Der FC Bayern dominiert in diesen Tagen die Schlagzeilen mit Vehemenz. Der soeben glorreich absolvierte Champions-League-Knaller gegen den FC Barcelona wird noch für entsprechend überschwängliche Lobeshymnen sorgen. Doch die „Affäre“ Hoeneß wird er nicht von den Titelseiten verdrängen können. Und zur ganz persönlichen Interpretation des Financial Fairplay durch den Vereinspräsidenten der Bayern, kommt ja noch der Sensationstransfer von Mario Götze. Das belegt, beim FC Bayern herrscht nach wie vor die ganz große Gier.
Uli Hoeneß war noch nie wirklich beliebt. Als Manager des FC Bayern war er ebenso streitbar wie erfolgreich und er legte mehr als einmal den Finger in die Wunde anderer. Siehe die Kokain-Affäre von Christoph Daum, siehe den Umgang mit der Korruptionaffäre beim Fußball-Weltverband FIFA. Dennoch hatte er in den letzten Jahren zunehmend eine gewisse Wertschätzung für sein „Lebenswerk FC Bayern“ erfahren. Auch dass er ein moralisches und soziales Gewissen in sich trägt, wurde positiv zur Kenntnis genommen. Siehe die zahlreichen „Retterspiele“ für finanziell angeschlagene Fußballklubs, siehe das Spenden seiner Gagen für wohltätige Zwecke, siehe die Unterstützung von Spielern, die durch Verfehlungen (Franck Ribéry) oder Schicksalsschläge (Lars Lunde) aus dem Tritt geraten waren.
In den vergangenen Jahren gerierte er sich immer wieder als ehrenwerter Kämpfer des Guten gegen das Böse. So wurde er nicht müde darauf hinzuweisen, dass der FC Bayern rechtmäßig wirtschafte und sich Spieler nur mit auf dem Festgeldkonto vorhandenem Geld leisten könne. Die Konkurrenz aus Spanien, Italien und England konnte hingegen Schulden über Schulden anhäufen und sich so die begehrtesten Spieler leisten. Dass der FC Bayern so lange keine Chance sah, im Rennen um den Champions-League-Pokal zu konkurrieren, schien den ehrgeizigen Manager und heutigen Präsidenten der Münchner schier zu zerfressen.
Financial Fairplay?
Noch vor einer Woche hatte er medienwirksam UEFA-Präsident Michel Platini aufgefordert das Financial Fairplay umzusetzen und „zwei Große aus der Champions League“ rauszuschmeißen, die zum Teil „eine dreiviertel Milliarde Schulden“ hätten. So berechtigt die Kritik ist, so entlarvend wirkt heute sein eigenes Gebaren. Mag er sich beruflich im Nachteil fühlen, privat parkte er dem Vernehmen nach mehrere Millionen Euro im schweizerischen Bankenparadies und „versäumte“ es die fällige Kapitalertragssteuer an den deutschen Fiskus abzuführen. Auf diese Weise hat er jeglichen Anspruch als moralische Instanz aufzutreten verwirkt und macht sich immens angreifbar. Entsprechend treffend formulierte die „Süddeutsche“ gestern „Vorbild a.D.“.
Spanische Verhältnisse?
Noch irritierender erscheinen am heutigen Tag seine Gedanken von vergangener Woche. Da äußerte sich Hoeneß gegenüber dem „kicker“ zur Dominanz der Dortmunder und Bayern in der Bundesliga. Er befürchte „spanische Verhältnisse“ mit lediglich zwei Spitzenteams, die die Meisterschaft unter sich ausmachen würden. Der Rest sei abgehängt. Er schlussfolgerte: „Das kann uns nicht recht sein.“ Dabei kündigte er an, zusammen mit „Dauerrivale“ Borussia Dortmund Lösungsvorschläge zu erarbeiten, wie es nicht so weit kommen könne. Mit der bekannt gegebenen Verpflichtung von Mario Götze muss diese Äußerung wie blanker Hohn klingen. Man muss vielmehr Jürgen Klopp recht geben, der schottische Verhältnisse befürchtet. Dort kommt mittlerweile nur noch Celtic Glasgow für den Meistertitel infrage. Vermutlich wird er bereits gewusst haben, dass Topspieler Götze nach München wechselt als er sagte: „Schön, dass man uns mit ins Boot nimmt. Spätestens am Anfang der nächsten Saison, wenn der Kader von Bayern München bekanntgegeben wird, wird man feststellen, dass der Vergleich nicht passt.“ Und er passt wirklich nicht. Seit 1997 hat Bayern zehn Meistertitel gewonnen. Außer in den vergangenen beiden Jahren, als die Dortmunder die Bayern mit erfrischendem Fußball überrumpeln konnten, hat Bayern in mindestens jedem zweiten Jahr den Titel errungen.
Bayerische Fakten!
Und heuer? Die Bayern jagen in der Bundesliga einen Rekord nach dem anderen. Sie haben ein Team, das ungeheuer fokussiert auftritt und spielerisch unglaublich dominiert. Der Kader passt zusammen wie der berühmte Arsch auf den Eimer. In der gesamten Saison haben sie von nunmehr 46 Partien erst drei (BATE Borisov, Bayer Leverkusen, Arsenal London) verloren. 18 Spiele gewannen sie mit drei oder mehr Treffern Differenz. Torbilanz: 132:25! Heute Abend eliminierten sie den FC Barcelona mit 4:0! Den FC Barcelona! DAS bestimmende und stilprägende Team der vergangenen Jahre. Was soll da bitte schön noch kommen? Ganz einfach: Pep Guardiola und Mario Götze! Der meist gewollte Trainer der Welt und der begehrteste Spieler der Bundesliga. Das ist nicht nur eine Kampfansage an die europäische Konkurrenz. Es ist allen voran ein deprimierender Tag für die Wettbewerbsfähigkeit der Bundesliga und erst recht für Borussia Dortmund. Während es sich Bayern seit Jahren leisten kann, die Topstars der Bundesliga an Land zu ziehen (Gomez, Neuer und jetzt Götze), verliert Dortmund in schöner Regelmäßigkeit herausragende Spieler (Sahin 2011, Kagawa 2012, Götze 2013 Lewandowski 201?). Dass es in dieser Richtung weitergehen würde, konnte jeder am Wochenende hören, als Bayerns Sportdirektor Matthias Sammer in einem Interview sagte, solange er Manager bei den Bayern sei, wolle er immer erfolgreich sein. Deshalb könne Hoeneß seine Lösungsvorschläge zum gesunden Wettbewerb in der Liga gerne umsetzen, aber nicht solange er seinen Poste inne habe.
So machen die Ereignisse dieser Woche vor allem eins klar: Die Bayern sind und bleiben gierig. Hoeneß ohnehin, der dem Klub dieses Denken eingeimpft hat wie kein Zweiter und der mit Sammer einen Bruder im Geiste auf den Managersessel gehievt hat. „Mia san mia“ eben. Oder vielmehr „Mia san Gier“.
Alles richtig Matze.
Naja, in den letzten Jahren wird in der Fußball-Berichterstattung ja der Begriff „gierig“ mehr und mehr positiv besetzt. („Wir müssen gierig sein“,. etc…) Die Bayern sind in ihrer Vereinspolitik seit Jahren wie ein reiches Kind im Spielzeugladen. Einen Trainer mit den Erfolgen von Jupp Heynckes so abzuservieren, weil Guardiola auf dem Markt ist, ist schon dreist. (Und ich bin jeder Sympathie für Heynckes unverdächtig.)
Ob Hoeneß jemals als moralisches Vorbild diente, sei es als Privatmann, Bayernmanager oder Wurstverkäufer, sei dahin gestellt. Und ob man Spieler auch schützen muss, wenn sie sich minderjährige Prostituierte einfliegen lassen, auch. Ich würde jedenfalls nicht behaupten, dass er „ein soziales Gewissen“ in sich trägt. Aber da hat jeder vollkommen zurecht andere Maßstäbe.
Welche Geisteshaltung hinter seiner heuchlerischen Warnung vor sog. „spanischen Verhältnissen“ steckt unterstreicht das Wörtchen „uns“ – den Bayern selbst ist es nicht recht, sie fürchten um ihr „Premiumprodukt“. Reines marktwirtschaftlichen Denken bestimmt ihr Handeln, das war immer so und das wird immer so sein. Nicht zuletzt sie selbst waren es, die durch ihren Einfluss (Rummenigge!) auf die unsäglich aufgeblähte Gelddruckmaschine Champions League für dieses Ungleichgewicht gesorgt haben.
Natürlich ist Fußball ein Sport, bei dem es ums Gewinnen geht. Und natürlich schießt Geld Tore. Alles andere ist etwas für Romantiker, die in ihrer Freizeit Fußballblogs schreiben.