Reise nach Jerusalem: Play-off zur U21-EM

Heute und morgen beginnen die Play-offs um die Teilnahme an der nächstjährigen U21-Europameisterschaft in Israel. Quer über den Kontinent verteilt stehen sieben Hinspiele auf dem Programm. Zu den Rückspielen kommt es Anfang nächster Woche. Die Trainer der 14 noch verbliebenen Teams dürften sich sprichwörtlich fühlen wie bei der „Reise nach Jerusalem“. Selbst nach durchstandener Gruppenphase muss jeder noch zwei Runden in den Play-offs drehen, bevor er sich eines EM-Platzes sicher sein darf. Der deutsche Nachwuchs muss sich dabei mit den starken Eidgenossen messen.

Neun Siege aus zehn Spielen eingefahren, 28 von 30 möglichen Punkten erspielt, ein Torverhältnis von plus 30 herausgeschossen – der deutsche Nachwuchs stürmte souverän durch die Gruppenphase. Und dennoch könnte er am kommenden Dienstag mit leeren Händen dastehen. Dann, wenn es die DFB-Jungs nicht schaffen den schweizerischen Nachwuchs in Leverkusen und vier Tage später in Luzern in Schach zu halten. Dass die Duelle kein Selbstläufer werden, zeigt ein Blick aufs Papier. Mit Deutschland und der Schweiz treffen die Nummer fünf und sechs der UEFA-Setzliste aufeinander. Diese Liste setzt sich aus den Ergebnissen der letzten beiden EM-Qualifikationen und -Endrunden (2009, 2011) zusammen sowie der gerade absolvierten Gruppenphase. Dass beide Teams trotz ihrer guten Koeffizienten im Play-off aufeinandertreffen liegt daran, dass die Schweiz als Zweiter in ihrer Qualigruppe nicht gesetzt war. Als Zweiter wohlgemerkt hinter den Spaniern, die derzeit im Fußball als das Maß aller Dinge gelten. Gesetzt waren bei der Play-off-Auslosung „nur“ die sieben der zehn Gruppensieger, die die besten Koeffizienten aufwiesen. Diese wurden den drei Gruppensiegern mit den schlechtesten Koeffizienten und den vier punktbesten Gruppenzweiten zugelost. Dass das deutsche Team, trotz bester Gruppenphasenbilanz, nicht einmal den Vorteil eines Heimspiels im Rückspiel besitzt, hinterlässt beim DFB sicher einen faden Beigeschmack.

Acht Endrundenteilnehmer nicht mehr zeitgemäß
Desweiteren mutet es merkwürdig an, dass die UEFA nur acht Teams zur kontinentalen Endrunde zulässt. Schließlich wurde der Wettbewerb 2007 dadurch aufgewertet, dass er von den geraden Jahren auf die ungeraden gelegt wurde. Dies bedeutet die Endrunde findet nicht länger vor den WM- und EM-Endrunden der A-Nationalteams statt, als ihm so gut wie keine Aufmerksamkeit zuteil wurde. Die Attraktivität wird aber europaweit nicht gerade befördert, wenn nur eine kleine Elite der interessantesten, weil ältesten, Juniorennationalteams teilnimmt. Noch unverständlicher wird die Begrenzung auf acht Teams, wenn bei der EM-Endrunde der A-Nationalteams ab 2016 sage und schreibe 24 Mannschaften dem runden Leder nachjagen. Die Reise nach Jerusalem hätte also folglich – zumindest für die Gruppensieger – deutlich entspannter und mit weniger Rangelei um die wenigen Plätze verlaufen können. Vom deutschen Team wird somit höchste Aufmerksamkeit gefordert sein, wenn es darum geht einer grandiosen Gruppenphase ein erfolgreiches Play-off folgen zu lassen. Doch wer steht morgen und am Dienstag eigentlich auf der anderen Seite des Spielfelds.

Schweizer Jugenstil
Die Schweiz hat sich seit geraumer Zeit einen ausgezeichneten Ruf im Nachwuchsfußball verschafft. Der spätere Nationaltrainer Köbi Kuhn hatte bereits in den 1990ern damit begonnen den Nachwuchsbereich des eidgenössischen Verbandes besser auszurichten. Scouting und Training wurden professionalisiert, so dass sich bald erste positive Ergebnisse einstellten, allen voran mit dem Europameistertitel der U17-Junioren im Jahre 2002. Ein belebendes Element der Nachwuchsteams sollten die sogenannten Secondos werden. Dabei handelt es sich um in der Schweiz geborene Kinder von Einwanderern. Auch heute spielen sie noch eine größere Rolle in den U-Teams des schweizerischen Verbandes. So stehen im aktuellen Kader der U21 acht Spieler, deren Eltern überwiegend vom Balkan in die Schweiz kamen.

Jüngste Erfolge in U17- und U21-Jahrgängen
In den letzten Jahren ließen die Juniorenteams erneut aufhorchen. Die U17-Junioren holten 2009 sensationell den WM-Titel und sorgten für starke Einschaltquoten im eidgenössischen TV. Auf dem Weg ins Finale schaltete die SFV-Auswahl im Achtelfinale die DFB-Junioren mit einem 4:3-Sieg nach Verlängerung aus. Der 1992er Jahrgang gilt somit als ein Versprechen für eine erfolgreiche Zukunft im Erwachsenenbereich. Der U21-Jahrgang von 2011 (1988 und jünger) befeuerte nochmals die großen Hoffnungen der Fußballfans im Alpenland. Die jungen Schweizer mussten sich im Finale erst den Spaniern geschlagen geben. Auf dem Weg in die diesjährigen Play-offs kreuzten sich die Wege der beiden Finalteilnehmer erneut. Die Schweizer kassierten beim 0:3 in Spanien die einzige Niederlage in der gesamten Qualifikation. Zuhause trennten sich beide 0:0.

Drei Stars fehlen den Eidgenossen
In den Play-off-Duellen gegen Deutschland bieten die Schweizer drei Spieler der erfolgreichen U17-Weltmeistermannschaft auf, die noch in zwei Jahren für die U21 auflaufen können. Mit Nassim Ben Khalifa tritt einer der Weltmeister in den nächsten Tagen jedoch nicht für die U21, sondern für die A-Elf an. Auch Granit Xhaka (mittlerweile Mönchengladbach) und Xherdan Shaqiri (München) könnten noch für die U21 spielen, haben sich aber bereits zu belebenden Elementen des A-Teams gemausert.

Korsettstangen des Teams spielen im Ausland oder bei den Grasshoppers
Die Korsettstangen der U21 spielen überwiegend beim aktuellen Tabellenführer der Raiffeisen Super League, den Grasshoppers aus Zürich, oder sie verdienen ihr Geld schon im Ausland. Namentlich sind dies Goali Roman Bürki (Grasshoppers), die Abwehrspieler Fabio Daprela (Brescia), Alain Wiss (Luzern) und Francois Affolter (Werder Bremen) sowie Pajtim Kasami (Fulham), Haris Seferovic (Fiorentina), Nzuzi Toko und Steven Zuber (beide Grasshoppers), die im Mittelfeld und Sturm aufgeboten werden. Zuber und Seferovic waren mit fünf bzw. drei erzielten Toren die torgefährlichsten Akteure der Qualifikation. Auch wenn Ben Khalifa nur einen Treffer beisteuerte, so könnte sein Fehlen in den Play-offs eine kleine Hypothek bedeuten. Er hatte sich bei den Grasshoppers zuletzt in sehr guter Form präsentiert und in zwölf Spielen bereits neun Scorerpunkte gesammelt. Der Stürmer scheint seine wenig erfolgreichen Gastspiele in Wolfsburg und Nürnberg gut verwunden zu haben.

Auch deutsches Team mit Personalsorgen
Auch die DFB-Junioren müssen auf wertvolle Spieler verzichten. Sebastian Rode (Frankfurt), Julian Draxler (Schalke), Patrick Herrmann (Mönchengladbach), Daniel Didavi (Stuttgart) und Pierre-Michel Lasogga (Berlin) fehlen krankheits- oder verletzungsbedingt. Boris Vukcevic (Hoffenheim) kämpft nach seinem Autounfall derzeit in der Klinik um seine Genesung. Ilkay Gündogan wäre auch ohne seine Verletzung wohl wieder zur A-Elf gestoßen, zu der die auch noch für die U21 spielberechtigten Marc-André Ter-Stegen (Mönchengladbach), André Schürrle (Leverkusen), Mario Götze (Dortmund) und Toni Kroos (München) schon längst gehören.

Torgefährliche Offensive, anfällige Defensive
Dennoch kann U21-Coach Rainer Adrion auf eine mehr als vorzeigbare Truppe zurückgreifen. Das Paradestück sind die Torleute. Egal ob Bernd Leno (Leverkusen), Kevin Trapp (Frankfurt) oder Oliver Baumann (Freiburg). Jeder bürgt für absolute Qualität. Etwas dünner sieht es schon in der Defensive aus, wo mit Tony Jantschke (Mönchengladbach), Sebastian Jung (Frankfurt) und Jan Kirchhoff (Mainz) nur drei Bundesliga-Stammkräfte zur Verfügung stehen. Gerade das vogelwilde 5:4 in Griechenland und das nicht minder spektakuläre 4:4 in Bosnien-Herzegowina zeigten, dass die Abwehr nicht immer sattelfest ist. Wie die beiden Ergebnisse zeigen, konnte die U21 die Schwächen in der Defensive durch ihre gute Offensivabteilung kompensieren. Im Mittelfeld zieht der torgefährliche Kapitän Lewis Holtby (Schalke) die Fäden. Dabei wird er von Sebastian Rudy (Hoffenheim) abgesichert. Vorne sorgen Peniel Mlapa (Mönchengladbach) im Zentrum, Kevin Volland (Hoffenheim) dahinter und Maximilian Beister (Hamburg) sowie Alexander Esswein (Nürnberg) auf den Flügeln für Wirbel. Besonders Volland wird in den Play-offs auf Revanche aus sein. Er gehörte 2009 zu den U17-Junioren, die im WM-Achtelfinale an den Schweizern scheiterten.