Einwurf: Das Ende eines Missverständnisses

screenhunter_36-dec-05-19-27Norbert Meier und Holger Fach sind Geschichte. Der SV Darmstadt 98 stellte heute Nachmittag seinen Cheftrainer und seinen sportlichen Leiter frei. Endlich, ist man geneigt zu sagen. Denn beide müssen sich nicht nur die magere sportliche Bilanz ankreiden lassen, die beiden trafen auch nie den Nerv des Umfelds und – so muss man wohl sagen – der Mannschaft. Das Ende eines großen Missverständnisses. 

Das SVD-Präsidium hat die Notbremse gezogen. Zum richtigen Zeitpunkt. Nachhaltiger als in den letzten beiden Heimspielen gegen den FC Ingolstadt und den Hamburger SV konnten sich die Lilien nicht für die 2. Bundesliga bewerben. Beide kreuzten am Böllenfalltor als Teams auf, die seit gut und gerne sechs Monaten sieglos geblieben waren, doch die Mannschaft, die in beiden Duellen noch planloser und verunsicherter wirkte, war absuderweise die des SVD. Dann lieber jetzt einen klaren Cut machen, als weiter auf einen Hoffnungsschimmer setzen, der sich partout nicht abzeichnen wollte.

Meier-Entlassung als Nachwehe des Schuster-Weggangs
Am heutigen Nikolaus-Vorabend wird zugleich klar, wie eiskalt die Lilien-Führung Ende Mai vom Weggang Dirk Schusters erwischt wurde. Schuster war in sportlicher Hinsicht Erfolgsgarant und Mädchen für alles. Seinen Verlust fing der SVD zunächst damit auf, dass er den kurz zuvor installierten Chef-Scout und Kaderplaner Holger Fach zum Sportlichen Leiter machte. Fehler Nummer 1. Alles was danach folgte, trug in großen Teilen die Handschrift des Manager-Novizen. Da war die bislang eher glücklos wirkende Kaderzusammenstellung (ich weiß, ich weiß, limitiert durch das ebenso liebe wie knappe Geld). Da war aber allen voran die Installation von Trainer Norbert Meier. Fehler Nummer 2. Schon damals blieb bei mir der fade Beigeschmack, nicht den am besten passenden Coach verpflichtet zu haben, sondern schlicht und ergreifend Fachs alten Buddy.

Fach und Meier als Auslaufmodelle
Aus Vereinssicht war es dennoch nachvollziehbar, auf die beiden alten Kämpen zu setzen. Deren Sachverstand und Netzwerke würden sicher weiter reichen, als die der Vereinsführung, die bei einem Drittligisten angetreten war und sich urplötzlich bei einem Bundesligisten wiederfand. Doch das mit dem Sachverstand war so eine Sache. Holger Fach brachte keinerlei Erfahrungen als Manager mit. Und ich trete Norbert Meier sicher nicht zu nahe, wenn ich sage, dass er nie bei einem anderen Erstligisten untergekommen wäre. Seine Bundesliga-Episoden hatte er sich – abgesehen von einem frühen Intermezzo als Gladbach-Coach – als Aufstiegstrainer erarbeitet. Von einem arrivierten Bundesligisten wurde er nie verpflichtet. Selbst als Feuerwehrmann kam er offenbar nie in Betracht. Nüchtern betrachtet passt er heute so gar nicht mehr ins Raster der üblichen Bundesliga-Trainer. Kein Bundesligacoach war älter als Meier (58). Mit Carlo Ancelotti (57), Christian Streich (51) und Peter Stöger (50) überschreiten derzeit nur drei von ihnen die 50er Grenze. Noch viel aussagefähiger ist aber die Tatsache, dass derzeit 15 Bundesligavereine Trainern das Vertrauen schenken, die erst seit 2012 auf diesem Level aktiv sind. Der typische Erstligist hat heute einen Mann an der Seitenlinie, der Mitte 40 ist und somit viel näher dran an der heutigen Spielergeneration. Nicht umsonst wird Meier nachgesagt, zu wenig kommuniziert zu haben. Der heutige Bundesligacoach ist zudem vergleichsweise neu im Geschäft, dafür hat man ihm aber die akuellste Trainingslehre (und was sonst noch so dazu gehört) mitgegeben.

Die Defizite eines verunsicherten Teams
Die gezeigte Leistung der Lilien auf dem Feld war jedenfalls durch und durch ernüchternd. Die verbliebenen Leistungsträger der letzten Saison schwächelten stark oder wurden von Meier gar degradiert (zunächst Peter Niemeyer, zuletzt Jerome Gondorf). Von den Neuen konnte sich in den vergangenen drei Monaten keiner zu einem Leistungsträger aufschwingen. Der einzige steht mit Michael Esser im Tor, und der kann bekanntlich nicht am Spielaufbau oder am Verdichten der Räume mitwirken. So war das aufgestellte Team bis zuletzt eine Ansammlung von Einzelspielern, die nicht so recht etwas mit sich als Mannschaft anzufangen wussten. Die Maßgaben, die ihnen mit auf den Weg gegeben wurden, griffen offenkundig nicht und verunsicherten sie im Umkehrschluss noch weiter. Zum Kampf kam reichlich Krampf hinzu. Die Spieler wirkten fast schon wie ein Stück Treibgut auf hoher See. Ihre Unsicherheit war mit Händen zu greifen. Fast keiner war in der Lage seine Leistung so zu kanalisieren, dass er nicht nur sich, sondern auch seinem Nebenmann Sicherheit gab. Jeder kämpfte für sich allein. Kein homogenes Verschieben. Kein effektives Verengen der Räume in der eigenen Hälfte. Von einem ansatzweise schlagkräftigen Offensivspiel ganz zu schweigen. Und wenn es nur darin bestanden hätte, einen hohen Ball in die gegnerische Hälfte zu dreschen, massiv nachzusetzen und auf den zweiten Ball zu gehen. Nichts.

Die nicht verstandenen Fans …
Nur zu konsequent, dass unter dem Kapitel Meier/Fach nun ein Schlussstrich steht. Und dabei handelt es sich – wie ausgeführt – um keine populistische Entscheidung. Freilich, die Fans forderten gestern lautstark die Demission Meiers. Doch die Fans haben eben ein feines Gespür dafür, wenn sich auf dem Platz partout kein Team finden will. Zudem war es für viele langjährige Fans einfach nicht glaubwürdig, wenn die neuen sportlichen Verantwortlichen dem Umfeld verkaufen wollten, was die Lilien ausmacht. Drei Jahre lang hörten die Lilien-Fans immer wieder, ihr Klub würde absteigen. Jedes Mal drehte ihr Team den Experten eine lange Nase. Nun wollen sich die Fans wieder mit dem identifizieren können, was sich da unten auf dem Feld abspielt. Und wenn es Leidenschaft und Kampfkraft sind. Und ein Plan, der auch nach einem Plan aussieht und vielleicht sogar funktioniert. Das war unter Meier und Fach nicht der Fall.

… und das Problem mit der Glaubwürdigkeit
Eins bleibt klar: Der SVD ist und bleibt vorerst ein Trainerverein. Der Coach muss die fehlenden finanziellen und strukturellen Mittel kompensieren. Der Klub ist von einem erfolgreichen Coach so abhängig, wie eine Solarzelle vom Sonnenschein. Ohne elektrisierenden Input, kein messbarer Output. Ist der Coach nicht in der Lage, die Spieler zu einer schlagkräftigen Einheit zu formen, bleibt alles nur Stückwerk. Norbert Meier wollte anfänglich mehr Ballbesitzfußball wagen. Letztlich kopierte er Dirk Schusters Fußball; und zwar schlecht. Auch verbal erinnerte er an ein Plagiat seines Vorgängers. Das wirkte alles nicht sonderlich überzeugend und glaubwürdig. Umso mehr, als die Ergebnisse einfach nicht stimmten.

Es braucht keinen zweiten Dirk Schuster
Nun braucht es am Bölle keinen zweiten Dirk Schuster an der Seitenlinie. Es braucht ganz schlicht einen mitreißenden und charismatischen Coach, der vorangeht. Der einen ebenso klaren wie einfachen Plan hat. Gerne einen, der die Lilien als Chance, der sie als Sprungbrett begreift. Das war bei den jüngsten Erfolgscoaches (neben Dirk Schuster auch Kosta Runjaic) in der Vereinsgeschichte der Fall gewesen. Bei den prominenteren Jürgen Seeberger und Norbert Meier ganz sicher nicht.

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