Vier Mannschaften des asiatischen Kontinentalverbands stehen bereits als WM-Teilnehmer fest: Japan, Südkorea, Australien und der Iran. Ein Nationalteam hat noch die Chance sich in den Play-offs durch die Hintertür nach Brasilien zu schießen: Die Elf Jordaniens! Die Vorderasiaten standen noch nie so nah vor einer Endrundenteilnahme. Dementsprechend unbeschrieben ist ihr Blatt. Doch auch bei genauerer Betrachtung müsste schon viel zusammen kommen, sollte sich der Außenseiter gegen Uruguay, den WM-Vierten von 2010, durchsetzen. Eine kleine Zahlenreihe stellt den Underdog vor:
0 WM-Teilnahmen
Jordanien nimmt seit Mitte der 1980er Jahren an den Qualifikationen zur Fußball-Weltmeisterschaft teil. Bislang war der Zug zur Endrunde immer schon abgefahren, bevor die Qualifikation in die heiße Phase trat. Noch nie hatten sich die Kicker des vorderasiatischen Staates in die letzte kontinentale Qualifikationsphase durchspielen können. Umso überraschender der derzeitige Erfolg. Auf der Habenseite stehen immerhin zwei Viertelfinalteilnahmen bei den Asienmeisterschaften (2004 und 2011). Dennoch nimmt sich die Bilanz des Al-Nashama (so viel, wie die Tapferen, die Heldenhaften) genannten jordanischen Nationalteams bisher überaus bescheiden aus.
1 Aufeinandertreffen
Uruguay und Jordanien treffen erstmals aufeinander. Zumindest die A-Nationalteams. Einige Spieler, die sich am Mittwoch gegenüberstehen, kennen sich jedoch bereits von einer früheren Begegnung. 2007 hatte sich die jordanische U20-Nationalmannschaft für die WM in Kanada qualifiziert und spielte in der Vorrunde gegen Uruguay. Die Südamerikaner behielten mit den heutigen Topstars Edinson Cavani (Paris St. Germain) und Luis Suárez (Liverpool FC) die Oberhand. Torschütze des einzigen Treffers war Cavani. Doch die Jordanier waren keinesfalls chancenlos und hätten mit etwas Glück den Ausgleich erzielen können. Einzig: Das Aluminium stand zweimal im Weg. Bei den Jordaniern gehört Cavanis damaliger Gegenspieler Anas Bani Yaseen mittlerweile zum Stamminventar der jordanischen A-Nationalelf. Aufgrund einer Verletzung bleibt ihm die Fortsetzung seines persönlichen Duells gegen Cavani verwehrt. Neben ihm haben es eine handvoll weiterer Kicker aus dem damaligen Juniorenkader in Jordaniens A-Nationalelf geschafft.
Die U20-Teams messen sich bei der WM 2007. Einziger Torschütze: Edinson Cavani
2 Trainer
Zwei Trainer führten die Jordanier durch die beispiellose WM-Qualifikation. Der Iraker Adnan Hamad zeichnete für die erfolgreichen Gruppenphasen verantwortlich. Im Sommer trat er dann überraschend zurück bzw. verlängerte seinen Vertrag nicht. Obwohl die Jordanier noch nie so weit gekommen waren, äußerten Fans und Öffentlichkeit angeblich Kritik an seiner Arbeit und er zog die Konsequenzen. Seither hat der ägyptische Rekordtorjäger Hossam Hassan das Sagen und setzte mit den bestandenen Play-off-Spielen gegen Usbekistan den Erfolgsweg fort.
3 wichtige Spieler fehlen
Jordanien wird die beiden Partien nicht in der vermeintlichen Bestbesetzung antreten. Insbesondere drei Leistungsträger fehlen. Dabei handelt es sich mit Kapitän Amer Khalil Deeb und Verteidiger Anas Bani Yaseen um zwei unbestrittene Stammspieler aus der Qualiphase. Mit Torjäger Hasan Abdul Fattah steht einer der beiden treffsichersten Spieler der WM-Qualifikation nicht im Aufgebot. Der noch nicht lange im Amt weilende Coach Hassan verzichtet offensichtlich freiwillig auf Kapitän Khalil Deeb und Torjäger Abdul Fattah. Die von jordantimes.com angeführten Sperren decken sich nicht mit den Angaben auf der FIFA-Seite. Wie auch immer, die Homepage des jordanischen Verbandes führt beide nicht im Aufgebot. Mit Bani Yaseen fehlt – wie bereits erwähnt – einer der gesetzten Verteidiger verletzungsbedingt. Immerhin gehört der Star des Teams – Torwart Amer Shafi Sabbah – zum Aufgebot, obwohl er wegen einer Gelb-Sperre das Hinspiel definitiv verpassen wird.
4 Qualifikationsrunden
Der asiatische Verband fährt ein wahres Mammutprogramm, ehe seine WM-Fahrer feststehen. So mussten die Jordanier bisher schon vier Qualifikationsrunden überstehen. Sie stiegen in der zweiten Qualirunde ein und bezwangen in einem K.o.-Duell Nepal klar. Die dritte Runde wurde im Gruppenmodus durchgeführt, in der der Irak, China und Singapur in Schach gehalten wurden. Die vierte Qualifikationsphase bestand aus zwei Fünfergruppen und führte Jordanien mit Australien, Japan, Oman sowie erneut dem Irak zusammen. In der Endabrechnung landete Jordanien hinter Australien und Japan auf dem dritten Platz, der zu den Ausscheidungsspielen gegen den Drittplatzierten der anderen Fünfergruppe berechtigte: Usbekistan. Nachdem sich Jordanien hier etwas glücklich durchsetzte, heißt es nun die Qualifikationspartien 19 und 20 in Angriff zu nehmen. Kontrahent Uruguay ist in dieser Angelegenheit übrigens bestens geübt. Schon 2002, 2006 und 2010 mussten sie in die interkontinentalen Play-off-Duelle.
5 Auswärtspleiten
Länderspielreisen sind für die Nationalelf aus dem Vorderorient selten mit Freude verbunden. In den neun Auswärtsspielen der WM-Qualifikation, setzte es fünf zum Teil klare Niederlagen. Je stärker die Gegner wurden, desto weniger Zählbares sprang heraus. In der vierten und letzten Qualiphase gelang den Jordaniern in der Fremde kein Punktgewinn mehr. Gegen Japan (0:4) und Australien (0:6) setzte es herbe Pleiten, als sich die Araber insbesondere über die außen anfällig und in Kopfballduellen unterlegen zeigten. Erst in den danach stattfindenden Ausscheidungsspielen gegen Usbekistan gelang auswärts wieder ein 1:1, das nach dem 1:1 im Hinspiel bitter notwendig war. Die höher eingeschätzten und ambitionierten Usbeken (erinnert sei an den Wechsel des ehemaligen Weltstars Rivaldo 2008 in die usbekische Liga) zahlten mit der 9:8-Niederlage im Elfmeterschießen einen bitteren Preis.
6 Heimsiege
Zu Hause hingegen konnte den Jordaniern zuletzt kein Gegner etwas vormachen. Hier legten sie die Basis für die bislang so erfolgreiche Qualifikationskampagne. Sechs der neun Qualispiele konnten in der jordanischen Hauptstadt Amman gewonnen werden. Lediglich gegen den Irak gab es in der Zwischenrunde eine Niederlage. Zwei 2:1-Siege gegen die Schwergewichte Japan und Australien ließen besonders aufhorchen. Die Heimstärke manifestiert sich in diesem Kalenderjahr überdeutlich. Test- und Qualifikationsspiele für die Asienmeisterschaft mitgezählt, gewann die jordanische Auswahl neun der zwölf Heimspiele, die anderen Partien endeten Remis. Freilich waren darunter keine Gegner vom Kaliber Uruguays. Und auch der jüngste Heimsieg gegen Nigeria ist wenig aussagekräftig, traten die Afrikaner doch mit einer besseren B-Elf an.
Das erste Schwergewicht fällt: Die Höhepunkte des 2:1-Sieges gegen Australien.
7 Weltmeisterschaften mit arabische Nationalteams aus Asien
Saudi-Arabien (durchweg von 1994 bis 2006), die Vereinigten Arabischen Emirate (1990), Kuwait (1982) und der Irak (1986). Die Liste der bisherigen Teilnehmer aus dem arabischen Raum Asiens nimmt sich gar nicht einmal so bescheiden aus. Inklusive dem Iran stellt die Region neben dem Fernen Osten (allen voran Japan und Südkorea) die zweite Fußballhochburg Asiens dar. Das lange Zeit als Stammgast bei WM-Endrunden vertretene Saudi-Arabien hat sich nach 2010 auch in der aktuellen Kampagne vorzeitig aus der Qualifikation verabschiedet. An seine Stelle könnte nun also Jordanien treten.
Generell droht den Arabern Asiens durch die Aufnahme Australiens in den asiatischen Verband Ungemach. Der Gang zu einer WM-Endrunde wird noch schwerer, da mit Australien, Südkorea und Japan, drei der 4,5 zugeteilten Endrundenplätze fix vergeben scheinen. Zudem entpuppen sich die interkontinentalen Play-off-Duelle als hohe Hürde. In drei von vier Fällen zogen die Asiaten bislang den Kürzeren.
8 Legionäre
Nationalcoach Hassan zog am 25. Oktober 25 Spieler zusammen, mit denen er in die Vorbereitung für die Play-offs startete. Von diesen verdienen acht ihr Geld im Ausland. Fünf in Saudi-Arabien, zwei in Kuwait und einer in Rumänien. Die Mehrheit der Nationalspieler läuft also für jordanische Vereine auf. Das zeigt, dass alle Spieler im Ligaalltag nicht gerade mit internationalem Top-Niveau konfrontiert werden. Mit Thaer Bawab agiert der einzige Europalegionär bei Gaz Metan Medias in der rumänischen Liga. Er rutschte allerdings nur aufgrund mehrerer verletzter und gesperrter Spieler in den Kader. Bawab ist in Spanien aufgewachsen, spielte unter anderem bei der Dritt- und Zweitvertretung von Real Madrid und erzielte in der vergangenen Saison zehn Tore in der rumänischen Liga. In der aktuellen Spielzeit spielt er allerdings keine große Rolle und kann erst zwei Kurzeinsätze vorweisen.
Auch die Japaner haben in Amman mit 2:1 das Nachsehen
1o, die Triktonummer des Dauerbrenners
Zum Dauerbrenner der Jordanier mutierte während der Qualifikation der Mann mit der Trikotnummer 10: Ahmad Ibrahim. Er bestritt sämtliche 18 Partien, sammelte folglich die meisten Einsatzzeiten aller jordanischen Spieler und teilte sich gemeinsam mit Hassan Abdul Fattah die Spitze der mannschaftsinternen Torjägerliste (je 7 Treffer). Sein womöglich wichtigstes Tor erzielte er zum zwischenzeitlichen 2:0 beim 2:1-Sieg über Japan. Dabei schloss er einen Konter alleine und wohlüberlegt ab. Das Konterspiel ist generell eine Stärke im jordanischen Spiel und sollte auch gegen Uruguay die einzig vielversprechende Waffe sein. Ein noch wichtigeres Tor hätte Ibrahim im Elfmeterschießen gegen Usbekistan erzielen können. Jordanien lag vorne und er musste als letzter der fünf Schützen nur noch verwandeln. Doch er setzte den Ball neben den Pfosten und verschuldete eine nervenaufreibende Verlängerung des Shootout.
Wenn’s mal wieder länger dauert: Erst der 20. Strafstoß bringt Jordanien (rote Trikots) an die Schwelle zur WM
20 Elfmeter
So mutierte Torhüter Amer Shafi Sabbah zum Helden für Jordanien. Er hielt den zwanzigsten Strafstoß des Elfmeterschießens und initiierte damit die jordanische Freudenfeier in Taschkent. Der 120-fache Nationalspieler ist der erfahrenste Akteur im Kader und genießt ein hohes Ansehen bei seinen Landsleuten. Er sei so wichtig, dass er wie ein Eishockeytorhüter als die Hälfte des Teams bezeichnet wird. Sabbah prägte die Position des jordanischen Torhüters im vergangenen Jahrzehnt, wenngleich sein Spitzname „der Wal“ nicht gerade mit Agilität und Geschmeidigkeit gleichzusetzen ist. Auch wenn er bei manchen Gegentoren in der Qualifikation nicht sattelfest wirkte, ist er der unbestrittene Rückhalt seines Teams. Nicht nur gegen Usbekistan, auch gegen Japan entschärfte er einen Elfmeter großartig und hielt somit den wichtigen 2:1-Sieg fest. Umso bitterer ist es, dass ausgerechnet er im Heimspiel gegen Uruguay aufgrund einer Gelbsperre fehlt.
142 zusätzliche Public-Viewing-Zentren
Jordanien ist fußballverrückt. Erst recht in diesen Tagen. Nun wurden auf Veranlassung von Kronprinz Hussein 142 Jugendzentren mit besonderen Bildschirmen ausgestattet, um so vielen Jordaniern wie möglich das Verfolgen beider Partien zu ermöglichen. Am vergangenen Freitag war die Bevölkerung sogar im Fernsehen dazu aufgerufen worden bei einem mehrstündigen Spendenmarathon für die Nationalelf zu spenden. Der Support und die Identifikation könnten vor dem Hinspiel am 13. November für Al-Nashama nicht größer sein.