Das Nationalteam Bosnien-Herzegowinas bestreitet heute Abend gegen Argentinien sein WM-Debüt. Mit den Kickern aus dem jungen Balkanstaat stellt sich das 77. Land bei einer WM-Endrunde vor und zugleich das 32. europäische. Seit die FIFA 1998 das Teilnehmerfeld auf 32 Starter ausgeweitet hat, erlebte bei jeder Endrunde ein junger europäischer Staat seine WM-Premiere. Gemessen an deren Abschneiden, dürfen die Bosnier zuversichtlich ins Turnier gehen.
1998: Kroatien (Halbfinale, 5 Siege – 0 Unentschieden – 2 Niederlagen)
Bei ihrer ersten WM-Teilnahme sollte sich die kroatische Mannschaft aufmachen, das Turnier im Sturm zu nehmen. Die Generation der Sukers, Jarnis, Bobans, Stimacs, Bilics und Soldos war in bester jugoslawischer Fußball-Tradition ausgebildet worden und stand europaweit bei namhaften Vereinen unter Vertrag. Zwei Jahre zuvor waren sie in einem kampfbetonten EM-Viertelfinale der DFB-Elf knapp unterlegen. Die Mannschaft verfügte also bereits über Turniererfahrung. Der Turnierauftakt gegen zwei andere WM-Debütanten gestaltete sich unspektakulär aber erfolgreich: Jamaika wurde mit 3:1, Japan mit 1:0 besiegt. Das Spiel um den Gruppensieg ging gegen Argentinien knapp mit 1:0 verloren. In der K.o.-Runde hatten zunächst die Rumänen mit 1:0 das Nachsehen, bevor das personell dezimierte und spielerisch limitierte Deutschland mit 3:0 nach Hause geschickt wurde. Selbst Gastgeber Frankreich stand gegen die Kroaten im Halbfinale am Rande einer Niederlage, behielt jedoch mit 2:1 die Oberhand. Das Turnier endete für die Elf um WM-Torschützenkönig Davor Suker positiv, indem sie die starken Niederländer im Spiel um Platz 3 besiegten. Seit den Portugiesen mit ihrem dritten Platz bei der WM 1966 hatte die Fußballwelt keinen so starken WM-Debütanten mehr gesehen.
2002: Slowenien (Gruppenphase, 0 – 0 – 3)
2002 kreuzte Kroatiens nördlicher Nachbar Slowenien erstmals bei einer WM auf. Ähnlich wie die Kroaten reisten sie bereits mit der Empfehlung einer EM-Teilnahme an. Zwei Jahre zuvor hatten sie sich durchaus achtbar aus der Affäre gezogen, schieden beim Turnier in den Niederlanden und Belgien allerdings mit zwei Punkten in der Vorrunde aus. Stürmer Zlatko Zahovic war der einzige Spieler, der gehobene internationale Klasse verkörperte. Die 2 Millionen Einwohner Sloweniens durften sich also bei der WM-Premiere nicht die allergrößten Chancen ausrechnen. Dass dann jedoch alle Gruppenspiele gegen Spanien (1:3), Südafrika (0:1) und Paraguay (1:3) verloren gingen, war ernüchternd.
2006: Ukraine (Viertelfinale, 2 – 1 – 2)
Die Ukraine hatte sich auf beeindruckende Weise für die WM in Deutschland qualifiziert. Nach mehreren glücklosen Qualifikationen dominierten sie ihre Gruppe mit dem damaligen WM-Dritten Türkei und dem seinerzeit amtierenden Europameister Griechenland. Doch der Auftakt bei der Endrunde verlief wenig verheißungsvoll. Mit 4:0 kam der Neuling gegen die Spanier unter die Räder. Für die Schmach musste wenige Tage später Saudi-Arabien büßen, das von den Ukrainern mit 4:0 überrollt wurde. Ein abschließendes 1:0 gegen Tunesien sicherte den Achtelfinaleinzug des Teams um Topstar Andriy Shevchenko und dem späteren Bayern-Profi Anatoliy Tymoshchuk. In der Runde der letzten 16 kam es zu einem sterbenslangweiligen Duell gegen die Schweiz, das in einem Elfmeterschießen mündete. In ihm gelang es dann keinem eidgenössischen Spieler, den Ball ins Tor zu bugsieren. Unvermittelt fanden sich die Osteuropäer unter den letzten acht Teams des Turniers wieder, nur um dort den bis dato noch wenig überzeugenden Italienern deutlich mit 3:0 zu unterliegen.
2010: Slowakei (Achtelfinale, 1 – 1 – 2)
Vor vier Jahren stellten sich die Slowaken erstmals bei einer Weltmeisterschaft vor. Zuvor hatten sie sich in einer Schneeschlacht im letzten Gruppenspiel in Polen den Gruppensieg gesichert. Neben den Polen hatten sie ihre Brüder aus Tschechien hinter sich gelassen. Bei der WM durften sie sich in einer Gruppe mit Italien, Paraguay und Neuseeland zarte Hoffnungen auf einen Achtelfinaleinzug machen. Die WM-Kampagne der Slowaken begann dann jedoch denkbar schlecht. Gegen den Underdog aus Neuseeland reichte es lediglich zu einer Punkteteilung. Dem als Konkurrenten um Platz zwei eingeschätzten Paraguay unterlag man gar mit 0:2. Doch dann ereignete sich Unfassbares. Italien, das bereits beim 1:1 gegen Neuseeland gestrauchelt war, fiel gegen die Slowaken. In einer turbulenten Schlussphase brachten die Slowaken den nicht für möglich gehaltenen 3:2-Sieg über die Zeit. Im Achtelfinale waren die Niederlande dann eine Nummer zu groß. Robert Vittek blieb es vorbehalten mit dem Schlusspfiff den Endstand zum 1:2 zu markieren.
2014: Bosnien-Herzegowina (?, ? – ? – ?)
Drei der vier jüngsten europäischen WM-Debütanten haben die K.o.-Phase erreicht. Die Ukraine enterte das Viertelfinale, Kroatien gar das Halbfinale. Die Bosnier schnupperten in der Vergangenheit mehrfach an der Teilnahme zu Welt- und Europameisterschaften. Nun haben sie es endlich geschafft. Sechs Bundesliga-Stammspieler, zwei England-Legionäre mit Torwart Asmir Begovic sowie Torjäger Edin Dzeko und zwei Spieler aus der italienischen Serie A legen nahe, dass der WM-Neuling über eine starke erste Elf verfügt. Dahinter wird die Luft schon etwas dünner. Dennoch ist den Bosniern allemal zuzutrauen, Nigeria und den Iran hinter sich zu lassen. Mit der Schweiz, Frankreich oder Ecuador würde im Achtelfinale ebenfalls kein unüberwindbarer Gegner warten. Am ehesten lässt sich die Ausgangslage mit dem ukrainischen WM-Debüt 2006 vergleichen. Sollten den Spielern die Nerven keinen Streich spielen, dann könnte es was werden, mit einer erfolgreichen WM-Premiere Bosniens.
2006 wurden die Tschechen vergessen 😉
Danke für den Hinweis. Scheiterten damals in der Vorrunde an Ghana und den USA. Gelten als Nachfolgeverband der Tschechoslowakei und habe ich deshalb nicht berücksichtigt.
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