Die Enkel Rudi Gutendorfs – Deutsche Nationaltrainer im Ausland

Rudi Gutendorf gilt als Urgestein des deutschen Trainerwesens und als derjenige mit dem größten Miles&More-Konto. Mehr als 50 internationale Stationen pflastern seine persönliche Trainervita. Auch heute ist Fußball-Know-how „Made in Germany“ nach wie vor gefragt. Laut transfermarkt.de gibt es momentan 32 Trainer aus Deutschland die weltweit im Einsatz sind, zehn trainieren gar Nationalmannschaften. Von Ottmar Hitzfeld in der Schweiz bis Michael Weiß auf den Philippinen.

Die zehn deutschen Trainer hat es in alle Himmelsrichtungen verstreut. Einzig der südamerikanische Kontinent kommt aktuell ohne Nationaltrainer mit deutschem Pass aus. Australien, Thailand, die Philippinen, der Libanon, Aserbaidschan, die Schweiz, Gabun, Mosambik, Trinidad & Tobago und schließlich die USA vertrauen auf deutsche Übungsleiter. Diese Länder stellen zwar nicht gerade die Avantgarde des internationalen Fußballs dar, die großen Nationen vertrauen aber eben nach wie vor auf einheimisches Personal. Und auch England ist derzeit verzweifelt bemüht nach dem Schweden Sven-Göran Eriksson und dem Italiener Fabio Capello wieder ein „Eigengewächs“ an die Seitenlinie zu lotsen. Zudem zeigt der internationale Vergleich, dass Deutsche als Nationaltrainer sehr wohl gefragt sind. Einzig Frankreich läuft Deutschland mit zwölf Nationaltrainern in dieser Statistik den Rang ab. Der Werdegang der zehn deutschen Coaches ist sehr unterschiedlich, während einige im deutschen Profifußball ihre Fußspuren hinterlassen haben, sind die meisten selbst hartgesottenen Fußballfans kaum ein Begriff. Eine Kurzvorstellung:

Die Staaten in denen derzeit deutsche Trainer die Fußball-Nationalteams betreuen. (Stand: April 2012)

Ottmar Hitzfeld – Schweiz
Zurück zu den Wurzeln: Einer der erfolgreichsten Vereinstrainer Deutschlands heuerte 2006 in der Schweiz an. Hier begann er 1983 seine Trainerkarriere und nach außerordentlichen titelträchtigen Jahren in Dortmund und München kehrte er 2008 in das Land seiner ersten Trainererfolge zurück. Von Erfolg ist seine bisherige Karriere als Coach der Schweizer „Nati“ allerdings nicht gekrönt. 2010 ließ er zwar bei der WM mit einem 1:0-Auftaktsieg gegen Spanien aufhorchen, holte anschließend gegen Honduras und Chile jedoch lediglich einen weiteren Punkt und trat mit seinem Team die verfrühte Heimreise an. Für die Euro 2012 haben sich die Eidgenossen erst gar nicht qualifiziert. Der schweizerische Verband hält Hitzfeld dennoch die Treue. Die Schweiz, die schon lange für ihre gute Jugendarbeit gelobt wird, wartet also auch unter Hitzfeld immer noch darauf, dass über ihre „Nati“ mit Hochachtung gesprochen wird.

Holger Osieck – Australien
Der Beckenbauer-Assistent: 1990 fungierte Osieck als Co-Trainer beim letzten deutschen WM-Triumpf. Er war also quasi eine frühe Blaupause von Jogi Löw, da beide erfolgreichen ehemaligen Nationalspielern bei ihrer ersten Trainerstation unter die Arme griffen. Osieck versuchte sich anschließend kurz in der Bundesliga beim VfL Bochum und blieb auch danach nirgendwo langfristig auf der Kommandobrücke, sei es bei Vereinen in der Türkei oder in Japan. Von 1998 bis 2003 trainerte er mit Kanada erstmals eigenverantwortlich eine Landesauswahl und gewann 2000 völlig überraschend den Gold Cup, die kontinentale Meisterschaft. Nach seinem zweiten Engagement bei den Urawa Red Diamonds in Japan heuerte er schließlich nach der WM 2010 beim australischen Verband an. 2011 führte er die „Socceroos“ ins Endspiel der Asienmeisterschaft, das gegen Japan verloren ging. In der aktuellen WM-Qualifikation läuft alles nach Plan und die Aussies nehmen Kurs auf die Endrundenteilnahme in Braslien. Es wäre die dritte in Folge für die mittlerweile ernstzunehmende Auswahl aus Down Under.

Gernot Rohr – Gabun
Der Mannemer Franzoos: Gernot Rohr hat den Großteil seiner Profi- und der anschließenden Trainerkarriere in Frankreich verbracht. Folgerichtig erwarb der gebürtige Mannheimer in den 1980er Jahren die französische Staatsbürgerschaft. Im Februar 2010 ergriff er erstmals den Trainerposten einer Nationalauswahl. Trainer aus Frankreich sind in den ehemaligen französischen Kolonien nach wie vor sehr gefragt und so wagte auch Rohr diesen Schritt. Seine Aufgabe bestand darin das Team Gabuns auf den African Cup of Nations vorzubereiten, der in diesem Jahr in dem Land an der westafrikanischen Küste stattfand. Dort schaffte es die bislang international nicht weiter in Erscheinung getretene Equipe bis ins Viertelfinale, wo gegen Mali das Aus kam.

Otto Pfister – Trinidad & Tobago
Der Weltenbummler: Bis 2006 war Otto Pfister wohl nur Insidern des afrikanischen Fußballs ein Begriff. Der im November 75 Jahre alt werdende gebürtige Kölner trainierte in den 1970er, 80er und 90er Jahren zahlreiche afrikanische Nationalteams. Mit der Juniorenauswahl der Elfenbeinküste holte er 1983 die Afrikameisterschaft, mit der U19 Ghanas 1991 sogar den WM-Titel. In den 1990ern wagte er den Sprung nach Asien und agierte als Nationaltrainer in Bangladesch und Saudi-Arabien, bevor er als Vereinstrainer wieder nach Afrika zurückkehrte. Im Februar 2006 beauftragte ihn schließlich der togoische Verband, das erstmals für eine WM qualifizierte Land bei der Endrunde in Deutschland zu trainieren. Dort blieb eine gezielte Vorbereitung auf das Turnier allerdings Wunschdenken. Spieler und Verband kamen in der Prämienfrage auf keinen grünen Zweig. Pfister warf daraufhin noch vor der ersten Partie entnervt das Handtuch, nur um drei Tage später den Rücktritt vom Rücktritt zu erklären. Mittlerweile hat er bei einer weiteren „WM-Eintagesfliege“ angeheuert; bei Trinidad & Tobago. Die Karibikkicker hat er jedoch nicht auf Kurs halten können, sie sind in der WM-Qualifikation bereits ausgeschieden.

Gert Engels – Mosambik
Ein „Japaner“ in Mosambik: Der ehemalige deutsche Profifußballer startete 1990 seine Trainerkarriere in Japan und er sollte bis 2008 im Land der aufgehenden Sonne bleiben. Er assistierte u.a. Guido Buchwald und Holger Osieck bei den Urawa Red Diamonds, bevor er selbst zum Cheftrainer aufstieg. Nach einem Dreivierteljahr musste er den Stuhl allerdings schon wieder räumen. Schuld daran war das Aus in der asiatischen Champions League. Sein Nachfolger beim „deutschesten“ Verein Japans war Volker Finke. Im Oktober 2011 übernahm Engels erstmals den Trainerposten einer Nationalelf. Doch nicht in Japan oder einem anderen asiatischen Land, sondern im südostafrikanischen Mosambik. Gleich zum Auftakt verhalf er der amtierenden Nummer 104 der FIFA-Weltrangliste zu zwei WM-Qualifikationssiegen gegen die Komoren. Das Team Mosambiks trifft nun in der Gruppenphase der Qualifikation mitunter auf das favorisierte Ägypten.

Jürgen Klinsmann – USA
Der Vater des Sommermärchens: Der ebenso weltgewandte wie streitbare Schwabe hauchte mit seiner emotionalen Art der deutschen Nationalelf wieder Leben ein und führte sie 2006 sensationell zu Platz 3 bei der Heim-WM. Mehr noch als durch seine Trainerqualitäten wird er in Deutschland jedoch als Reformer der verkrusteten Strukturen beim DFB in Erinnerung bleiben. Sein Ausflug in das Tagesgeschäft eines Vereinstrainers bei Bayern München endete noch vor Ablauf der Premierensaison und gipfelte vier Tage nach der 1:5-Niederlage beim späteren Meister VfL Wolfsburg in einer denkwürdigen 0:4-Pleite beim FC Barcelona. Klinsmann versteht sich als außerordentlicher Teamplayer, der sich ausgewiesene Fachleute an seine Seite holt. Mit Andi Herzog lotste er zuletzt den österreichischen U21-Nationaltrainer als seinen Co-Trainer über den Großen Teich. Grundsätzlich scheinen seine Stärken eher in einer Art Projektarbeit zu liegen, die in einem auf einen Turnierhöhepunkt ausgerichteten Nationalteam eher möglich ist, als in einem Vereinsteam, das sich allwöchentlich beweisen muss.

Berti Vogts – Aserbaidschan
Der weitgereiste Terrier: Wer hätte im Sommer 2008 gedacht, dass Berti Vogts nach vier Jahren immer noch Nationaltrainer von Aserbaidschan sein wird? Er, das einstige Ziehkind des DFB, hat mittlerweile eine schillernde Trainerkarriere hingelegt. Zunächst ein engagierter Trainer der deutschen Juniorenauswahlen, erklomm er erst den Co-Trainer- und schließlich den Cheftrainerposten beim DFB. Obwohl er 1996 den EM-Titel holte, erfuhr er in Deutschland nie eine wirkliche Wertschätzung und begann nach einem halbjährigen Ausflug in den Vereinsfußball (Bayer Leverkusen) seine Wanderschaft durch die Kontinente: Kuwait, Schottland und Nigeria verhalf er zu mehr und oftmals weniger zählbaren Erfolgen, bevor er 2008 in der Kaukasusrepublik Aserbaidschan anheuerte. Dort vertraut er mit Uli Stein, Olaf Jansen und Bernhard Lippert auf ein deutsches Trainerteam. Der ehemalige Terrier errang aber auch mit deren Unterstützung lediglich einzelne Achtungserfolge.

Theo Bücker – Libanon
Der deutsche Orient-Kenner: Dortmund, Duisburg und Schalke lauteten zwischen 1969 und 1983 die deutschen Stationen seiner Profifußballerkarriere. Ein dreijähriges Intermezzo in Saudi-Arabien sollte noch vor seinem Schalker Engagement andeuten, wohin es ihn später als Trainer verschlagen sollte. Zwischen Libyen und den Golfstaaten hat er inzwischen in neun Ländern seine Spuren hinterlassen. Diverse nationale Meistertitel und das Erreichen des Finales der Afrikanischen Champions League im Jahr 2003 stehen bisher für ihn zu Buche. Doch nun könnte es noch besser kommen. Bücker führte die Nationalelf des Libanon sensationell und erstmals in die letzte Qualifikationsphase für eine WM. 2001 trainierte der mit einer Libanesin verheiratete Deutsche die Auswahl des Zedernstaates zum ersten Mal. Im August 2011 übernahm er die damalige Nummer 178 der FIFA-Weltrangliste erneut. Mit Siegen über die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait und Südkorea (!) schafften es die Libanesen in die entscheidende Qualiphase, die im Sommer 2012 beginnt. Die Kontrahenten heißen hier Katar, Usbekistan, der Iran und erneut Südkorea.

Winfried Schäfer – Thailand
Der Bundesliga „entwachsen“: Winni Schäfer ist ein Kind der Bundesliga. Mit Borussia Mönchengladbach feierte er als Spieler den Meistertitel, als Trainer führte er den Karlsruher SC in den 1990er Jahren in ungeahnte Höhen. Seither haben sich die Wege der Bundesliga und von Winfried Schäfer immer weiter auseinanderentwickelt. Ähnlich wie bei Falko Götz, der noch im letzten Jahr Vietnam coachte, ist es kaum mehr vorstellbar, dass Schäfer auf die Bundesliga-Bühne zurückkehrt. Trainer von seinem Schlag suchen mittlerweile ihre Chance auf der internationalen Bühne, wo es gilt Entwicklungen voranzutreiben und womöglich auch Erfolge zu garantieren. Schäfer trainerte erfolgreich Vereine in den Scheichtümern am Persischen Golf, er führte Kamerun zum Gewinn der Afrikameisterschaft, aber auch zur letzlich enttäuschenden WM 2002. Seit vergangenem Sommer coacht er nun Thailand. Trotz achtbarer Ergebnisse blieben die stolzen Thais mit Schäfer in der dritten von vier Phasen der WM-Quali hängen.

Michael Weiß – Philippinen
„Fußball ist überall Fußball“,  sagte Michael Weiß einmal gegenüber „Spiegel online“. Und diese Einstellung führte den ehemaligen Oberliga-Torwart schon nach Japan, China, Ruanda und im letztem Jahr auf die Philippinen. Seither ist er beim dortigen Fußball-Verband das „Mädchen für alles“: Sportdirektor, Pressesprecher und eben auch Nationalcoach. Aufgrund der großen philippinischen Gemeinden in Europa und Amerika sucht er gezielt im Ausland nach Spielern, die einen philippinischen Background haben. So gewann er mit Stephan Schröck von der SpVgg. Greuther Fürth einen durchaus namhaften und gestandenen Profi für die ostasiatische Landesauswahl. Mittlerweile zählen mehrere Deutsche aus zumeist unterklassigen Vereinen zum erweiterten Kader. Aus der ersten Runde der WM-Quali gingen die Philippinos siegreich hervor, in der zweiten Runde war Kuwait Endstation. Weiß‘ Vertrag läuft bis 2013, er selbst würde gerne langfristig den Verband nach vorne bringen.

Hier ein schöner Beitrag aus der ZDF-Mediathek über Michael Weiß:

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