Portugal bei der WM in Brasilien, das sollte doch eigentlich passen. Die ehemalige Weltmacht pflegt immer noch enge Verbindungen zu seiner einstmals größten Kolonie. Augenscheinlich wird das vor allem im Vereinsfußball und nicht zuletzt im portugiesischen Nationalteam.
Portugiesische WM-Spieler brasilianischer Herkunft
2006, 2010 und auch heute bereichern gebürtige Brasilianer den portugiesischen WM-Kader. Zunächst zog Deco im Mittelfeld die Fäden, 2010 kamen Stürmer Liedson und der eisenharte Verteidiger Pepe hinzu. Innenverteidiger Bruno Alves zählte vor vier Jahren ebenfalls schon zum WM-Kader und ist immerhin Kind brasilianischer Eltern. Zusammen mit Pepe bildet er bei der laufenden WM die „brasilianische“ Komponente in der südeuropäischen Auswahl. Die brasilianische Kolonie hätte in diesem Jahr durchaus größer sein können. Das 20-jährige Innenverteidigertalent Marquinhos von Paris St. Germain signalisierte 2013 in einem Interview seine Bereitschaft für Portugal aufzulaufen. Falls er die Aussage tatsächlich so getroffen hat, besaß sie eine sehr geringe Halbwertszeit. Im vergangenen Herbst folgte er freudig einer Nominierung in Brasiliens Testspielkader gegen Honduras und kam dabei als Einwechselspieler zum Zug. Den Sprung auf den WM-Zug verpasste er zwar, dafür führte er Anfang Juni 2014 die brasilianische Olympiamannschaft beim traditionellen U20-Turnier in Toulon zum Sieg.
Marquinhos ersetzte bei seinem Länderspieldebüt für die Selecao einen Spieler, den laut des britischen Guardian der portugiesische Verband ebenfalls einmal auf dem Zettel hatte: David Luiz! Der brasilianische Nationalspieler kam wie einst Deco als junger Spieler zu Benfica Lissabon und schlug sofort ein. 2010 avancierte er zum „Spieler des Jahres“ in Portugal, doch ein Wechsel zum portugiesischen Verband kam für ihn nicht infrage. Eine WM für Portugal zu spielen, sei für ihn so, als ob er für einen Klub spiele, so der Guardian.

Frankfurt, 17. Juni 2006: Deco, gebürtigen Brasilianer, wird bei Portugals WM-Spiel gegen den Iran zum „Man of the Match“ gekürt. (Quelle: M. Kneifl)
Brasilianische Nationaltrainer Portugals
Zwischen 2003 und 2008 coachte Luis Felipe Scolari das portugiesische Nationalteam. Der aktuelle brasilianische Nationaltrainer führte die Portugiesen ins EM-Endspiel 2004 und ins WM-Halbfinale 2006. Damit fällt die erfolgreichste Phase der jüngeren portugiesischen Nationalmannschaftshistorie in die Amtszeit des Brasilianers. Neben ihm trainierte bisher erst ein weiterer Ausländer das Nationalteam der Südeuropäer: Otto Glória. Auch er ein Brasilianer und auch er führte Portugals Auswahl zum Erfolg. Der 3. Platz bei der WM 1966 geht auf sein Konto.
Brasilianische Legionäre dominieren in Portugals 1. Liga
Traditionell stark vertreten sind brasilianische Spieler in Portugals 1. Liga, der Liga Zon Sagres. Die Anzahl der Brasilianer in Portugal stellt in einer europaweiten Legionärsstatistik alle anderen Ligen in den Schatten (s. gesonderten Beitrag: Link). In der abgelaufenen Rückrunde standen nicht weniger als 97 Brasilianer bei den 16 portugiesischen Erstligateams unter Vertrag. Im Schnitt setzt also jedes Team auf sechs Spieler aus dem Land des fünfmaligen Weltmeisters. Mit Maritimo hat ein Klub in der Vergangenheit gar schon einmal mit einer rein brasilianischen Elf ein Spiel begonnen.
Portugal bietet sich als Anlaufstelle für das riesige Heer der brasilianischen Profis an, da schon alleine sprachlich keine Anlaufschwierigkeiten bestehen. Die portugiesischen Klubs greifen gerne auf Brasilianer zurück, da sie eine Menge Talent mitbringen und gut ausgebildet sind. Dann ist der heimische Spielermarkt bei einem kleineren Land natürlich nicht unendlich groß. Zudem haben die Spitzenklubs aus Porto und Lissabon mittlerweile sehr gute Erfahrungen damit gemacht, Brasilianer günstig zu verpflichten und auf dem europäischen Markt gewinnbringend weiterzuverkaufen. Aus dem aktuellen brasilianischen WM-Kader haben drei Spieler über das Sprungbrett Portugal ihre Karriere bei europäischen Top-Klubs fortgesetzt: David Luiz (Benfica –> Chelsea), Ramires (Benfica –> Chelsea) und Hulk (FC Porto –> Zenit St. Petersburg).