Alan Dzagoev ließ am ersten Spieltag der EURO als Doppeltorschütze aufhorchen. Der 21-jährige brachte die russische Auswahl gegen Tschechien mit seinen Treffern zum 1:0 und 3:1 auf die Siegerstraße. Insidern war der junge Russe schon länger ein Begriff. Die wenigsten wissen allerdings, dass der junge Kaukasier eines der dunkelsten Kapitel der jüngeren russischen Geschichte hautnah miterlebte.
Dzagoevs Eltern sind gebürtige Osseten, die Ende der 1980er Jahre aus dem heutigen Georgien in die angrenzende russische Teilrepublik Nordossetien-Alanien übersiedelten. Dort kam am 17. Juni 1990 ihr Sohn Alan in Beslan auf die Welt. In eben jener Stadt, in der es am 1. September 2004 zu einer dramatischen Geiselnahme durch tschetschenische Terroristen kommen sollte. Sie nahmen in der städtischen Schule Nr. 1 über 1.000 Geiseln, von denen bei der Erstürmung durch russische Sicherheitskräfte über 300 ums Leben kamen. Dzagoev hatte das Glück die Schule Nr. 4 zu besuchen und geriet somit nicht in die Hände der Geiselnehmer.
Über eine Fußballschule zu ZSKA
Dieses Ereignis war laut eines Handelsblatt-Beitrags vom März 2012 für Dzagoevs Vater so einschneidend, dass er beschloss, das damals schon große fußballerische Talent seines Sohnes fernab der unsicheren Heimat fördern zu lassen. Mit 16 verließ Alan deshalb seine Eltern und besuchte eine von Chelsea-Besitzer Roman Abramovitsch gesponsorte Fußballschule. Von da an ging es im Eilzugtempo nach oben. Mit 17 wechselte er zum Renommierklub ZSKA Moskau und lief noch vor Vollendung seines 18. Lebensjahres erstmals für die Profimannschaft auf. Am Ende seiner Premierensaison standen 20 Erstligaeinsätze, wobei er 18-mal von Beginn an zum Zuge kam und dabei acht Tore erzielte sowie acht weitere auflegte. Angesichts dieses starken Einstands verwundert es nicht, dass ihn der damalige russische Nationaltrainer Guus Hiddink prompt zur A-Nationalelf einlud. Am 11. Oktober 2008 debütierte Dzagoev im Alter von 18 Jahren und 116 Tagen im WM-Qualifikationsspiel gegen Deutschland in Dortmund. Fast hätte er seinen Einstand kurz vor Schluss mit einem Tor zum Ausgleich gekrönt, der Pfosten stand dem allerdings entgegen.
Klar im Kopf, stark mit den Füßen
Seit seinem kometenhaften Aufstieg gilt Dzagoev in Russland als Wunderkind, das einmal in die Fußstapfen eines Andrey Arshavin treten wird. Auch international wird er als eines der heißesten Eisen auf dem Transfermarkt gehandelt. Dzagoev, der als charakterlich überaus reif und diszipliniert beschrieben wird, bringt fußballerisch alles mit. Gute Übersicht, gute Technik, guter Schuss, genaues Passspiel. Trotz seiner erst 21 Jahre kann er schon auf 16 Champions-League-Einsätze (4 Tore) und 21 Länderspiele (6 Tore) verweisen. Bisher bekannte er sich stets zu seinem Verein, bei einem Angebot aus Chelsea – das er schon als Junge bewunderte – könnte er aber womöglich schwach werden.
Sollte der einzige Kaukasier im Aufgebot der Russen heute Abend gegen Polen wieder so auftrumpfen wie im ersten Spiel, düften sich weitere Topklubs in die Reihe potentieller Abnehmer einreihen. Es wäre dann nur noch eine Frage der Zeit, wann er tatsächlich die Herausforderung annähme in eine westliche Liga zu wechseln. Beslan läge dann jedenfalls noch weiter hinter ihm, als die derzeit 1.700 Kilometer bis Moskau.
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