England vs. Italien: Der unscheinbare Rekordmann

Dieser Tage huschte die Meldung durch die Medien, England habe seit dem Spiel gegen die Ukraine einen neuen Rekordspieler. Demnach habe niemand mehr Partien bei Welt- und Europameisterschaften für die „Three Lions“ absolviert als eben jener Kicker. Der Name war für mich dann eine echte Überraschung. Nicht David Beckham, nicht Peter Shilton, nein, Ashley Cole laute nunmehr der Dauerbrenner der Engländer! 

Cole wird heute gegen Italien sein 22. Spiel für England bei einer internationalen Endrunde absolvieren. Mit 20 Spielen folgen in der internen Liste des englischen Fußballverbandes die genannten Beckham und Torwart-Legende Shilton. Dass aber selbst 22 Spiele im internationalen Vergleich wahrlich keine Spitzenposition bedeuten, verdeutlicht die Tatsache, dass Lothar Matthäus alleine bei Weltmeisterschaften in 25 Partien mitwirkte. Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm vertraten Deutschland bisher je 26-mal bei Welt- und Europameisterschaften. Das zeigt wiederum, dass England bei Endrunden einfach zu früh die Segel streicht. Coles „Akte“ belegt dies. Seit 2001 spielt er in der englischen Mannschaft. Bei den drei WM-Auftritten scheiterten sie zweimal im fünften Spiel, also im Viertelfinale, und einmal vierten Spiel, also im Achtelfinale. Bei der EURO 2004 standen sie im Viertelfinale (4. Spiel), 2008 verpassten sie die Endrunde. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Linksverteidiger Cole im abgelaufenen Jahrzehnt kein Pflichtspiel für die Engländer bei internationalen Endrunden verpasste. Eine stolze Leistung.

Dauerbrenner ja, Leader nein
Umso verwunderlicher, dass er mir trotzdem nie sonderlich aufgefallen war. Vermutlich, weil sich die Wege der deutschen und der englischen Elf in diesem Zeitraum zu selten gekreuzt haben. Trotzdem glaube ich, dass etwa der deutsche Verteidigerkollege Lahm wesentlich mehr zum Spiel seines Teams beiträgt als Cole. Wie vorgestern demonstriert, strahlt Lahm zwar keine enorme Torgefahr aus, er hat es aber immerhin schon auf drei Tore bei Welt- und Europameisterschaften gebracht. Cole ging hingegen in jedem seiner 97 Länderspiele leer aus. Selbst in puncto Torvorlagen schneidet Lahm – bei der nahezu gleichen Anzahl von Länderspielen – mit 13:6 besser ab, obwohl Coles Flankenläufe dem „kicker-Sonderheft“ eine Erwähnung wert sind. Dass Cole nicht in Erwägung gezogen wurde, das vor dem Turnier vakante und in England sehr angesehene Kapitänsamt auszuüben, unterstreicht, dass er kein absoluter Leader ist.

Erfolgreicher Titelsammler im Verein
Ein äußerst wichtiges Tor erzielte Cole am 19. Mai 2012 für seinen Verein, den Chelsea FC. Im Finale der diesjährigen Champions League trat er als dritter Schütze seines Teams im Elfmeterschießen gegen Bayern München an. Humorlos schweißte er den Strafstoß in die Maschen und hielt seinen Klub damit im Rennen, hatte zuvor doch Juan Mata für Chelsea verschossen. Der Ausgang ist bekannt. Die Londoner heimsten den Sieg ein und Cole hatte seinen drei Meistertiteln und sieben Pokalerfolgen die begehrteste Trophäe im europäischen Vereinsfußball hinzugefügt.

Celebrity Cole and Calamity Cole
Doch es gibt auch weniger glückliche Facetten von Cole. Der neue Nationaltrainer Roy Hodgson wird dies womöglich im Hinterkopf gehabt haben, als er in dieser Woche sagte: „I know he is most comfortable when he lets his football do the talking“. Cole versteht es nämlich vortrefflich Negativschlagzeilen zu fabrizieren. 2005 verurteilte ihn der Ligaverband zu einer hohen Geldstrafe, da er sich unerlaubterweise zu Transfergesprächen mit Chelsea traf, ohne seinen damaligen Verein Arsenal London darüber informiert zu haben. 2006 tauchte er in die Glamourwelt ein, als er die in Großbritannien sehr populäre Sängerin Cheryl Tweedy heiratete. Vier Jahre später war die Ehe schon wieder Geschichte, da Cole sie mehrfach betrogen haben soll, was auf der Insel von einem großen Rauschen im Blätterwald begleitet wurde. 2011 schließlich bot er dem Boulevard eine weitere Steilvorlage, als er auf dem Vereinsgelände von Chelsea einen Praktikanten mit einem Luftgewehr anschoss!!! Er entging jedoch einer Strafverfolgung, da er glaubhaft versichern konnte, nicht gewusst zu haben, dass das Gewehr geladen war.

Das Turnier bisher: England
Die „Three Lions“ schlagen sich bisher äußerst achtbar. Zwei Siege und ein Unentschieden hievten sie auf Platz 1 ihrer Vorrundentabelle, wodurch sie Spanien im Viertelfinale entgehen konnten. Die Vorbereitung war geprägt durch die Absetzung von John Terry als Kapitän, den Rücktritt von Fabio Capello als Nationaltrainer, der sehr späten Installation von Hodgson, der Zwei-Spiele-Sperre für Wayne Rooney und zahlreichen Verletzungen in der Vorbereitungsphase (Frank Lampard, Gareth Barry, Gary Cahill). Die Erwartungshaltung auf der Insel war dementsprechend gering. Ein Novum verglichen mit den vergangenen Turnieren. Dieser fehlende Druck scheint dem Team gut zu tun. Der Kader präsentiert sich auf dem Platz als homogene, wenngleich nicht überragende, Einheit. Steven Gerrard brilliert als Leitfigur und Vorlagengeber, junge Spieler werden integriert und alle zentralen Stürmer haben bereits ihr Tor gemacht. Es könnte also wahrlich schlechter laufen.

Das Turnier bisher: Italien
Trainer Cesare Prandelli bleibt sich tatsächlich treu. Nach dem peinlichen Aus bei der WM übernahm er 2010 das Nationalteam und impfte ihm eine offensivere und sehr ansehnliche Spielweise ein. Auch im ersten Spiel gegen Spanien zeigten sie keinerlei Respekt. Wie später gegen Kroatien schafften es die Italiener aber nicht, ihre Führung über die Zeit zu bringen. Das entscheidende Spiel gegen Irland war letztlich nicht mehr als eine Pflichtaufgabe. Parallelen zu England liegen in der ebenfalls nicht ungestörten Vorbereitung. Die Wettmanipulationen im italienischen Fußball wirkten sich auf das Nationalteam aus und gipfelten in der Nichtnominierung von Domenico Criscito, der in die illegalen Vorgänge involviert gewesen sein soll. Schon 2006 bewies die Squadra Azzurra jedoch, dass sie solche Ereignisse eher noch zusammenrücken lässt. Mit Giorgio Chiellini fällt gegen England ein wichtiger Abwehrspieler aus. Mit Mario Balotelli, Antonio Cassano und Antonio di Natale haben bereits alle Stürmer getroffen.

Ein Gedanke zu “England vs. Italien: Der unscheinbare Rekordmann

  1. Hi Matze – zu Calamity Cole faellt mir natuerlich noch ein, dass er in England „Cashley“ genannt wird. Kennst du den Hintergrund?

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