Europäische Sportjournalisten wählten unlängst den Dortmunder Mario Götze zum vielversprechendsten Talent im europäischen Fußball. Knapp hinter ihm und dem Spanier Thiago Alcántara belegte der Belgier Eden Hazard Platz 3. Der 21-jährige spielt seit 2005 im französischen Lille und trug maßgeblich zur Meisterschaft des OSC im vergangenen Jahr bei. Zudem ist er eines der großen Versprechen auf eine goldene Zukunft des belgischen Fußballs.
Hazard, schon der Nachname ist Programm! Im Englischen lässt er sich mit Gefahr übersetzen und genau das ist es, was der kleine Offensivspieler für die Abwehrreihen der gegnerischen Teams bedeutet. In 174 Spielen für den OSC Lille bereitete der Belgier 45 Tore vor, 37-mal netzte er höchstpersönlich ein. Die Anhänger der Nordfranzosen durften also bislang davon ausgehen, dass Hazard sie in jedem zweiten Spiel jubeln lässt. Im vergangenen Sommer verhalf er den Fans der „Doggen“ – wie der OSC genannt wird – sogar zur ganz großen Sause. Erstmals seit 1954 wanderte die Meisterschaft wieder ins belgisch-französische Grenzgebiet, wozu das offensive „Trio Infernale“ Hazard, Gervinho und Moussa Sow mit 47 Toren maßgeblich beitrug. Doch damit nicht genug. Zum ersten Mal seit 1955 ging auch der Pokal nach Lille. Für den damals gerade 20 Jahre jungen Hazard war das Ende der Ehrungen damit noch lange nicht erreicht. Nachdem er 2009 und 2010 bereits zum besten Jungprofi in der französischen Liga gekürt wurde, folgte 2011 die Ehrung zum besten Spieler der Ligue 1. Eine immense Ehre für den dribbelstarken Flügelspieler, der auch zentral hinter den Spitzen agieren kann. Sogar die Verantwortlichen von Real Madrid und dem FC Barcelona sprechen bereits anerkennend von ihm.
Mit 14 zu den Sch’tis
Die Karriere des Eden Hazard verlief bisher im Eilzugtempo. Nach ersten Stationen in Belgien entschied er sich im Sommer 2005 eine Offerte des OSC Lille anzunehmen. Er wollte damit vom besseren französischen Ausbildungssystem profitieren und dennoch in der Nähe seiner Heimat bleiben. Lille, das in Nord-Pas-de-Calais liegt (und damit genau dort, wo der Kinofilm „Willkommen bei den Sch’tis“ spielt), ist nur 100 Kilometer entfernt von Hazards Geburtsort La Louvière. Nach zwei Jahren in der OSC-Jugendakademie war der Belgier bereits zu Höherem berufen und absolvierte Ende 2007 als 16-jähriger seinen ersten Kurzeinsatz in der Ligue 1. Drei weitere sollten noch in der selben Spielzeit folgen. In der Folgesaison lief er 30-mal für die Nordfranzosen auf und machte sich rasch unentbehrlich. Mittlerweile kann er auf 130 Einsätze in der französischen Eliteklasse zurückblicken, und das nur wenige Tage nach seinem 21. Geburtstag.
Next stop: England, Italien oder Spanien?
Seine kongenialen Sturmpartner Gervinho (zu Arsenal London) und Sow (zu Fenerbahce Istanbul) haben Lille in der Zwischenzeit verlassen. Und auch Hazard sagte im Oktober 2011 zur L’Equipe, dass er seine letzte Saison für Lille spiele. An potentiellen Abnehmern mangelt es wahrlich nicht. Hazard, dessen Marktwert auf 26,5 Millionen Euro taxiert wird, wird wahlweise mit dem Chelsea FC, Arsenal London, Manchester City, Manchester United, dem AC Milan, Inter Mailand oder Real Madrid in Verbindung gebracht. Gegenüber Canal Plus liebäugelte er zuletzt mit einem Wechsel nach England. Mit Hazard wird es also erneut ein belgisches Talent zu einem internationalen Top-Klub schaffen. In Arsenal würde er auf seinen Landsmann Thomas Vermaelen (26) treffen, bei Chelsea auf Romelu Lukaku (18) und bei Manchester City auf den Kapitän der belgischen „Roten Teufel“ Vincent Kompany (25). Ebenfalls bei namhaften Klubs agieren Marouane Fellaini (24, Everton FC), Moussa Dembélé (24, Fulham FC), Axel Witsel (23, Benfica Lissabon), Steven Defour (23, FC Porto), Dries Mertens (24, PSV Eindhoven) und Jan Vertonghen (24, Ajax Amsterdam).
Hazard verfügt bereits über WM-Erfahrung
Belgien verfügt dementsprechend nach einem Jahrzehnt des Darbens wieder über eine aufregende junge Spielergeneration, die das Land zu einer internationalen Endrunde führen soll. Seit der WM 2002, als noch Marc Wilmots für die „Roten Teufel“ stürmte und sie nur sehr unglücklich am späteren Weltmeister Brasilien scheiterten, wartet Belgien auf eine Rückkehr auf die internationale Bühne. Eden Hazard, mit seinen unbestreitbaren Offensivqualitäten, könnte ihnen den Weg zur WM 2014 in Brasilien ebnen. Bereits 2007 führte er die U17-Auswahl des Beneluxlandes zu Platz 3 bei der EM, was zugleich das Ticket für die U17-WM im gleichen Jahr bedeutete. Dort blieben sie aufgrund des schlechteren Torverhältnisses in der Vorrunde hängen. Bei dem Turnier überzeugte hingegen das drittplatzierte deutsche Team mit Toni Kroos, der am Ende zum besten Spieler des Turniers gewählt wurde.
Noch muss der Jungstar im roten Dress überzeugen
Hazards Talent blieb den Verantwortlichen der A-Nationalelf natürlich nicht lange verborgen. Im November 2008 debütierte er mit 17 Jahren und 316 Tagen als achtjüngster Spieler für die belgische Auswahl. Mittlerweile hat er 25 Einsätze für die „Roten Teufel“ absolviert. So stark Hazard in Lille auftrumpft, so wenig glücklich verlief seine bisherige Karriere in der belgischen Elf. Lange Zeit kam er nur als Einwechselspieler zum Zug, über die volle Spielzeit agierte er erst sechsmal. Auf der Habenseite stehen immerhin ein Tor und neun Assists. Seinem Offensivdrang opfert er jedoch allzu gerne die Defensivarbeit, wie der belgische Trainerstab öffentlich kritisiert. Des Weiteren bemängelt Nationaltrainer Georges Leekens, die längeren Auszeiten, die sich Hazard gerne im Spiel nimmt. Kein Wunder, dass das Verhältnis des Jungstars zum Nationalcoach als angespannt gilt. Erst recht seit dem 3. Juni 2011. Im Qualifikationsspiel zur Euro 2012 gegen die Türkei nahm Leekens Hazard nach einer Stunde vom Feld, was dieser mit dem umgehenden Verlassen des Stadions quittierte. Dumm nur, dass ihn das belgische Fernsehen vor dem Stadion beim Hamburger-Essen zeigte. Der Verband suspendierte den Jungstar für drei Spiele, nahm davon jedoch wieder Abstand, nachdem er sich mit Leekens ausgesprochen hatten.
In den Fußstapfen von Enzo Scifo
So können beide ab September die Qualifikation zur WM 2014 in Angriff nehmen. Belgien muss sich dabei gegen Kroatien, Serbien, Schottland, Wales und Montenegro durchsetzen. Ein Unterfangen, das durchaus realistisch erscheint. Sollte der antrittsschnelle Hazard wesentlich zu einer erfolgreichen Qualifikation beitragen, dann wäre er auf dem besten Weg, zu dem zu werden, was viele Belgier in ihm sehen: Der legitime Nachfolger von Enzo Scifo, dem bisher besten belgischen Fußballer. In zwei Punkten weisen die Lebensläufe der beiden bereits Parallelen auf: Beide sind in La Louvière geboren und auch Scifo hatte in der Nationalelf so seine Probleme mit einem belgischen Nationaltrainer. Dessen Name damals: Georges Leekens.
Hier zwei Kostproben von Hazards‘ Können:
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