„Mit Christian Streich würde ich gerne mal ein Bier trinken gehen“

Christiane Falk (Quelle: Christiane Falk)Christiane Falk ist eine Radiomoderatorin, die sich ganz besonders der Gitarrenmusik (Indie-, Alternative, Punk, Metal und Postpunk) verschrieben hat. Daneben lässt sie gerne die Plattenteller in diversen Klubs rotieren. Im September hat sie bei den VUT Indie Awards einen Ehrenpreis (die VIA! Indieaxt) für ihren Einsatz für mehr Vielfalt im öffentlich-rechtlichen Radio erhalten. Ich hörte sie sehr gerne bei 1Live in „PlanB“, einem Radioformat im WDR, das sich grandioserweise mit Bands jenseits der Charts und des Mainstreams beschäftigt. 2015 schied sie dort aus. 2016 auch bei DASDING, dem Jugendsender des SWR, wo sie 17 Jahre die Sendung „Lautstark“ moderierte. Mit mir spricht sie im diesjährigen Jahreswechsel-Interview über ihre aktuellen Projekte, das Musikjahr 2016 und eine ihrer weiteren Leidenschaften: den Fußball.

Christiane, mit welchen Projekten bist Du derzeit unterwegs? Sprich, wo bist Du zu hören?
Ich habe, als meine Sendung endete, Laut & Kantig ins Leben gerufen. In diesem Format veröffentliche ich jede Woche auf Spotify (LINK) Playlisten mit Gitarrenmusik und erzähle in Facebook-Livevideos etwas zum Inhalt.
Parallel dazu habe ich einen gleichnamigen Youtube-Kanal (LINK), in dem ich ab und an Videos, z.B. Interviews mit Künstlern, hochlade. Daneben habe ich eine Facebook-Seite auf der ich Wichtiges, Schönes und Kurioses aus der Gitarrenwelt poste und noch eine Soundcloud-Seite (LINK) mit Beiträgen und Interviews von mir.
Abseits davon habe ich 2016 relativ viele Interviews für verschiedene Plattenfirmen und Radiosender geführt. Ich habe Beiträge und Features für SWR 2 gemacht, für SWR 1, SWR Info, Radioeins in Berlin und auch mal für Deutschlandradio Kultur. Außerdem schreibe ich schon seit meiner Teenagerzeit für Zeitungen Sonderseiten über Reisen oder natürlich Musik. Zudem arbeite ich für Libertine, ein feministisch ausgerichtetes Frauenmagazin, wobei man bei Feminismus jetzt nicht Angst haben muss. Es ist nicht anstrengend, sondern einfach eine sehr gut aufgemachte Frauenzeitschrift, da kümmere ich mich um den Musikteil.

War 2016 ein interessantes Musikjahr und gab es Künstler die dich besonders begeistert haben?
Ich fand es ein sehr gutes Musikjahr. Deutlich besser als die letzten Jahre, zumindest was die Vielzahl an qualitativ hochwertigen Alben angeht. Ich fand Kate Tempest beeindruckend. Eine britische Rapperin, mehr noch, eine Künstlerin. Eine Frau, die auch einen Roman herausgebracht hat und die eben phantastische Texte mit Musik kombiniert. Kate Tempest ist politisch total auf der Höhe. Sie analysiert in ihren Texten sehr genau, was im britischen Volk vorgeht.
Die wichtigste Band in 2016 war für mich ganz klar Savages. Eine vierköpfige Frauenband aus England. Wobei es für mich nicht relevant ist, dass sie Frauen sind, sondern dass sie unglaublich energiegeladen sind. Sie haben eine ganz tolle Platte rausgebracht. Ich habe sie mir allein in 2016 fünfmal live angeschaut und habe mit ihnen Interviews geführt. Savages haben für mich etwas, was vielen Bands heute  fehlt. Sie strahlen fast etwas Gefährliches aus, im Sinne von spannend. Sie sind keine Menschen und Musikerinnen, die einem egal sind.
Dann gab es noch ein paar politische Alben, die ich ganz toll fand. Anohni, PJ Harvey sowie A Tribe Called Quest habe ich sehr geschätzt.

Was hat dich in der deutschen Musikszene am meisten beeindruckt?
Die Höchste Eisenbahn hat das beste Album rausgebracht. Das ist ein wirklich toller Indie-Pop. Es ist schade, dass Künstler wie Mark Forster und Tim Bendzko in jedem Radiosender zu hören sind, die einfach nichts zu sagen haben. Die die langweiligsten und banalsten Texte schreiben. Und dann gibt es eine Band wie Die Höchste Eisenbahn, die phantasievoll musiziert und textet, die aber gar keine Chance bekommt, von so vielen Menschen gehört zu werden. Würden sie morgens um 8 Uhr bei großen Radiosendern laufen, hätten sie garantiert weitaus mehr Fans.
Dann bin ich noch großer Fan von Drangsal, einem jungen Künstler aus der Pfalz, der sein Debütalbum herausgebracht hat. Das ist ein ganz, ganz, ganz tolles Album geworden, irgendwo zwischen Indie, Wave, Pop und Indierock. Ein ganz klarer Fan der 80er Jahre. Aber eben keine billige Kopie, sondern etwas ziemlich Eigenständiges. Und auf jeden Fall fand ich Casper wieder mal relevant. Er hat zwar nur einen Song veröffentlicht, „Lang lebe der Tod“, aber der ist so geil, was die Produktion, was die Musik und vor allem Text angeht, dass das ausreicht, der Song ist wie ein Ausrufezeichen! Man kann ihn zehnmal hintereinander anhören, und er macht immer wieder Sinn.

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Christiane Falk mit dem VUT Indie Award, den ihr Nikel Pallat (l., ehemals Ton, Steine, Scherben) 2016 für ihr Engagement für mehr Vielfalt im öffentlich-rechtlichen Radio überreichte (Quelle: Christiane Falk)

Was vielleicht nicht so viele wissen, Dich begeistert nicht nur Musik, sondern auch Fußball, insbesondere der SC Freiburg. Warum?
Ich komme aus Baden-Baden. Da wäre die nächstgelegene Stadt mit großem Verein eigentlich Karlsruhe und fußballerisch dementsprechend der KSC gewesen. Ich war aber nie KSC-Fan, auch wenn ich einzelne Spieler durchaus mochte. Meine beste Freundin war ein riesiger Fan von Mehmet Scholl und später von Icke Häßler. Irgendwann tauchte dann in meinem Kosmos der SC Freiburg auf, von dem auch mein Vater Fan war. Ich habe mich ein wenig mit dem Verein beschäftigt und fand alles super da. Auch den Trainer Volker Finke, später auch Robin Dutt als Nachfolger. Mir gefällt es, wenn jemand der Underdog ist, und der einfach mit sehr cleverer und in dem Fall auch noch schöner Spielweise was erreicht. Ich habe natürlich oft mitgelitten, aber es gab auch viele großartige Momente. Etwa die Bayern zu schlagen oder Vierter in der Bundesliga zu werden. Ich meine, welcher Verein schafft etwas mit so einem geringen Budget? Das schafft mein Verein (schmunzelt)! Einer, der einfach aus Nichts alles rausholt. Das ist cool.

Eben erst hatte Christian Streich sein fünfjähriges Trainerjubiläum beim SC. Er scheint den Klub förmlich zu leben, äußert sich aber auch immer wieder klar zu gesellschaftspolitischen Themen. Wie findest Du ihn als Typ?
Christian Streich ist bislang mein Lieblingstrainer. Ich schätze an ihm total, dass er sich nicht nur zu Fußball äußert. Da kann man natürlich sagen, das muss er nicht, aber wenn jemand wie er einen klaren Verstand hat, warum soll er es nicht tun? Ich mag, dass er impulsiv ist, dass er auch mal übers Ziel hinausschießt, das macht ihn menschlich. Er ist jemand, mit dem ich auf jeden Fall gerne mal ein Bier trinken gehen oder an der Dreisam entlang spazieren würde. Und zwar genau deswegen, weil man nicht nur über Fußball mit ihm sprechen kann, sondern weil er ein sehr philosophischer Mensch ist. Was ich immer lustig finde, wenn er in seinem starken Dialekt Weisheiten raushaut, die man einem Menschen aus der Fußballszene gar nicht zutrauen würde. Er ist ein toller Typ.

Wer sind Dein ewiger und Dein aktueller Held beim SC?
Ich habe keine Helden. Wenn ich überhaupt eine Heldin hatte, dann war das in meiner Kindheit und Jugend Martina Navratilova, denn ich bin ein großer Tennisfan gewesen. Aktuell finde ich neben Christian Streich Nils Petersen wichtig und beeindruckend. Ich fand es toll, dass er sich bei unserem letzten Abstieg gegen die 1. Liga entschieden hat. Andere sind gegangen und spielen nun eine Saison später in der 2. Liga, während er mit uns wieder in der 1. Liga spielt. Das konnte vorher natürlich keiner wissen, aber es hat mich ganz besonders gefreut, dass diese Treue belohnt wird.

Freiburg wird nach wie vor mit einem feinen Fußball in Verbindung gebracht. Kannst Du auch anderen spielstarken Teams etwas abgewinnen, vielleicht sogar dem in der Fanszene äußerst kontrovers diskutierten RB Leipzig?
Prinzipiell kann ich anderen spielstarken Teams etwas abgewinnen, denn ich schaue mir gerne ein Spiel an, in dem schön gekickt wird. Ich finde es aber auch immer herrlich, wenn der FC Bayern nicht vorne ist, das muss ich wirklich sagen. Wenn RB Leipzig jetzt da mal etwas Spannung reinbringt, ist das das Beste, was der Liga passieren kann. Insgesamt bin ich aber kein Fan von Teams die durch sehr, sehr viel Geld und ohne eine gewisse Spielhistorie nach oben kommen. Das muss man den Bayern – die ich nun wirklich gar nicht mag – lassen, sie haben es sich über viele Jahrzehnte aufgebaut, was sie heute darstellen.

Verfolgst Du auch die Welt- und Europameisterschaften und für wen schlägt Dein Herz dann?
Ich verfolge sie, ja, und dann schlägt mein Herz ganz klar für das DFB-Team.

Das isländische Team begeisterte in diesem Jahr europaweit. Island hat auch eine äußerst lebendige Musikszene. Júníus Meyvant ist für mich eine der musikalischen Entdeckungen 2016. Du kennst sicher einige isländische Musiker. Was macht die dortige Musikszene so besonders?
Die Musikszene ist dort sehr lebendig. Für mich ist Björk immer wegweisend gewesen und von den großen Bands noch Sigur Rós. Als ich selber dort war, habe ich gemerkt, dass viele kleinere Bands aktiv sind, die wir in Deutschland gar nicht mitbekommen. Und es ist tatsächlich so, die Landschaft in Island ist (betont) so anders und so speziell, dass es nicht verwundert, dass diese Musik so klingt, als ob sie nicht von dieser Welt wäre. Das macht diese Musikszene aus. Wenn ich mit Musikern von dort spreche, habe ich das Gefühl, dass die meisten schon miteinander befreundet sind und nicht so in Konkurrenz stehen. Einer meiner Lieblingsmusiker, der Amerikaner John Grant,  lebt seit einigen Jahren in Island und er sagt auch, es ist ein ganz wunderbarer Ort.

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Radiomoderatorin, DJ und … SC Freiburg-Fan: Christiane Falk (Quelle: Christiane Falk)

Du hast es angedeutet, Du hast schon unzählige Musiker und Bands vor dem Mikrofon gehabt. Wie steht es um die Fußballbegeisterung der Künstler? Wer tut sich hier besonders hervor?
Oh Gott, da kannst du Hunderte nennen. Auf jeden Fall spreche ich immer mit den Hamburgern über Fußball. Natürlich mit Bands wie Kettcar oder Fettes Brot oder Bela B. von Die Ärzte oder Thees Uhlmann. Klar war es früher jedes Mal ein Thema, wenn ich mit Campino gesprochen habe, sein Herz schlägt ja für den FC Liverpool. Viele amerikanische Bands und Musiker kennen sich hingegen nicht so mit Fußball aus. Es ist kein Leitthema in meinen Gesprächen. Ganz früher habe ich viel mit Sportfreunde Stiller darüber gesprochen, von denen ja einer Fan von Bayern und zwei von 1860 sind.

Wie wird in der Musikszene eigentlich über die Vorfälle im Bataclan gesprochen? Zunächst gab es im Umfeld des Länderspiels Frankreich gegen Deutschland Selbstmordattentäter und kurz darauf den Anschlag auf den Musikklub.
Ich glaube alle von uns haben schon kurz darauf gesagt , es ist ganz furchtbar was da passiert, aber man muss einfach weitermachen. Man darf sich nicht Angst einjagen lassen. Man geht in ein Stadion, man geht in den Musikklub und es sollte das Schöne überwiegen. Und ich bin ohnehin der Meinung, wenn es einen treffen soll, dann trifft es einen, egal wo.

Du bist viel unterwegs. Versuchst Du immer mal in Dir nicht bekannte Stadien zu gehen?
Nein. Das reizt mich nicht. Ich bin in Barcelona am Stadion vorbeigefahren, aber wenn ich dann schon höre, wie viel der Eintritt kostet, nur um eine Tour zu machen, dann habe ich keinen Bock dazu. Mich interessiert das Spiel, und wenn es geht, dann natürlich das Spiel des SC Freiburg.

Was fasziniert dich an einem Stadionbesuch?
Wie bei jedem Sportereignis sind das die Emotionen. Ich bin jetzt niemand, der ruhig auf seinem Platz sitzen bleibt. Ich kann mich (betont) fürchterlich aufregen, wenn irgendwas nicht läuft. Das kann ich auch schon vor dem Fernseher. Und es berührt mich, wenn man unter vielen Zuschauern ist, und im besten Fall das eigene Team gewinnt. Das sind dann totale Freudenmomente. Ich erinnere mich aber gut an ein Pokalspiel Ende der 1990er gegen den VfB Stuttgart. Da hat der SCF im Viertelfinale im Elfmeterschießen verloren. Es war ein sehr kalter Abend, und ich war so frustriert, dass ich noch im Stadion geheult habe, weil ich es so scheiße fand, dass sie auch noch gegen den VfB verloren haben. Ja, Emotionen, das finde ich im Stadion am tollsten.

Fußballsongs sind immer gefährlich nah an der Peinlichkeit. Ich persönlich finde „Fußball ist immer noch wichtig“ von Fettes Brot, Bela B., Marcus Wiebusch und Carsten Friedrichs einen grandiosen Song. Wie stehst Du zu dem Genre?
Ja, Du sagst es, das ist der beste Fußballsong, den ich kenne. Ich muss es aber mal so sagen, Fußballsongs sind nicht wichtig genug, als dass ich mich damit beschäftige. Ich finde gute Songs gut – ob die jetzt von Fußball handeln oder nicht, ist mir egal. Im Stadion sollte lieber gute Musik laufen, und wenn die nicht von Fußball handelt, ist es auch okay.

Gerade in den Stadien gibt es aber immer wieder denselben Einheitsbrei zu hören. Welche Songs würden dort für dich besonders gut funktionieren?
Oh, darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht, welche Songs ich für stadionkompatibel halte. Sehr, sehr geil finde ich die Einlaufmusik von Wolfmother „Joker and the thief“ (Youtube-Link). Ein absolut guter Rocksong. Zeitlos. Da komme ich gut in Stimmung, wenn ich das in Freiburg höre. Ich weiß nicht, (überlegt), ich finde schon, so ein Song sollte im Stadion gute Laune und positive Energie vermitteln. „Hard to beat“ von Hard-Fi (Youtube-Link) fände ich noch ein ganz passendes Lied oder „Restless“ von Kakkmaddafakka (Youtube-Link). Was würde denn vielleicht aus 2016 noch gut passen? (überlegt) Hat jetzt auch inhaltlich nichts mit Fußball zu tun, aber „Außerhalb der Zeit“ von Bosse (Youtube-Link). Das könnte ich mir als schöne Hymne im Stadion vorstellen. Dann vielleicht noch Warpaint mit „New Song“ (Youtube-Link). Ein super positives und geiles Lied, das gibt Gas und man bekommt gute Laune.

Beim SC läuft nach den Toren „Bohemian like you“ von The Dandy Warhols (Youtube-Link). Damit kannst Du bestens leben, oder?
Ja, das finde ich natürlich völlig okay. Das ist ein super Lied, wenn der SC ein Tor schießt.

Und das kam in dieser Spielzeit ja auch schon ein paar Mal vor. Christiane, herzlichen Dank, dass Du Dir Zeit für mein Interview genommen hast!
Gerne.

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