Wer kennt Mattia de Sciglio und Juraj Kucka? Nun, Fans des AC Milan bestimmt. Der 23-jährige italienische Verteider und der 29-jährige slowakische Mittelfeldakteur spielen beide beim italienischen Renommierklub und nehmen beide an der nun beginnenden EURO teil. Das war es aber auch schon. Das ehedem große Milan entsendet gerade einmal zwei Spieler zum kontinentalen Kräftemessen! Genauso viele wie der katarische Wüstenklub Al-Gharafa Doha mit Kuckas Nationalelfkollegen Vladimir Weiss und Ungarns Krisztian Nemeth. Grund genug einmal genauer auf einige Kuriositäten rund um die 24 Kader bei der EURO 2016 einzugehen:
Vor vier Jahren fuhren noch sechs Spieler von Milan für vier Nationen zur Endrunde. Ein deutlicher Ausweis dessen, dass die großen Zeiten der Norditaliener erst einmal vorbei sind. Sicher, mit Riccardo Montolivo musste ein italienischer Nationalspieler verletzt in Mailand bleiben, doch in der italienischen Nationalmannschaft gibt schon lange Dauermeister Juventus Turin den Ton an. Sechs Juve-Spieler – allen voran in der Defensive – bilden das Korsett der Squadra Azzura.
Die gute alte Blockbildung kommt nicht aus der Mode
Ähnliche Blockbildungen kennen auch andere EURO-Teilnehmer. Die Russen nominierten sieben Spieler vom frischgebackenen Meister ZSKA Moskau. Dass Leonid Slutski sowohl Verein als auch Nationalelf coacht, mag die Vorliebe für Spieler des Armeesportklubs erklären. Die Ukraine baut auf sechs Spieler von Schachtar Donezk, die Türken beriefen sechs Kicker von Fenerbahce in ihren EM-Kader. In Ungarn finden sich fünf Akteure von Thomas Dolls Meisterteam Ferencvaros Budapest wieder. Spaniens Coach Vicente del Bosque vertraut weiter auf eine Barca-Achse von fünf Spielern. Ihm tat es Jogi Löw gleich, der fünf Kicker vom Liga-Krösus Bayern München aufbietet. England stellt einen interessanten Mix. Jeweils fünf Spieler aus Liverpool und Tottenham zählen zum Aufgebot, während die „Big Four“ der letzten Jahre (Manchester United, Manchester City, Arsenal London und Chelsea London) zusammen auf lediglich sieben Spieler kommen. Kurios obendrein, dass die Klubs, die in Belgiens Nationalteam die größten Blöcke bilden, ebenfalls Tottenham und Liverpool mit je drei Nominierten sind. Kleiner Funfact am Rande: Borussia Mönchengladbach und sogar der FC Ingolstadt 04 stellen in je einem Kader das größte Spielerkontingent. Die Gladbacher mit Yann Sommer, Nico Elvedi und Granit Xhaka bei der Schweiz. Die Ingolstädter mit Ramazan Özcan, Markus Suttner und Lukas Hinterseer bei Österreich.
Die Schweiz und Österreich sind zugleich die beiden Auswahlen, die am stärksten auf Bundesliga-Legionäre setzen. Österreichs Marcel Koller bedient sich mit 15 Spielern gar noch stärker als Jogi Löw (14 Bundesliga-Spieler) bei deutschen Klubs. Ansonsten dominieren die englischen Profiligen bei der EURO. Fast genau ein Viertel der 552 nominierten Spieler verdient bei einem englischen Klub sein Geld. Bei sechs EURO-Teilnehmernationen spielen die meisten Kicker ihrer 23er Kader auf der Insel. Unter anderem im belgischen und französischen Team. Apropos Frankreich: Die Klubs des Gastgeberlandes entsenden vergleichsweise wenige EM-Fahrer. Nach englischen (137), deutschen (66), italienischen (56), türkischen (36), spanischen (35) und russischen (32) Vereinen rangieren französische Teams mit 22 Nationalspielern nur an Position sieben.
Von „Stubenhockern“ und „Wandervögeln“
Dass Roy Hodgson in seinem Kader komplett auf Legionäre verzichtet, liegt daran, dass es kaum einem englischen Spieler in den Sinn kommen würde, die Premier League zu verlassen. Ähnliche „Stubenhocker“ sind traditionell die Russen. Lediglich der Last-Minute-Einbürgerung von Schalkes Roman Neustädter ist es zu verdanken, dass sich überhaupt ein „Exot“ in der russischen Auswahl findet. Italiener (18), Türken (17) und Ukrainer (17) greifen ebenfalls auf ein großes Reservoir von Spielern aus heimischen Ligen zurück. Wahre „Wandervögel“ sind hingegen die Skandinavier. Schweden und Isländer rekrutierten ihr Team aus 13 bzw. 10 Ländern. Slowaken (13) und Albaner (10) spielen ebenfalls in aller Herren Länder. Waliser, Nordiren und Iren suchen hingegen den engen Schulterschluss mit englischen Klubs. Und wenn nicht dort, dann zumeist in Schottland.
Nur zwei EURO-Teilnehmer aus der niederländischen Eredivisie
Die schottischen Klubs stellen nicht zuletzt deshalb mit acht EM-Fahrern das größte Kontingent eines nicht für die EURO qualifizierten Landes. Vor Dänemark (6) und Griechenland (5). Aus der niederländischen Eredivisie dürfen sich in den kommenden Wochen hingegen nur zwei Spieler beweisen: Adam Nemec (Willem II Tilburg) und Arkadiusz Milik (Ajax Amsterdam). Ein weiterer Beleg, dass gerade irgendetwas im Fußballbetrieb unseres Nachbarlandes gehörig schief läuft. Wahre Exoten stellen der ehemalige Bayern-Spieler Anatoli Timoschtschuk dar, der mittlerweile in Kasachstan sein Geld verdient, aber dennoch für die Ukraine zur EURO fährt. Andre-Pierre Gignac steht in Frankreichs Kader, jagt aber ansonsten für Tigres de Monterrey in Mexikos Eliteklasse dem Ball nach. Mit Burak Yilmaz dürfte zudem erstmals ein Spieler an einer Europameisterschaft teilnehmen, der für einen chinesischen Klub (Beijing Guo’an) aufläuft.
Kein EM-Fahrer aus der eigenen Liga, dafür aber ein Viertliga-Spieler
Mit Irland, Nordirland, Wales und Island gibt es vier EM-Teilnehmer, die keinen einzigen Spieler aus den heimischen Ligen nominierten. Wales greift zwar auf Spieler von Swansea City zurück, die allerdings am englischen Spielbetrieb teilnehmen. Das Liganiveau der kleinen britischen Verbände ist offenkundig derart mau, dass es sogar mehrere Kicker von englischen Drittligisten (FC Gillingham, Doncaster Rovers, Fleetwood Town) in den nordirischen und walisischen Kader schafften. Nordirlands Oldie Roy Carroll stand in der abgelaufenen Saison sogar bei Viertligist Notts County im Tor. Eine weitere Kuriosität dieser Europameisterschaft.