Gerade noch bedauern die Hardcore-Fußballfans das Ende der Weltmeisterschaft, schon dürfen sie wieder frohlocken. Das nächste internationale Turnier steht in den Startlöchern: Die Europameisterschaft der U19-Junioren beginnt heute in Ungarn. Die Junioren des DFB haben sich erstmals seit 2008 wieder für die Endrunde dieses Jahrgangs qualifiziert. Und das auch noch überzeugend. Dennoch geht der Fußballbund mit überaus gemischten Gefühlen ins Turnier.
Vor Jahresfrist war das Gejammer in Deutschland groß. Soeben hatte die hoch eingeschätzte U21-Nationalelf bei der Europameisterschaft in der Gruppenphase die Segel streichen müssen. Medien und Fans gaben dem DFB eine Mitschuld am enttäuschenden Turnierverlauf. Er hatte großzügig auf Julian Draxler, Ilkay Gündogan und André Schürrle verzichtet. So zeigten allen voran die niederländischen und spanischen Youngster der deutschen Auswahl deutlich ihre Grenzen auf. Da halfen auch die gestandenen Sebastian Rode, Kevin Volland, Oliver Baumann und Lewis Holtby nichts. Ebenso wenig wie Shkodran Mustafi und Matthias Ginter, die vor einer Woche den WM-Sieg feiern durften.
Klubs stellen Saisonvorbereitung über die Junioren-EM
Im letzten Jahr hatte sich der DFB also verzockt. Vor der heute beginnenden U19-EM machten ihm die Vereine einen Strich durch die Rechnung. Schuld ist der ungünstige Termin. Er liegt mitten in der Vorbereitung auf die neue Saison. Dabei hatte sich der DFB bis zur Selbstaufgabe auf die Klubs zubewegt und auf eine Turniervorbereitung verzichtet. Die Nationalelf traf sich erst am Mittwochabend. Am Donnerstag – also zwei Tage vor dem Turnierauftakt – ging es nach Ungarn. Dennoch muss der DFB – zumindest zeitweise – auf wichtige Spieler verzichten:
- Max Meyer (Schalke 04): keine Freigabe.
- Timo Werner (VfB Stuttgart): keine Freigabe.
- Leon Goretzka (Schalke 04): ist verletzt, hätte aber wohl wie Meyer keine Freigabe für das Turnier erhalten.
- Joshua Kimmich (RB Leipzig): lief gestern Abend im Testspiel gegen Paris St. Germain auf und steht im ersten Spiel bestenfalls als Ersatzspieler parat.
- Levin Öztunali und Julian Brandt (beide Bayer Leverkusen): bestreiten heute noch ein Testspiel gegen Olympique Marseille und reisen zum zweiten Gruppenspiel an.
Des weiteren fehlen zwei Spieler, die im Verlauf der ersten Qualiphase noch mitwirkten:
- Julian Green (Bayern München): spielt mittlerweile für das US-Team und darf sich WM-Torschütze nennen.
- Serge Gnabry (Arsenal FC): versucht bei den Londonern einen Platz im Team zu ergattern und stand wohl nie ernsthaft für die EM zur Debatte.
Hoffnungsvolle Qualifikation, ungewisse Endrunde
Noch vor sechs Wochen hatte die junge Auswahl mit Meyer, Kimmich, Öztunali und Brandt in der Startelf den erfolgreichsten U19-Nachwuchs des letzten Jahrzehnts ausgeschaltet. In Spanien hielten sie die Gastgeber mit 3:1 in Schach und machten Hoffnung, nach 2008 wieder den Titel nach Deutschland zu holen. Damals ergatterte der deutsche Nachwuchs mit Lars und Sven Bender sowie Ron-Robert Zieler den Titel, nach langen Jahren des Darbens. Gerade mit dem WM-Gewinn der großen Nationalelf im Rücken, würde der DFB gerne einmal wieder auf Juniorenebene aufhorchen lassen. Unter den genannten Begleitumständen wird das aktuelle Turnier aber alles andere als ein Selbstläufer. Es bleibt spannend, ob der viel versprechende Jahrgang auch ohne seine namhaftesten Vertreter an die Leistungen von 2012 anknüpfen kann. Vor zwei Jahren holten sie bei der U17-EM Silber. Die damals siegreiche niederländische Auswahl hat sich dieses Mal gar nicht qualifiziert.
Im verbliebenen EM-Kader der U19-Junioren stehen immerhin noch einige Bundesliga-erprobte Spieler:
- Marc-Oliver Kempf, der eben erst von Eintracht Frankfurt zum SC Freiburg gewechselt ist,
- Marc Stendera von der Eintracht,
- der Nürnberger Niklas Stark,
- und der Berliner Stürmer Hany Mukhtar.
Die Gruppengegner
Die Kontrahenten der DFB-Auswahl von Trainer Marcus Sorg lauten Bulgarien, Titelverteidiger Serbien und die Ukraine. Bei den A-Nationalteams derzeit keine großen Nummern. Doch im Nachwuchs, wo es lediglich auf einen Jahrgang ankommt, gelten andere Gesetze. Die verschiedenen Qualiphasen finden innerhalb weniger Tage ohne Hin- und Rückspiel statt. Unglückliche Niederlagen oder der Ausfall von Leistungsträgern können sich schnell negativ auswirken. Die Ukrainer schalteten jedenfalls den englischen Nachwuchs aus. Die nach den Spaniern zweiterfolgreichste U19-Nation Serbien ließ die Türken hinter sich. Bulgarien setzte sich gegen die italienische, tschechische und schwedische U19 durch.
Bei Qualifikation für U20-WM drohen ebenfalls Absagen von Spielern
Die EM ist zugleich die Ausscheidung für die U20-Weltmeisterschaft in Neuseeland. Zur Qualifikation genügt es schon, wenn das deutsche Team eine Nation in der Gruppenphase hinter sich lässt. Sollte das gelingen, bestünde die leise Hoffnung mit einer bestmöglichen Mannschaft nach Neuseeland zu reisen. Das U20-Turnier beginnt am 30. Mai 2015. Die Bundesligasaison ist da schon längst zu Ende.
Ein paar Unwägbarkeiten gäbe es dann aber doch. Das Pokalfinale ist just am 30. Mai und sollten Leverkusen oder Schalke darin vertreten sein, dürfte sich eine WM-Teilnahme der Jungstars Meyer und Goretzka bzw. Öztunali und Brandt erübrigen. Zudem könnte der DFB wie schon im letzten Jahr in die Zwickmühle geraten. Und zwar im Falle, dass sich einer der Überflieger schon im Team von Jogi Löw festgespielt hat und an der EM-Quali teilnimmt. Ein Qualispiel gegen Gibraltar böte im Juni die Möglichkeit eine junge Garde aufzubieten und arrivierte Kräfte früher in den Urlaub zu schicken. Es kann aber auch sein, dass einige für die U21 auflaufen. Sofern sich das älteste Nachwuchsteam des DFB dafür qualifiziert, spielt es zur gleichen Zeit bei der EM-Endrunde.