes, Carles Puyol, Sergio Busquets, Fernando Navarro, Xavi, Gerard Pique und Joan Capdevila auf dem Platz, die bei der Euro 2008 und/oder bei der WM 2010 zum spanischen Kader gehörten. Aber auch die Kontrahenten nehmen die Vergleiche nicht auf die leichte Schulter. Die Argentinier boten seinerzeit acht Spieler auf, die ein halbes Jahr später zum WM-Kader der Südamerikaner gehörten. Dass Tunesien die Vergleiche als Einstimmung auf die Afrikameisterschaft nutzt, spricht ebenfalls eine deutliche Sprache. Seit 2009 trainiert übrigens der Niederländer und „Wahl-Katalane“ Johan Cruyff die Katalanen. Auch dies ein Zeichen für die Wichtigkeit der „Selecció“.
Für das diesjährige Match gegen Tunesien nominierte Cruyff erneut eine äußerst namhafte Auswahl. Neben Kapitän und Torwart Valdes, verstärken Busquets, Puyol, Xavi, Pique und Bojan Krkic die Katalanen, die allesamt beim FC Barcelona ihre Ausbildung genossen. Zudem steht Cesc Fabregas im Aufgebot, der aufgrund seiner langjährigen Anstellung in der englischen Premier League erst einmal für die „Selecció“ zum Zug kam.
Auch die Basken nominierten mit dem in Tolosa geborenen Xabi Alonso einen amtierenden Welt- und Europameister. Der ebenfalls berücksichtigte Andoni Riaola kam zuletzt zweimal für Spaniens Nationalelf zum Einsatz. Zudem wird Fernando Amorebieta spielen. Er ist baskischer Herkunft, jedoch in Venezuela geboren, weswegen er mittlerweile für die Südamerikaner auf Punktejagd geht. In der U21 trat er noch für Spanien gegen den Ball, so wie dies einige andere der für das Tunesien-Spiel nominierten Basken taten oder aktuell tun. Das Gros der baskischen Auswahl stellen traditionell die beiden großen Klubs Athletic (9) und Real Sociedad (7). Mit Pantxi Sirieix stößt in diesem Jahr ein französischer Baske zum Team. Bekannte ehemalige Auswahlspieler sind Julen Guerrero, Gaizka Mendieta, Joseba Exteberria und Andoni Zubizarreta, der mit 126 Einsätzen für Spanien erst kürzlich von Iker Casillas als Rekordnationalspieler abgelöst wurde. Dieses Mal nicht im Aufgebot steht Fernando Llorente, der ebenfalls zum Stamm der spanischen Auswahl zählt.

„Nationale“ Begeisterung kennt Grenzen
Basken und Katalanen treten natürlich auch gegeneinander an. Letztmals zum Jahresausklang 2007, als die Partie noch ganz unter dem Eindruck des gescheiterten Parlamentsantrags um unabhängige Nationalteams stand. Während damals in Bilbao ein ebenso vereinter, wie stimmgewaltiger Ruf nach zwei Nationalteams anschwoll und eine spanische Nationalflagge in Flammen stand, kochten die Emotionen im vergangenen Jahr weit weniger hoch. Die Katalanen mussten sogar registrieren, dass das Olympiastadion zum Spiel gegen Honduras nur zu etwa 60 Prozent gefüllt war. Um nicht nochmals eine solch böse Überraschung zu erleben, half der katalanische Verband dem Patriotismus seiner Landsleute etwas auf die Sprünge und senkte die Eintrittspreise.

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