Die Meisterschaft ist entschieden. Nein, nicht in der Bundesliga. Zumindest noch nicht. Die Würfel sind in Schweden gefallen! Das Meisterteam stellt ein Klub, den niemand ernsthaft auf der Rechnung hatte. Die Rede ist von IFK Norrköping!
Wer vor der Saison darauf getippt hätte, dass Schwedens Meister am letzten Spieltag in der Partie zwischen Malmö FF und IFK Norrköping gekürt wird, der wäre kein allzu großes Risiko eingegangen. Schließlich hatte Malmö die letzten beiden Meisterschaften für sich entschieden. Wer allerdings vorausgesagt hätte, dass das Team aus Norrköping die Meistertrophäe entgegennehmen wird, der wäre wohl schallend ausgelacht worden. Doch ebenjener Klub, der im vergangenen Jahr fast abgestiegen wäre und seit den 1980ern auf den Platz an der Sonne wartete, schnappte sich die Meisterschaft. Es ist der schiere Wahnsinn! Doch der Reihe nach.
Embed from Getty ImagesGoldene Vergangenheit
Norrköping ist im schwedischen Fußball eine große Nummer … gewesen. Zwischen 1943 und 1963 holte der Klub elfmal die Meisterschaft. Ende der 1940er Jahre stürmten Gunnar Nordahl und Nils Liedholm für die Blau-Weißen. Zusammen mit Gunnar Gren bildeten sie ab 1949 beim AC Mailand den legendären Gre-No-Li-Sturm, der noch heute fester Bestandteil des schwedischen Fußballgedächtnisses ist. Gunnar Nordahl coachte den IFK später selbst, ohne allerdings Trophäen einzuheimsen. Erst 1989 errang der Klub aus Norrköping nach 26-jähriger Durststrecke den zwölften Meistertitel. Danach folgt eine weitere Flaute, die den Klub seit 2003 gar für mehrere Jahre in die 2. Liga führte.
2014 Klassenerhalt auf den letzten Drücker
Vor einem Jahr hätte sich Norrköping fast schon wieder in die Zweitklassigkeit verabschiedet. Vier Spieltage vor Schluss war der Traditionsklub auf einen Abstiegsplatz abgerutscht. Doch dann holten sie zehn Punkte aus den restlichen Partien, was die Rettung bedeutete. Die schwedischen Experten ließen sich von dem erfolgreichen Schlussspurt nicht beeindrucken und trauten dem Team von Janne Andersson vor der Saison nicht sonderlich viel zu. Umso mehr, als der Kader selbst für schwedische Verhältnisse nicht unbedingt namhaft besetzt war. Vor der Saison holten sie zwar den in der Allsvenskan sehr bekannten finnischen Ex-Nationalspieler Daniel Sjölund für die Schaltzentrale im Team, er war aber auch schon 31. In Deutschland kennt man immerhin den Kapitän des Klubs: Andreas Johansson schnürte zwischen 2009 und 2011 seine Schuhe für den VfL Bochum.
2015: Ein unglaublicher Lauf
Der Verein schien sich zunächst im Frühjahr 2015 als graue Maus zu bestätigen. Nach vier Partien standen erst vier Punkte auf der Habenseite. Dann legte IFK allerdings mächtig los und steigerte sich in einen formidablen Lauf. Das dritte Spiel ging erst Anfang August am 18. Spieltag verloren. Die vierte und letzte Partie Mitte Oktober. Bis zum 27. Spieltag trieben sie IFK Göteborg vor sich her, bevor sie im Schlussspurt vorbeizogen und auch am letzten Spieltag beim Topteam in Malmö die Nerven behielten. Die Gegner hatten selten eine Handhabe gegen den vermeintlichen Underdog. Die Spielanlage des Teams ist offensiv und oft genug attraktiv. Nicht von ungefähr erzielte Norrköping in der abgelaufenen Saison die meisten Tore in der Allsvenskan. Emir Kujovic holte sich mit 21 Treffern die Torjägerkrone und brachte IFK am letzten Spieltag in Malmö mit seinem 1:0 auf die Siegerstraße. Sein Tor bereitete der zweitbeste Vorlagengeber der Liga, Arnór Ingvi Traustason, vor. Kujovic revanchierte sich kurz vor Abpfiff bei dem Isländer mit der Vorlage zu dessen 2:0. Der Rest war grenzenloser Jubel im Norrköping-Fanblock.
Solide Politik und Jugendstil führt zum unverhofften Erfolg
Der Überraschungsmeister hat den Erfolg mit einer soliden Klubpolitik erreicht. Als IFK 2009 in eine finanzielle Schieflage geriet, sorgte mit Peter Hunt ein lokaler Geschäftsmann auf dem Präsidentenstuhl wieder für geordnete Verhältnisse. Seither setzt der Klub verstärkt auf den eigenen Nachwuchs oder auf Spieler, die anderswo nicht so recht durchgestartet waren. Im Meisterteam zählten mit Traustason, David Mitov Nilsson (seit kurzem mazedonischer Nationalkeeper), Alexander Fransson, Christoffer Nyman und dem erst 18-jährigen Linus Wahlqvist fünf Spieler zu den Dauerbrennern, die 24 Jahre oder jünger sind. Mit Filip Dagerstal, Tesfaldet Tekie und Getrit Citaku schnupperten weitere Eigengewächse Erstligaluft. Der Erfolg rückt das Team natürlich in den Fokus einer breiteren Öffentlichkeit. Goalgetter Kujovic wurde in dieser Woche für die Relegationsspiele zur EURO 2016 in die schwedische Nationalmannschaft berufen. Der Isländer Traustason wird bereits mit Premier-League-Klubs in Verbindung gebracht. Im kommenden Sommer wird der Serienmeister der Nachkriegsära erstmals seit dem Jahr 2000 wieder an einem europäischen Wettbewerb teilnehmen. Ja, er wird sogar erstmals überhaupt in der Qualifikation zur Champions League spielen. Kein Wunder, dass ob des unverhofften Höhenfluges viele in und um Norrköping immer noch ungläubig mit dem Kopf schütteln. Schön, dass der Spitzenfußball noch solche Geschichten schreibt.
Die Highlights des finalen Schritts zur Meisterschaft: Malmö FF vs. IFK Norrköping 0:2
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Norwegisch-finnischer Exkurs:
Auch in Norwegen und Finnland ist mittlerweile die Meisterschaft beendet. In Norwegen setzte sich der langjährige Serienmeister und ehemalige Champions-League-Dauergast Rosenborg Trondheim die nationale Krone auf. Letztmals gelang es dem Klub 2010 die Meisterschaft zu erringen, nun darf er wieder von Abenteuern in der europäischen Königsklasse träumen. Der Weg dorthin wird allerdings durch eine steinige Qualifikation führen. Ein nahezu aussichtsloser Bewerber um ein Ticket für die Königsklasse ist SJK Seinäjoen. Der Klub aus Westfinnland ging erst 2007 aus einer Fusion zweier Vereine hervor. Kein allzu seltenes Phänomen im finnischen Spitzenfußball. 2011 zog er in die 2. Liga ein. 2013 in die 1. Liga. Nach der Vizemeisterschaft im vergangenen Jahr führte der ehemalige finnische Nationalspieler Simo Valakari den Verein in einem Herzschlagfinale als Trainer zur Premierenmeisterschaft.
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