Die Bundesligaklubs haben auf der Zielgeraden noch einmal Gas gegeben. Eine Runde im Pokal und ein Spieltag in der Bundesliga haben zahlreiche Vereine dazu verleitet ihre Kader nochmals nachzujustieren. Aus der breiten Masse der Wechseltätigkeiten stechen die Last-Minute-Transfers von Javier Martinez zu Bayern München, von Rafael van der Vaart zum Hamburger SV und von Ibrahim Affelay zu Schalke 04 heraus. Doch wer war in dieser Transferperiode besonders spendabel, wer agierte eher mit Augenmaß und wer erlöste sogar einen Gewinn?
Die Spendablen
Bayern bläst zum Angriff. Anders sind die kostspieligen Transfers von Martinez (Athletic Bilbao – 40 Millionen), Mario Mandzukic (VfL Wolfsburg – 13 Millionen), Xherdan Shaqiri (FC Basel – 11,8 Millionen) und Dante (Borussia Mönchengladbach – 4,7 Millionen) nicht zu deuten. Vor allem der hartnäckig verfolgte Transfer von Martinez lässt darauf schließen, dass der Rekordmeister nicht nur in Deutschland die Verhältnisse wieder ins Lot bringen möchte, sondern einen erneuten Angriff auf den Champions-League-Titel startet.
Borussia Mönchengladbach liegt im Ranking der Transferausgaben auf Platz 2. Angesichts der Transfereinnahmen für Marco Reus (zu Borussia Dortmund – 17,1 Millionen) und Dante konnten sie sich allerdings auch Ausgaben von rund 30 Millionen erlauben. Umso mehr, als sie an die Tür zur Champions League pochten. Sie scheiterten zwar in der Quali an Dynamo Kiew, werden aber auch in der Europa League die ein oder andere Million auf der Habenseite verbuchen können. Die Neuzugänge Granit Xhaka (FC Basel – 8,5 Millionen), Peniel Mlapa (1899 Hoffenheim – 2,5 Millionen), Branimir Hrgota (Jönköping – 0,4 Millionen), Alvaro Dominguez (7 Millionen – Atletico Madrid) und Luuk de Jong (FC Twente Enschede – 12 Millionen) lesen sich jedenfalls vielversprechend. Die Kunst von Lucien Favre liegt nun darin schnellstmöglich eine schlagkräftige Truppe zusammenzustellen. Denn Gladbach will nicht wie so viele Emporkömmlinge vor ihnen nach hinten auf die angestammten Bundesligaplätze durchgereicht werden.
Surprise, surprise. Im Wechsel-Endspurt hat sich der Hamburger SV einen Platz auf dem Treppchen gesichert. Für Milan Badelj (Dinamo Zagreb – 4 Millionen), Petr Jiracek (VfL Wolfsburg – 4 Millionen) und eben van der Vaart (Tottenham Hotspur – 13 Millionen) gaben die Hanseaten alleine in der letzten Woche 20 Millionen Euro aus. Geld, das lange Zeit nicht verfügbar schien und ohne den Gönner Klaus Michael Kühne auch nicht da gewesen wäre. Er hat dem Klub dem Vernehmen nach ein zinsloses Darlehen zur Verfügung gestellt und verzichtet sogar auf Erlöse aus möglichen Verkäufen anderer Spieler, an denen er bereits Anteile hält. Tja, wohl dem, der solch einen Investor in der Hinterhand weiß. Den üblichen Kellerkindern scheint so ein ambitionierter Abstiegskonkurrent flöten zu gehen. Immerhin darf der Boulevard mit den van der Vaarts nun wieder die Beckhams der Bundesliga begrüßen.
Mit Augenmaß
Borussia Dortmund hängt immer noch der Geruch der Beinahe-Insolvenz in den Trikots. Trotz der Investitionen von insgesamt über 25 Millionen Euro (u.a. 17,1 Millionen Euro für Reus) steht gerade einmal ein Minus von 350.000 Euro in der diesjährigen Transferbilanz. Shinji Kagawa (zu Manchester United – 15 Millionen) und Lucas Barrios (Guangzhou Everglade – 8,5 Millionen) konnten gewinnbringend veräußert werden, ohne dass die Mannschaft zugleich um den Verlust ihrer Qualität fürchten muss. Dass Dortmund im Sommerschlussverkauf nicht mehr tätig wurde, belegt, dass die Borussen mit Weitsicht planen und ohnehin über einen eingespielten Kader verfügen.
Werder Bremen erlebte hingegen eine Umwälzung der größeren Art. Marko Marin (Chelsea FC), Tim Wiese (1899 Hoffenheim), Naldo (VfL Wolfsburg) und Claudio Pizarro (Bayern München) verließen den Verein. Auf dem Papier ein Substanzverlust, der bei genauerer Betrachtung der letztjährigen Saison allerdings verschmerzbar sein dürfte. Mit Eljero Elia (Juventus Turin – 5,5 Millionen), Theodor Gebre Selassie (Slovan Liberec – 1,8 Millionen), Sokratis (FC Genua – 3,5 Millionen – zuvor nur geliehen) und den Leihgebühren für Kevin de Bruyne und Nils Petersen (insgesamt 1 Million) hat Werder das eingenommene Geld äußerst effizient reinvestiert. Zudem dürften die Neuen das Gehaltsgefüge nicht sprengen, das nach den Abgängen der oben genannten Alphatiere nun im Lot sein dürfte.
Schalke 04 hat im Wissen der immer noch großen Schulden ebenfalls mit Augenmaß gewirtschaftet. Nur für Chinedu Obasi (1899 Hoffenheim – 4 Millionen) haben die Knappen Geld in die Hand genommen. Für Roman Neustädter (Borussia Mönchengladbach), Tranquillo Barnetta (Bayer Leverkusen) und Ibrahim Affelay (FC Barcelona) hat man gar kein, oder nur wenig Geld ausgegeben. Dafür hat Manager Horst Heldt mehrere Spieler für kleines Geld abgegeben, damit aber auch zugleich die Gehaltsliste entschlackt.
Die Profitablen
Die Vereine, die mit ihren Transfergeschäften Geld verdient haben, sind – nur um ein Vorurteil zu bestätigen – bevorzugt im Ländle zu suchen. 1899 Hoffenheim hat zwar 12 Millionen Euro (u.a. für Eren Derdiyok – Bayer Leverkusen und Joselu – Madrid Castilla) ausgegeben, durch die Verkäufe unter anderem von Gylfi Sigurdsson (Tottenham Hotspur – 10 Millionen), Chinedu Obasi (Schalke 04 – 4 Millionen) und Isaac Vorsah (Red Bull Salzburg – 4 Millionen) aber auch viel Geld eingenommen. So beläuft sich der Saldo der „Hoppenheimer“ auf rund 9,5 Millionen Euro Gewinn. Gleichwohl verfügen sie nun mit Wiese (Werder Bremen), Mathieu Delpierre (VfB Stuttgart), Eren Derdiyok (Bayer Leverkusen) Chris und zuletzt Patrick Ochs (beide VfL Wolfsburg) über gestandene Bundesligaprofis. Eine Trendwende beim ehedem selbsternannten Ausbildungsverein?
Der VfB Stuttgart vertraut durch einen von der Vereinsführung verordneten Sparzwang weitgehend auf den alten Kader. Minimale Blutauffrischung gab es durch Tim Hoogland (Schalke 04 – 0,3 Millionen) und Tunay Torun (Hertha BSC – ablösefrei). Da für Timo Gebhart (1. FC Nürnberg – 1 Million) und Julian Schieber (VfB Stuttgart – 5,5 Millionen) ordentlich Geld eingenommen wurde, beläuft sich das Transferplus auf über 6 Millionen Euro.
Dass auch den Franken das Hemd näher ist als die Hose, beweist der 1. FC Nürnberg. Die für Philipp Wollscheid (zu Bayer Leverkusen) erlösten 5 Millionen Euro wurden nicht gänzlich reinvestiert, so dass unter dem Strich ein Plus von 2,8 Millionen Euro bleibt.
Man höre und staune. Auch der VfL Wolfsburg geht mit einem Überschuss aus der Sommertransferperiode hervor. Die Qualität des Kaders ist so riesig, dass in den letzten Tagen noch mit Jiracek (zum HSV) der auffälligste Tscheche bei der EURO und Publikumsliebling Ashkan Dejagah (Fulham FC – 2,5 Millionen) veräußert wurden. Die Einnahmen dieser Verkäufe trugen letztlich dazu bei mit einem Plus von 1 Million Euro aus dem Transferfenster zu gehen.
Der FSV Mainz 05 komplettiert das Quintett der gut wirtschaftenden Bundesligaklubs. Die 1,6 Millionen für Sami Allagui (zu Hertha BSC) investierten sie in Chinedu Ede (Union Berlin – 1,2 Millionen) und z.T. in Nikita Rukavystya (Hertha BSC – 0,7 Millionen). Letztlich kam eine knappe Million auf das Festgeldkonto der Rheinhessen.
Die Schnäppchenjäger
Die Aufsteiger sind naturgemäß darauf angewiesen zu investieren, um den Qualitätssprung zwischen den Ligen erfolgsversprechend anzugehen. Dies beherzigten auch Eintracht Frankfurt (rund 7,5 Millionen), die Spvgg Greuther Fürth und Fortuna Düsseldorf (beide etwas über 2 Millionen). Da die Kassen der Aufsteiger jedoch auch nicht allzu prall gefüllt sind, sind sie mehr als die anderen Klubs bemüht, Spieler ablösefrei zu gewinnen. Folglich stehen Frankfurt (3 Spieler), Fürth (5 Spieler) und Düsseldorf (11 Spieler) in dieser Hinsicht ligaweit vorne.

Die Sommertransferbilanz 2012 der Bundesligisten (Quelle: http://www.transfermarkt.de, Stand: 01.09.2012)
The next generation
Erstmals tauchen in dieser Saison übrigens auch Spieler aus der letztjährigen U17-Vizeeuropameisterelf (Jahrgang 1994) des DFB in den erweiterten Kader der Profimannschaften auf. Mit Emre Can (eigener Nachwuchs) und Mitchell Weiser (1. FC Köln) gehören zwei von ihnen dem Bayern-Team an. Beide standen in Pokal und Supercup bereits im Kader oder sogar auf dem Platz. Koray Günter und der jüngst verletzte Marvin Ducksch dürfen bereits bei Dortmunds Zweiter in der 3. Liga Erfahrungen sammeln und werden langsam an die Profis herangeführt. Gleiches verfolgt der VfB Stuttgart mit Odisseas Vlachodimos, Rani Khedira und Sven Mende. Noah Korczowski wechselte in diesem Sommer von Schalke zu Nürnberg, wo er bisher vorwiegend in der Zweitvertretung zum Einsatz kam. Auch Samed Yesil verließ seinen Heimatverein. Der Goagetter seiner Generation brach vor wenigen Tagen seine Zelte bei Bayer Leverkusen ab und schloss sich dem Liverpool FC an. Dort erhofft er sich in den nächsten beiden Jahren den Anschluss an die erste Elf zu schaffen. Dies ist Mirco Born bei Twente Enschede ansatzweise gelungen. Der junge Deutsche hat beim niederländischen Verein bereits einen Einsatz in der Europa League vorzuweisen.