Schottlands Fußball: Weder Fisch noch Fleisch

Schottische-Flagge_CIMG1565_500px (Quelle: Kickschuh-Blog)Schottland heißt der erste Pflichtspielgegner der deutschen Nationalmannschaft nach der großen WM-Sause. Die guten Zeiten des schottischen Fußballs liegen schon einige Schaltjahre zurück. Spätestens seit Berti Vogts 2004 als Nationaltrainer der Briten demissionierte, sind die Bravehearts hierzulande aus dem Fokus geraten. Grund genug für eine Annäherung in elf Schritten:

1. Those were the days
Wie gesagt, die erfolgreichen Tage der schottischen Nationalelf liegen schon lange zurück. Zwischen 1974 und 1990 qualifizierten sich die High- und Lowländer immer für die WM-Endrunde. Einzig: Sie überstanden nie die Gruppenphase. Auch 1954 und 1958 bei den ersten beiden sowie 1998 bei der letzten der insgesamt acht WM-Teilnahmen war nach der Vorrunde Schluss. Die EM-Bilanz sieht nicht besser aus. Lediglich 1992 und 1996 fuhren sie zur Endrunde und nach den drei Gruppenspielen gleich wieder heim. Seither taten sie sich in den Qualifikationen gegen die Kleinen schwer, verstanden es aber auch immer wieder, die Großen ein wenig zu ärgern. In der letzten WM-Quali besiegten sie die Kroaten in beiden Partien und teilten sich mit den Serben jeweils die Punkte. Auf der anderen Seite holten sie gegen Waliser und Mazedonier nur vier Punkte. So ist der Ertrag des schottischen Fußballs seit geraumer Zeit weder Fisch noch Fleisch und passt damit hervorragend zu der auf Innereien basierenden Nationalspeise Haggis.

Haggis: Eine Nationalspeise wie der Zustand des Nationalteams ... weder Fisch noch Fleisch. (Bildquelle: Kickschuh-Blog)

Haggis: Eine Nationalspeise wie die Resultate im Nationalsport … weder Fisch noch Fleisch. (Bildquelle: Kickschuh-Blog)

2. Best supporting act
Trotz der langen Flaute der schottischen Elf, stehen die Fans unerschütterlich zu ihrer Auswahl. Die Tartan Army reist seit Jahrzehnten beständig zu den Auswärtsspielen in ganz Europa. In großer Anzahl fallen die Schotten in die Gastgeberstädte ein und beeindrucken mit ihrer friedlichen Art, Trinkfestigkeit und Sangesfreude.

3. Die „Engländer“
Es ist bereits Tradition, dass ein Großteil der schottischen Elf jenseits des Hadrianswalls in England sein Geld verdient. Doch im Gegensatz zu den 1970ern und 1980ern, als schottische Spieler wie Dennis Law, Billy Bremner, Alan Hansen, Graeme Souness, Kenny Dalglish oder Gordon Strachan bei Topklubs eine gewichtige Rolle spielten, ragen schottische Kicker heute kaum heraus. Im aktuellen Aufgebot stehen mehr Spieler von englischen Zweitligisten (14), als von englischen (9) und schottischen (4) Erstligisten.

4. Der Bekannteste
Zweifelsohne Darren Fletcher. Der 30-jährige Mittelfeldakteur spielt seit Teenagertagen bei Manchester United und holte mit dem Spitzenklub alles, was es auf Klubebene zu gewinnen gibt. Ende 2011 zog er sich aufgrund einer schweren Darmerkrankung für längere Zeit aus dem Fußballgeschäft zurück und konzentrierte sich auf seine Genesung. In den vergangenen beiden Spielzeiten absolvierte er lediglich 15 Einsätze für United, zählte in den ersten drei Spielen der aktuellen Saison aber wieder zur Stammelf. Internationale Stars, über die der kleine britische Nachbar aus Wales mit Gareth Bale (Real Madrid) und Aaron Ramsey (Arsenal) verfügt, fehlen in Schottland.

5. Der Wohltäter
Steven Naismith ist neben Flechter einer der wenigen Schotten die bei einem englischen Topverein spielen … und zwar regelmäßig. Der Stürmer läuft für Everton auf und machte zuletzt von sich reden, da er für jedes Heimspiel vier Eintrittskarten an Arbeitslose weitergibt. Jedes Mal wählt ein anderes Arbeitsamt in Liverpool die arbeitslosen Stadiongänger aus, damit sie in den Genuss des ansonsten unerschwinglichen Stadionbesuchs kommen können.

6. Die Fehlenden
Eine ausgerenkte Kniescheibe und ein beinahe vom Knochen abgetrennter Muskel sind schuld daran, dass die arrivierten Kräfte Robert Snodgrass (26, Hull City) und Kapitän Scott Brown (29, Celtic) gegen die DFB-Elf nicht mitwirken können. Für sie nominierte Schottlands Coach Gordon Strachan die Debütanten Callum McGregor (21, Celtic) und Kevin McDonald (25, Wolverhampton Wanderers).

7. Der Coach
Ebenjener Strachan hauchte den Schotten gegen Ende der abgelaufenen WM-Quali wieder ein wenig Selbstvertrauen ein. Abschlusssiege gegen Mazedonien und Kroatien hievten die Briten noch vom letzten auf Gruppenplatz vier in einer Sechsergruppe mit Belgien, Kroatien, Serbien, Wales und Mazedonien. Im Vorfeld der WM gab es dann noch ein 0:0 gegen die USA, zwei 1:0-Siege gegen Norwegen und Polen sowie ein 2:2 gegen Nigeria. Die Defensive hatte sich folglich zuletzt sattelfester präsentiert. Nach vorne hakt es hingegen immer wieder. Daran könnten – angesichts des überschaubaren Talents – selbst die schottischen Trainerlegenden Matt Busby, Bill Shankly oder Alex Ferguson nichts ändern.

8. Der Nachwuchs
Die Junioren traten bisher international kaum in Erscheinung. 1989 zog das U16-Nationalteam bei der Heim-WM ins Finale ein. Danach herrschte eine lange Flaute. 2006 zogen die U19-Junioren ins EM-Finale ein und in diesem Sommer die U17-Junioren ins EM-Halbfinale. Dabei ließen sie in der Vorrunde den hoch geschätzten Nachwuchs aus Deutschland und der Schweiz hinter sich. Die Schotten wollen durch Nachhaltigkeit dafür sorgen, dass dies keine Eintagsfliege bleibt. Der Verband hat mittlerweile ein Netzwerk von sieben Eliteschulen aufgebaut, in denen Jugendliche technisch und taktisch geschult werden sollen. So soll der Grundstein für einen schottischen Spielstil gelegt werden, der die Junioren bestmöglich an die Schwelle zum Profifußball führt. Die Klubs unterstützen das Ansinnen des Verbands und so treten die Schotten in die Fußstapfen Belgiens und Deutschlands, die nach Misserfolgen einen ähnlichen Weg einschlugen.

Das Herz Edinburghs schlägt nicht mehr erstklassig. (Bildquelle: M. Kneifl)

Neben den Hibs stiegen auch die Hearts im letzten Sommer ab: Damit spielen drei der fünf populärsten schottischen Klubs derzeit nur in Liga 2. (Bildquelle: Kickschuh-Blog)

9. Der Ligafußball
Die schottische Eliteklasse weiß vermutlich selbst nicht so recht, was sie von sich halten soll. Seit dem Zwangsabstieg der Rangers 2012 dominiert Celtic nach Belieben. In der Zuschauergunst liegen die Rangers, Hibernian Edinburgh und Hearts of Midlothian aktuell auf den Plätzen zwei, vier und fünf. Das blöde daran ist, dass alle drei Teams nur in der 2. Liga spielen. Die fehlende Herausforderung in der heimischen Liga trägt nicht gerade zur internationalen Klasse Celtics bei. Zuletzt gaben sie in der Qualifikation zur Champions League ein desolates Bild ab. Zunächst waren sie Legia Warschau in beiden Partien hoffnungslos unterlegen. Nur eine Niederlage der Polen am grünen Tisch verhalf Celtic zum Weiterkommen. Sie wussten mit dem Geschenk allerdings nichts anzufangen und schieden letztlich durch eine Heimniederlage gegen den slowenischen Meister aus. Die restlichen schottischen Teams sind international noch weniger wettbewerbsfähig.

10. Der Verdienst
Dann blicken wir doch lieber wieder in den Rückspiegel. Denn der schottische Fußball darf sich besonderer Verdienste bei der Entwicklung des Fußballsports sicher sein. In der Frühphase des Spiels setzten sie dem Kick and Rush aus England ein neuartiges Kurzpassspiel entgegen. Der Kombinationsfußball, wie er später im Wiener Scheiberlspiel, im Schalker Kreisel oder zuletzt im spanischen Tiki Taka verfeinert wurde, nahm also seinen Ausgang im rauen Norden der britischen Insel.

11. Das Tagesgespräch
Der Fußball spielt im sportverrückten Schottland aktuell nur eine Nebenrolle. Vor einem Monat beherbergte Glasgow die auf der Insel enorm wichtigen Commonwealth Games. Die alle vier Jahre stattfindenden Olympischen Spiele des britischen Empire, verliefen für Schottland so erfolgreich wie nie. Hinter England, Australien und Kanada belegten sie Rang vier im Medaillenspiegel. Das daraus resultierende Selbstbewusstsein der Schotten könnte das Unabhängigkeitsreferendum am 18. September beeinflussen. Dann stimmen die Schotten über ihren Austritt aus dem Vereinigten Königreich ab. Gegen solch ein epochales Ereignis verblasst dann selbst ein Match beim amtierenden Weltmeister.

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