Zwei deutsche Jungprofis in Genua

Der eine feiert am 22. Februar seinen 20. Geburtstag und spielt beim FC Genua 1893 in der Serie A. Der andere vollendet sein 20. Lebensjahr am 17. April und ist vor wenigen Tagen zu Sampdoria Genua in die Serie B gewechselt. Die Rede ist von den beiden deutschen U20-Nationalspielern Alexander Merkel und Shkodran Mustafi. Obwohl beider Karrieren Parallelen aufweisen, könnte die momentane Ausgangslage kaum unterschiedlicher sein.

12. November 2011: Im polnischen Brzeg trifft die U20-Nationalmannschaft des DFB auf ihre polnischen Altersgenossen. Nationaltrainer Frank Wormuth bietet in der Innenverteidigung Shkodran Mustafi auf, im Mittelfeld soll Alexander Merkel die Fäden ziehen. Während Mustafi die Elf als Kapitän aufs Feld führt, debütiert Merkel an diesem Samstagnachmittag in der deutschen U20. Dabei hatte sich Mustafi damals beim Everton FC noch nicht durchsetzen können, Merkel hingegen gehörte im Frühjahr 2011 schon dem italienischen Meisterteam des AC Milan an.

Alexander Merkel: Mit 16 über die Alpen

Merkel wagte bereits früh den Schritt ins Ausland. Doch nicht zu irgendeinem Verein. Nein, es sollte dann schon gleich der große AC Milan sein. Bereits zuvor hatte er einen weiten Weg zurückgelegt. Im Alter von sechs Jahren verließ er mit seinen Eltern Kasachstan, um zunächst im Westerwald heimisch zu werden. Mit elf Jahren heuerte er beim VfB Stuttgart an und durchlief dort bis zu seinem 16. Lebensjahr die Nachwuchsmannschaften. Im Sommer 2008 folgte er dem Ruf des erfolgreichen Serie-A-Klubs, um in der dortigen Jugendakademie weiter ausgebildet zu werden.
Während viele Jugendspieler nie eine ernsthafte Chance im Profiteam ihres Ausbildungsvereins erhalten, wusste sich Merkel in die millionenschwere Startruppe des AC Milan einzureihen. Bei einem Verein also, der im Ruf steht überwiegend auf erfahrene Kräfte zu setzen. Seinen ersten Profieinsatz absolvierte er am 8. Dezember 2010 in der Champions League gegen Ajax Amsterdam, als er 15 Minuten vor Spielende für den Brasilianer Robinho ins Spiel kam. Am 6. Januar folgte sein Debüt in der Serie A beim 1:0 Sieg in Cagliari. Er gehörte in diesem Spiel ebenso zur Startelf wie am 20. Januar 2011, als er im Achtelfinale des italienischen Pokals seinen ersten Pflichtspieltreffer erzielte. Insgesamt kam Merkel in der Rückrunde bei Milan zu einem weiteren Kurzeinsatz in der Champions League und zwei Spielen im italienischen Pokal. In der Serie A lief er sechsmal auf, ausnahmslos in der Startelf. Der junge Deutsche durfte sich also durchaus als Mitglied der italienischen Meistermannschaft fühlen.

Stammspieler beim FC Genua 1893
Dennoch wechselte Merkel in diesem Sommer zu Milans Kooperationsverein, dem FC Genua 1893. Dahinter stand sein Ziel beständig in der Serie A aufzulaufen. Milan behielt jedoch 50% der Transferanteile, so dass Merkel im Sommer sogar zurück wechseln könnte – starke Leistungen vorausgesetzt. Der Saisonstart des jungen Deutschen war in Genua mit Anlaufschwierigkeiten verbunden, die allerdings einer langwierigen Oberschenkelverletzung geschuldet waren. So debütierte er erst im Oktober 2011 für 1893 in der Serie A. Seither fehlte er in keinem Ligaspiel mehr und erhielt zum Teil überragende Bewertungen in der italienischen Presse, vor allem beim 2:2 gegen Juventus Turin. In den elf Partien bis Weihnachten stand er neunmal in der Startelf und bereitete drei Treffer vor. Seine Entwicklung blieb auch deutschen Vereinen nicht verborgen, so soll angeblich Werder Bremen ein Auge auf den 19-jährigen geworfen haben. Derzeit trägt Merkel weiterhin das Trikot der Genuesen, wenn er auch beim ersten Spiel nach der Weihnachtspause nur in den letzten acht Minuten ran durfte. Dies war zugleich das erste Spiel des neuen Trainers Pasquale Marino, der 1893 Ende Dezember übernommen hatte. Es bleibt abzuwarten, welche Rolle Merkel in seinen Planungen spielen wird.
Die Personalie Marino zeigt, dass der FC Genua 1893 ein ambitionierter Verein ist. Nach Platz 9 und 10 in den vergangenen beiden Jahren wollen die Genuesen endlich den Anschluss an die Spitzengruppe der Serie A schaffen. Dass dieses Vorhaben mit Vehemenz verfolgt wird, zeigt nicht nur die Entlassung von Trainer Alberto Malesani, nachdem Genua auf Platz 10 abgerutscht war, sondern auch die Verpflichtung des italienischen Nationalstürmers Alberto Gilardino Anfang Januar 2012.

Nationalspieler für Deutschland, Kasachstan oder doch Russland?
Aufgrund der Oberschenkelverletzung am Anfang der Saison verzögerte sich Merkels Debüt in der deutschen U20-Nationalelf. Doch um die Dienste des talentierten Youngsters buhlen weitere Nationalverbände. Aufgrund seiner Geburt in Kasachstan ist eine Karriere in der kasachsischen Nationalelf möglich. Da sie allerdings sehr schwach ist, erscheint diese Option für den ambitionierten Merkel unwahrscheinlich. Realistischer mag da schon die Möglichkeit sein, für die russische Nationalelf aufzulaufen. Sein Vater hat bereits in Interviews verlauten lassen, dass die Merkels mit Kasachstan wenig verbinden würden. Sie fühlten sich vielmehr als Russen mit deutschen Wurzeln, die nach Kasachstan deportiert worden waren. Um für Russland aufzulaufen benötigt Merkel allerdings noch den russischen Pass, den er bislang nicht besitzt. Es wäre allerdings nicht das erste Mal, dass ein Verband alle Hebel in Bewegung setzt, um einen Spieler „im nationalen Interesse“ einzubürgern. Laut russischen Medien hat Russlands Trainer Dick Advocaat schon Gefallen an Merkel gefunden. Generell ist ein Verbandswechsel möglich, solange Merkel noch kein Pflichtspiel für eine A-Nationalelf absolviert hat.
Der antrittsschnelle Fußballer selbst, scheint sich noch nicht ganz sicher zu sein, wohin er tendiert. Es gibt Interviews mit deutschen Medien, in denen er sich zu Deutschland bekennt, in russischen wiederum bekundet er Interesse an einer Karriere in der „Sbornaja“. Sollte Advocaat ernst machen und Merkel eine Teilnahme an der Euro 2012 in Aussicht stellen, wäre es denkbar, dass Merkel für Russland votiert. Die WM 2018 in Russland könnte ein weiteres Faustpfand der Russen sein. Zudem ist die Konkurrenz im jungen deutschen Nationalteam äußerst groß und lässt einen Weg in den Kader von Joachim Löw schwerer erscheinen. Schon 2009 hatte sich Merkel nicht in die deutsche U17 spielen können, die vor heimischen Publikum Europameister wurde. Für die EM-Quali der U19 im Sommer 2011 wurde Merkel ebenfalls nicht nominiert. Fester Bestandteil in beiden Teams war hingegen Shkodran Mustafi.

Shkodran Mustafi: Mit 17 auf die Insel

Der gebürtige Hesse mit albanischen Wurzeln spielte zum Zeitpunkt der U17-EM beim Hamburger SV. Bereits während des Turniers vermeldete er seinen Wechsel zum englischen Premier League Klub Everton FC, bei dem er seine Karriere forcieren wollte. Bereits ein halbes Jahr später kam er tatsächlich zu seinem ersten Einsatz für die Profielf der Engländer. Am 17. Dezember 2009 debütierte er mit 17 Jahren im Europa-League-Spiel bei BATE Borissov, als er in der 76. Minute eingewechselt wurde. Seine Premierensaison verlebte er ansonsten in der Reserveelf, in der er auf 13 Einsätze kam, und bei der deutschen Juniorennationalmannschaft, für die er u.a. bei der U17-WM in Nigeria auflief. Neben ihm zählten Marc-André Ter Stegen und Mario Götze zu den Säulen der damaligen DFB-Auswahl.

Kein Durchbruch beim FC Everton
Trotz der regelmäßigen Einsätze für die deutschen Juniorennationalteams kam Mustafis Karriere bei Everton nicht so recht in Gang. In zweieinhalb Jahren war im keine einzige Minute in der Premier League vergönnt, obwohl er häufiger zum Aufgebot der „Toffees“ zählte, jedoch nie eingewechselt wurde. Ein Grund war, dass er mit Phil Jagielka und Johnny Heitinga namhafte Konkurrenz in der Innenverteidigung hatte. Heitinga ist gestandener niederländischer Nationalspieler und auch Jagielka brachte es in den letzten 15 Monaten auf sieben Einsätze für die englische Auswahl, zuletzt gegen Spanien über 90 Minuten. Mustafi verharrte stattdessen auf der Ersatzbank und in der Reserveelf, die er zuletzt als Kapitän aufs Feld führte. Es verwunderte deshalb nicht, dass rund um Mustafi bereits im Sommer 2011 Wechselgerüchte kursierten. Damals wurde er mit US Palermo in Verbindung gebracht. Ein Wechsel kam jedoch nicht zustande.

Neuer Anlauf bei Sampdoria Genua
Am 3. Januar 2012 vermeldete der Everton FC dann doch die Trennung von Mustafi. Seine Karriere wird der junge Deutsche nun bei Sampdoria Genau in der italienischen Serie B fortsetzen … oder vielmehr richtig beginnen. Der italienische Meister von 1991 möchte umgehend den Abstieg aus der Serie A reparieren und in die Eliteklasse zurückkehren. Mit Platz elf ist der Aufstieg derzeit allerdings in weite Ferne gerückt. Platz zwei, der den direkten Aufstieg bedeutet, ist bereits 15 Punkte entfernt. Platz sechs, der immerhin noch zu den Play-offs um den Aufstieg berechtigt, ist mit fünf Punkten Rückstand immerhin noch in Sichtweite. Das Problem von Sampdoria ist allerdings nicht die drittbeste Abwehr der Serie B, sondern eher der harmlose Angriff. Insofern erscheint der Transfer des Innenverteidigers Mustafi momentan nicht zwingend. Es sei denn, ein Innenverteidiger verlässt noch den Verein. Und tatsächlich wurde Daniele Gastaldello zuletzt mit dem AC Parma in Verbindung gebracht.
Mustafis Vertrag bei Sampdoria läuft bis 2016, so dass die Italiener langfristig mit ihm planen. Sollte der Aufstieg tatsächlich noch gelingen, sollte sich der 19-jährige am besten umgehend in die Stammelf spielen, da bei einer Rückkehr in die Serie A erfahrungsgemäß weitere Verstärkungen anstünden.

Genua als wichtiger Fingerzeig in beider Karrieren

Alexander Merkel und Shkodran Mustafi, zwei junge deutsche Fußballer, die bei den zwei großen Fußballteams Genuas unter Vertrag stehen. Während Merkel bereits in der Serie A angedeutet hat, dass aus ihm ein starker Fußballer werden kann, hat dies Mustafi im Profifußball noch nicht nachgewiesen. Bei den deutschen Juniorennationaltrainern genießt er hingegen eine größere Wertschätzung als Merkel. Mustafi brachte es bisher von der U17 bis zur U20 auf 38 Einsätze für den DFB, Merkel nur auf acht. 2012 wird in jedem Fall ein wichtiger Fingerzeig für den Karriereverlauf der beiden deutschen Talente.

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