Das Olympische Fußballturnier genießt hierzulande nicht gerade die größte Aufmerksamkeit. Vermutlich, weil sich das deutsche Team schon seit Jahrzehnten nicht mehr für die Spiele qualifizieren konnte. Zudem fehlen dort einfach die großen Stars, die bei einer WM oder EM zweifelsohne mitmischen. Dabei lohnt sich mehr als nur ein Seitenblick auf diesen ältesten internationalen Fußballwettbewerb. Schließlich betreten hier viele junge Talente erstmals die internationale Bühne.
104 Jahre olympischer Fußball
Alles begann 1908 in London. Erstmals war Fußball olympisch und das britische Team gewann pflichtschuldigst die Goldmedaille. Vier Jahre später das gleiche Bild. Die Briten trafen im Finale auf Dänemark und behielten erneut die Oberhand. In den 1920ern schlug die Stunde Uruguays. 1924 und 1928 gewannen sie den Titel, was ihnen 1930 bei der erstmals ausgetragenen Fußball-Weltmeisterschaft ebenfalls gelang. Die WM-Endrunde grub in der Folgezeit dem olympischen Fußballturnier zusehends das Wasser ab. Dem olympischen Amateurgedanken folgend durften bei den Spielen keine Profis teilnehmen. Die besten Spieler fehlten folgerichtig. 1932 fehlte Fußball sogar im olympischen Programm.
1948 machte der olympische Zirkus ein zweites Mal Halt in London. Nun gewannen die schwedischen Fußballer gegen Jugoslawien. Dann kam es zu einer Zäsur, denn bis in die 1980er Jahre dominierten osteuropäische Teams das Turnier. Dabei profitierten sie davon, dass sie einen Großteil ihrer regulären Nationalteams an den Start bringen konnten. Die Spieler galten im nicht-kapitalistischen System als „Staatsamateure“, gleichwohl sie oftmals unter Profibedingungen trainierten. Die großen Fußballnationen der westlichen Welt gingen ohne ihre Profis reihenweise leer aus. Bis 1988 gewann dreimal Ungarn, zweimal die UdSSR, je einmal Jugoslawien, Polen, die DDR und die CSSR. Einzig 1984 gewann mit Frankreich ein westeuropäisches Land, allerdings begünstigt vom Boykott der Spiele durch zahlreiche Ostblock-Staaten.
1996 und 2000 folgte die nächste Zäsur. Mittlerweile war der Amateurstatus aufgeweicht worden und die Ostblockstaaten spielten keine nennenswerte Rolle mehr. Dafür ließen afrikanische Teams aufhorchen. Nigeria und Kamerun gewannen die Spiele in Atlanta und Sydney. 2004 und 2008 holte sich schließlich Argentinien olympisches Gold. Vor acht Jahren mit Carlos Tevez, in Peking mit Lionel Messi, Sergio Agüero und Angel di Maria. Dies zeigt, der Promifaktor war auch beim olympischen Fußballturnier angekommen.
The road to London
Doch Argentinien wird den Titel nicht verteidigen können. Sie fehlen, da sie bei der ausschlaggebenden Südamerikameisterschaft der U-20-Junioren nicht auf Platz 1 oder 2 einkamen. Stattdessen qualifizierten sich die Brasilianer, um den überragenden Neymar, und Uruguay. Die „Urus“ konnten Argentinien im direkten Vergleich besiegen und fahren damit erstmals seit 1928 wieder zu Olympischen Spielen. Die olympische Bilanz der Südamerikaner liest sich beeindruckend: Zwei Teilnahmen, zwei Siege.
Aus der nordamerikanischen U-23-Meisterschaft gingen Mexiko und – etwas überraschend – Honduras als Teilnehmer für Olympia hervor. Die hoch eingeschätzte Mannschaft der USA ging beim Entscheidungsturnier auf heimischem Boden leer aus und blieb schon in der Vorrunde auf der Strecke. Honduras ist jedoch auch kein absoluter Underdog. Mit dem Erfolg bestätigen sie gewissermaßen ihre WM-Teilnahme von 2010 und die Olmpia-Teilnahmen von 2000 und 2008.
Die Europäer qualifizierten sich bei der Endrunde der U21-Europameisterschaft 2011 für das Olympiaturnier. Nachdem Deutschland schon die EM-Endrunde verpasst hatte, waren alle Hoffnungen frühzeitig dahin nach 1988 einmal wieder unter den olympischen Ringen anzutreten. Die DFB-Junioren zogen gegen die Tschechische Republik den Kürzeren, die ihrerseits bei der EM im Spiel um das letzte Olympia-Ticket dem Sensationsteam aus Weißrussland unterlag. Die EM-Finalteilnehmer Spanien und Schweiz komplettieren mit dem Gastgeber aus Großbritannien das europäische Kontingent bei der anstehenden Olympiade.
Ebenfalls vier Mannschaften entsendet Afrika nach London. Der Senegal setzte sich in einem Relegationsspiel gegen den asiatischen Vertreter Oman durch. Ägypten, Marokko und Gabun hatten sich zuvor bei den kontinentalen U-23-Mannschaften durchgesetzt. Nigeria und die Elfenbeinküste blieben beim Endturnier bereits in der Vorrunde hängen, während sich Marokko und Ägypten keine Blöße gaben und die Olympia-Teilnahme durch die Plätze 2 und 3 sicherten. Das Überraschungsteam aus Gabun löste erstmals das Olympia-Ticket. Doch damit nicht genug, sie gewannen sogar das Ausscheidungsturnier.
In Asien spielten zwölf Teams in drei Gruppen um drei Startplätze für London. Japan setzte sich in seiner Gruppe souverän gegen Bahrain, Syrien und Malaysia durch. Südkorea ließ Saudi-Arabien, Katar und Oman keine Chance, während sich die Vereinigten Arabischen Emirate etwas überraschend gegen Usbekistan, den Irak und Australien durchsetzten. Die „Aussies“ werden damit erstmals seit 1984 nicht am olympischen Fußballturnier teilnehmen. Der beste Gruppenzweite Oman scheiterte beim Versuch gegen den Senegal durch die Hintertür noch nach London zu kommen. In Ozeanien setzte sich Neuseeland im Endspiel des Qualifikationsturniers mühsam mit 1:0 gegen Fidschi durch.
Stars und Sternchen
Das diesjährige Turnier wartet mit einer ganzen Reihe von namhaften Spielern auf und bestätigt damit einen Trend der vergangenen Spiele. Seit 1992 spielten Pep Guardiola, Ronaldo, Rivaldo, Roberto Carlos, Jay-Jay Okocha, Sunday Oliseh, Samuel Eto’o, Carles Puyol, Xavi Hernandez, Andrea Pirlo und Ronaldinho sowie die oben bereits erwähnten Tevez, Messi, Agüero und di Maria bei Olympia.
Die Teilnahme bereits arrivierter Spieler wurde durch eine Lockerung der Teilnahmebedingungen für Profis möglich. Heute besteht ein Team aus Spielern die 23 Jahre und jünger sind, ergänzt durch drei ältere Akteure. Großbritannien nutzt diese Regelung, um den walisischen Routiniers Ryan Giggs und Craig Bellamy zu ihrem ersten internationalen Turnier zu verhelfen. Uruguay verleiht seinem erstmals seit den goldenen 1920ern wieder qualifizierten Team mit Edinson Cavani (SSC Neapel) und Luis Suarez (Liverpool FC) eine gehörige Prise Erfahrung. Hulk (FC Porto), Marcelo (Real Madrid) und Thiago Silva (Paris St. Germain) verstärken als ältere Semester die U23-Auswahl Brasiliens. Die Schweiz baut in ihre starke junge Garde den 28-jährigen Nationalkeeper Diego Benaglio (VfL Wolfsburg) ein. Spanien vertraut auf die Unterstützung des 24-jährigen Juan Mata (Chelsea FC), der im Falle eines Olympiasieges amtierender Champions-League-Sieger, Europameister und eben Olympiasieger wäre. Mit ihm stoßen Javi Martinez (Athletic Bilbao) und Jordi Alba (FC Barcelona) aus dem jüngsten EM-Kader zur Olympiaelf. Mata und Martinez dürfen sich sogar Weltmeister nennen, da sie zum 2010er Kader der Spanier gehörten.
Doch auch ohne die älteren Spieler erhöhen zahlreiche Sternchen den Promifaktor beim olympischen Fußballturnier. Allen voran Spanien und Brasilien verfügen über zahlreiche Jungstars, die sich bereits einen Namen gemacht haben. Die Iberer schicken David de Gea (Manchester United) und Iker Muniain (Athletic Bilbao) ins Rennen. Brasilien will mit Neymar, Ganso (beide FC Santos), Alexandre Pato (AC Mailand), Oscar (zukünftig Chelsea FC) und Lucas (FC Sao Paulo) die Goldmedaille holen. Großbritannien setzt auf die Premier League erprobten Youngster Ryan Bertrand (Chelsea FC), Aaron Ramsey (Arsenal FC) und Daniel Sturridge (Chelsea FC).
Und sonst …
… fehlen Schotten und Nordiren:
Im britischen Fußballteam sucht der geneigte Fan vergebens nach Schotten und Nordiren. Der Kader umfasst außer fünf Walisern ausschließlich Engländer. Doch der schottische und nordirische Fußballverband sind über die Nichtberücksichtigung ihrer Spieler alles andere als erzürnt. Im Vorfeld der Spiele hatten sie und der walisische Fußballverband befürchtet, dass eine Teilnahme ihrer Spieler am britischen Team ihren selbstständigen Status bei der FIFA gefährden würde. Auch wenn die FIFA diese Bedenken umgehend zurückwies, dürften sie mit dem vom englischen Coach Stuart Pearce nominierten Kader sehr gut leben.
… wollen die Brasilianer endlich die Goldmedaille:
Brasilien mag im Weltfußball eine Macht sein, und fünf Weltmeisterschaften unterstreichen dies auch, Olympiasieger waren sie jedoch noch nie. Mehr als zwei Silber- und zwei Bronzemedaillen sind bei elf Olympiateilnahmen bisher noch nicht herausgesprungen. Das bedeutet Platz 18 im olympischen Medaillenspiegel der Fußballer. Nun soll alles anders werden. Der Kader ist ausgesprochen namhaft besetzt und soll endlich den letzten noch offenen internationalen Titel an den Zuckerhut bringen. Dies unterstreicht auch die Tatsache, das mit Mano Menezes der aktuelle Nationaltrainer die U23-Auswahl in London coacht.
… schauen die erfolgreichsten und häufigsten Teilnehmer dieses Mal zu:
Um die erfolgreichste olympische Fußballnation einzuholen, müssten die Brasilianer aber mehr als nur einen Olympiasieg einfahren. Ungarn führt mit drei Gold-, einer Silber- und einer Bronzemedaille die Medaillenwertung an. Auf Platz 2 steht ausgerechnet der Dauerrivale aus Argentinien mit zwei Gold- und zwei Silbermedaillen, vor der UdSSR mit zwei Gold- und drei Bronzemedaillen. Die häufigsten Teilnahmen verzeichnet hingegen Italien. 15-mal nahmen die Südeuropäer am olympischen Fußballturnier teil, nun fehlen sie erstmals seit 1980 wieder. Auch die USA und das als offizieller Nachfolger Jugoslawiens geltende Serbien konnten sich nicht für London qualifizieren. Mit 13 Teilnahmen liegen sie auf dem geteilten zweiten Rang aller Teilnehmer.
… steht Deutschland immerhin in einer Statistik vorne:
Noch weniger als Brasilien kann der Deutsche Fußball-Bund auf erfolgreiche Olympiateilnahmen verweisen. Nur eine Bronzemedaille 1988, sonst herrscht gähnende Leere in der Medaillenschatulle. Der Verband der DDR schlug sich da schon wesentlich besser. Bronze 1964 und 1972, folgte 1976 Gold und 1980 Silber. Immerhin ein westdeutscher Spieler hat sich in die olympischen Annalen eingetragen. Rudi Bommer schoss 1984 gegen Jugoslawien das bis heute schnellste Tor der Olympia-Geschichte. Er benötige nur 35 Sekunden. Die 2:5-Niederlage konnte dies trotzdem nicht verhindern.
Meiner Meinung nach sollte man das olympische Tunier zu einem wirklich ernsthaften U23-Tunier ausbauen (ohne 3 Ältere), als Ersatz zur Junioren-Weltmeisterschaft! Dann könnte sich der Olympiasieger auch wirklich „Beste Junioren-Mannschaft“ nennen und das olympische Tunier würde deutlich aufgewertet werden.