Savio, when did it all go wrong?

26. Juli 2008: Die U19 des DFB gewinnt das Finale der Europameisterschaft in Tschechien. Aus dem deutschen Team sticht ein Spieler heraus, der sein Geld bereits im Ausland verdient: Savio Nsereko vom italienischen Serie-B-Verein Brescia Calcio. Während die meisten seiner damaligen Teamkameraden mittlerweile in der 1. Bundesliga spielen, scheint Savios Karriere gerade am absoluten Tiefpunkt zu sein. Im September verschwand er zum zweiten Mal binnen eines Jahres für mehrere Wochen spurlos.

Starker Eindruck beim U19-Turnier
Viele Experten bescheinigen Savio im Sommer 2008 das Zeug zu einer großen Profi-Karriere. Bereits vor der U19-Europameisterschaft hat der damals 18-jährige, der als Kind mit seinen Eltern aus Uganda nach München kam, fünf Kurzeinsätze in der zweiten italienischen Liga vorzuweisen. Die U19-Euro verläuft für den flinken Stürmer ebenfalls positiv. Mit seinem quirligen Spiel trägt er wesentlich zum Einzug der DFB-Elf ins Finale bei. Dort fehlt er allerdings, da er den späten Siegtreffer im Halbfinale ausgelassen bejubelt und dafür vom Schiedsrichter die gelbe Karte sieht; seine zweite im Turnierverlauf, so dass er im Finale – ausgerechnet gegen Italien – zuschauen muss.

Der Wahnsinn beginnt: West Ham angelt sich das Top-Talent
In der anschließenden Saison avanciert der frischgebackene U19-Europameister bei Brescia Calcio zum Stammspieler. Sein Ausnahmetalent bleibt nicht verborgen. Inter Mailand bekundet Interesse an einer Verpflichtung, West Ham United aus der englischen Premier League ebenso. Für in den Medien kolportierte 11 Millionen (!) Euro wechselt Savio im Januar 2009 nach London. Laut transfermarkt.de ist Savio noch heute der fünfteuerste Neuzugang in der Historie der Hammers. Savio kommt als Ersatz für den abgewanderten Craig Bellamy. Der Waliser, ein ebenso schillernder wie gestandener Profi, war für 15,5 Millionen Euro zu Manchester City gewechselt.

Die astronomische Ablöse, die West Ham für den 19-jährigen Zweitligaspieler überweist, sorgt vielerorts für Befremden. In Italien schüttelt man schon länger den Kopf über die mit Geld um sich schmeisenden englischen Klubs. Rudi Völler spricht gar von „Wahnsinn“. Die BILD-Zeitung erkennt familiäre Bande zwischen den am Wechsel beteiligten Clubs. So war der Manager von West Ham zuvor der sportliche Leiter in Brescia gewesen und ist zudem Schwiegersohn des Brescia-Bosses. Geld, das der italienische Verein gut gebrauchen kann. Nichtsdestotrotz glaubt Savios U19-Nationaltrainer Horst Hrubesch, dass dieser die Ablösesumme nicht als Bürde empfinden werde und traut ihm den Durchbruch in England zu.

Savio entwickelt sich zwar nicht zum Stammspieler, kommt aber in den verbleibenden 16 Saisonspielen immerhin zehnmal zum Einsatz, wenngleich nie über 90 Minuten. Seinen größten Moment erlebt er am 1. März 2009. Noch vor der Pause ins Spiel gekommen, legt er den Siegtreffer beim 1:0-Sieg über Manchester City auf. Ausgerechnet also gegen den Verein, für den der abgewanderte Bellamy aufläuft.

Keine dauerhafte Chance: Goodbye West Ham, Ciao Fiorentina
In der Sommerpause wird immer klarer, dass West Ham seine sich schon länger abzeichnende finanzielle Schieflage nur durch Spielerverkäufe in den Griff bekommen kann. Deshalb hält der Verein nicht an dem talentierten Stürmer fest, sondern verkauft ihn für immer noch stolze sechs Millionen Euro an den AC Florenz in die italienische Serie A. Diese Summe wird wesentlich dazu beitragen, dass West Ham 20 Millionen Euro Transferüberschuss generiert. Die deutschen Medien, die den Wechsel nach England mit einer Mischung aus Faszination und Argwohn verfolgt hatten, reagieren auf die Nachricht des neuerlichen Wechsels vorhersehbar: Das siebenmonatigen Intermezzo wird mehr oder weniger deutlich als Scheitern dargestellt. Dabei hat der 19-jährige auf dem Papier nicht enttäuscht. Er kam in der Premier League zu regelmäßigen Kurzeinsätzen. Zudem stellt der anschließende Wechsel von einem englischen Premier-League-Club zu einem Serie-A-Team sicher nicht die schlechteste Referenz dar.

In Florenz hat Savio das Glück allerdings nicht gepachtet. Er laboriert an Verletzungen und kommt zu keinem einzigen Pflichtspieleinsatz für die Fiorentina. Doch er fällt sanft und wird in der Winterpause für ein halbes Jahr zum Ligakonkurrenten nach Bologna ausgeliehen. Dort absolviert er jedoch lediglich zwei Kurzeinsätze. Savios Karriere hat einen deutlichen Dämpfer erhalten.

Zurück auf Anfang … in die Sackgasse
Nach einer überaus bescheidenen Saison heuert Nsereko bei 1860 München in der 2. Bundesliga an, wohin ihn Florenz für eine Saison ausleiht. Er kennt den Verein gut, spielte der gebürtige Ugander doch bereits vor seinem ersten Italien-Engagement in der Löwen-Jugend. Gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ sagt Savio: „1860 ist für mich überhaupt kein Rückschritt: Man muss im Leben auch mal einen Schritt nach hinten gehen, um zwei nach vorne machen zu können.“ Die zwei Schritte führen Savio jedoch allen voran ins Abseits. Nach nur drei Saisoneinsätzen für die Sechziger taucht er plötzlich unter. Als er Wochen später wieder auftaucht, hat 1860 schon längst die Konsequenzen gezogen und ihm fristlos gekündigt. Bis heute ist nicht klar, was die Hintergründe seines Verschwindens waren. In der Presse wird er als schwieriger Charakter beschrieben, der es an der notwendigen Professionalität fehlen lasse. Die Fußballwelt ist offenbar zum selben Schluss gekommen, verleiht Florenz den ehemaligen Jungstar doch an keine namhafte Adresse, sondern nach Bulgarien (!). Für den A-Ligisten Chernomorets Burgas, vom ehemaligen Bundesliga-Star Krassimir Balakov trainert, läuft er zehn Mal auf.

Déjà vu: Serie B und erneutes Verschwinden
Die Verantwortlichen der Fiorentina setzen nach diesen Erfahrungen offenkundig nicht mehr auf Savio. Sie leihen ihn im Sommer 2011 zum bereits vierten Mal aus. Dieses Mal an SS Juve Stabia in die italienische Serie B. In die Liga also, aus der er sich zweieinhalb Jahre zuvor noch nach West Ham verabschiedet hatte. Drei Kurzeinsätze später verschwindet Nsereko erneut. Die Verantwortlichen von Juve Stabia wissen im September 2011 nichts über den Verbleib des jungen Deutschen. Dann berichten englische Medien, Savio sei im Liverpooler Nachtleben gesehen worden. Schließlich vermeldet der „Münchner Merkur“ Anfang Oktober, Savio sei wieder bei seinem aktuellen Verein aufgetaucht, nur um erneut zu gehen. Der Generaldirektor des Vereins teilt mit, dass sich Savio in eine Spezialklinik in Deutschland begibt. Es ist von psychischen Problemen die Rede. Die Karriere Savios ist an seinem absoluten Tiefpunkt angekommen.

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Während von den damaligen U19-Teamkameraden derzeit zehn in der Bundesliga spielen und vier davon bereits in der Nationalmannschaft anklopf(t)en (Ron-Robert Zieler, Lars Bender, Sven Bender, Stefan Reinartz) ist der einstige Überflieger böse gelandet. In der öffentlichen Wahrnehmung bleibt er das 11-Millionen-Euro-Talent, das es nicht gepackt hat. Seit dem England-Abenteuer stand er bei fünf Klubs auf der Gehaltsliste. Dass ihm Starattituden nachgesagt werden, ist man angesichts der halbjährlichen Wechsel geneigt zu glauben. So scheint sich die Einschätzung von Horst Hrubesch leider nicht zu bewahrheiten, Savio werde mit der hohen Ablösesumme klar kommen. Hat er bei West Ham keine langfristige Chance erhalten dürfen, so hat er sie bei den Vereinen, die ihn ausgeliehen haben, offensichtlich nicht ergreifen wollen. Gerade bei 1860 in einem vertrauten Umfeld. Es sei denn, er konnte sie aufgrund psychischer Probleme gar nicht wahrnehmen.

Hierüber kursieren derzeit jedoch nur Gerüchte. Sollten sie wahr sein, hat er mit der Bereitschaft professionelle Hilfe anzunehmen, den richtigen Schritt vollzogen. Es bleibt in jedem Fall zu hoffen, dass er sein Leben in den Griff bekommt.

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