Höchstwahrscheinlich hätte er heute in der Innenverteidigung gespielt. Höchstwahrscheinlich hätte er die meisten Gegenspieler beim Handshake innig begrüßt. Höchstwahrscheinlich hätte dies eines seiner letzten großen Spiele mit der Nationalelf sein können. Alleine … es sollte nicht sein. Im März 2011 entdeckten Ärzte einen Tumor in Eric Abidals Leber. Von der unmittelbar folgenden Operation erholte sich der Franzose erstaunlich schnell und holte nur zwei Monate später mit dem FC Barcelona die Champions League. In diesem März verschlechterte sich sein Gesundheitszustand erneut, so dass ihm Mitte April eine Spenderleber transplantiert wurde.
Damit war klar, dass Eric Abidal die EURO in Polen und der Ukraine verpassen würde. Sein letztes Spiel vor der Transplantation bestritt er in Bremen für die Équipe Tricolore gegen Deutschland. Es war sein 61. Einsatz im Nationalteam und er galt als absoluter Fixpunkt in der französischen Defensive. Der 32-jährige hätte entweder die angestammte linke Seite bespielt oder in der Innenverteidigung ausgeholfen. Da mit Philippe Mexes heute Abend ein Innenverteidiger gesperrt ist, wäre Abidal die erste Option für diese Position gewesen.
Beeindruckend erfolgreich
Abidal verfügt über eine Menge Erfahrung. Er gewann mit Olympique Lyon drei französische Meisterschaften, bevor er 2007 für rund 15 Millionen Euro zum FC Barcelona wechselte und dort als Stammkraft unglaubliche 14 Titel in fünf Jahren sammelte. Er ist somit einer der wenigen Barca-Spieler, die nicht aus dem eigenen Nachwuchssystem stammen, sich aber als feste Größe etabliert haben. Auch im französischen Nationalteam hat er sich nahezu unentbehrlich gemacht. Er bestritt 2006 bei der Vizeweltmeisterschaft seines Teams sechs der sieben Spiele über die volle Distanz und zählte auch bei den eher blamablen Turnieren 2008 (EM) und 2010 (WM) zur ersten Elf. Bis zu seiner erneuten Krankheit absolvierte er in dieser Saison schon wieder 41 Partien für Barcelona und Frankreich. Zumeist auf links, zunehmend aber auch in der Innenverteidigung.
OP – Comeback – OP
Mit einer neuerlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes rechnete die Öffentlichkeit nicht mehr. Der FC Barcelona gab jedoch im April auf seiner Homepage bekannt, dass eine Transplantation seit dem ersten Eingriff immer im Bereich des Möglichen lag. Nach der OP im vergangenen März war er noch erstaunlich schnell wieder im Barca-Team aufgetaucht. Dass er im Champions League-Finale gegen Manchester United über die vollen 90 Minuten spielte, erschien nahezu unglaublich. Bei der Siegerehrung durfte er dann als Erster den Pokal in Empfang nehmen, und das war mehr als nur eine freundliche Geste seiner Mannschaftskollegen. Glaubt man den zahlreichen Beiträgen im Internet über Eric Abidal, so genießt er im Kreise seiner Mitspieler hohes Ansehen, das sich auf seinen freundlichen und positiven Charakter gründet. Auch bei den Barca-Fans ist er äußerst beliebt und die Nachrichten von seinen beiden Operationen lösten bei Profis wie Fans in ganz Spanien Sympathie-Bekundungen aus. Ein Einsatz heute wäre für ihn also ganz gewiss eine ebenso freudige wie emotionale Angelegenheit gewesen. Vielleicht kann er das Spiel gegen Spanien wenigstens auf der Tribüne verfolgen. Spieler beider Teams äußerten sich bereits hoffnungsfroh, dass dies der Fall sein würde. Ob Abidal jemals wieder auf den Platz zurückkehrt bleibt offen. Immerhin äußerte sich der operierende Arzt zuversichtlich, dass dem nach den Reha-Maßnahmen der nächsten Monate nichts entgegenstehen würde.
Anbei ein liebevoll zusammengestelltes Video mit Abidal-Szenen des letzten Jahres. Die Musik sollte man besser überhören 😉
Das Turnier bisher: Frankreich
Aufgrund der gezeigten Leistungen vor dem Turnier galt Frankreich hinter Deutschland und Spanien als ernstzunehmender Titelanwärter. Das Remis im ersten Spiel gegen England geriet etwas holprig. Der Sieg in der zweiten Partie gegen die Ukraine sah schon wesentlich besser aus. In der dritten Begegnung ließ sich die Équipe dann jedoch von den bis dahin punktlosen Schweden den Schneid abkaufen und verlor völlig zurecht. Dem Vernehmen nach kam es anschließend in der französischen Kabine zu ernsthaften Verstimmungen, da sich beispielsweise Hatem Ben Arfa über seine Auswechslung mokierte und auch Spielgestalter Samir Nasri seinen Unmut äußerte. Schon zuvor gab es beleidigte Reaktionen von Spielern gegenüber französischen Journalisten und so ist es vor dem Viertelfinale vorbei mit der Ruhe im Team. Frankreich ist also wieder kurz davor, sich selbst aus dem Turnier zu nehmen.
Das Turnier bisher: Spanien
Die Spanier präsentieren sich dagegen in jeglicher Hinsicht harmonischer. Sportlich überzeugten sie zwar nur gegen hoffnungslos überforderte Iren. Der aktuelle Welt- und Europameister hat die Latte durch die Erfolge der vergangenen Jahre aber auch verdammt hoch gelegt. Grundsätzlich ist gegen die spanische Dominanz am Ball nach wie vor wenig Kraut gewachsen. Italiener und vor allem Kroaten verstanden es die absurd hohe Ballbesitzquote der Spanier fernab ihres Tores zu halten. Den bevorzugten spanischen Weg durch die Mitte zum Tor versperrten insbesondere die Kroaten sehr effizient. Zudem gelang es Italienern wie Kroaten empfindliche Gegenstöße zu starten, bei der die spanische Defensive nicht immer sattelfest wirkte. Der spanische Kader ist in seiner Tiefe immer noch sehr gut besetzt, einzig das Fehlen von Torjäger David Villa schmerzt. Dies trieb im Auftaktspiel gegen Italien sogar so seltsame Blüten, dass kein gelernter Stürmer aufgeboten wurde. Bleibt zu hoffen, dass dies keine Schule macht.