Eintracht Frankfurt und der Sportclub aus Freiburg hielten in dieser Saison die deutsche Fahne in der Gruppenphase der Europa League hoch. Beide kamen dank einer überragenden Vorsaison völlig überraschend zu europäischen Ehren. Prompt folgte die Quittung im Ligaalltag. Waren beide in der vergangenen Spielzeit noch synchron nach oben durchgestochen, verharren sie nun schon seit Wochen in trauter Zweisamkeit gefährlich nahe der Abstiegszone. War doch eigentlich absehbar, oder? Stichwort Doppelbelastung. Doch ist dem wirklich so? Zeit, mit einer Mär aufzuräumen.
Seit zehn Jahren gibt es in den beiden noch verbliebenen europäischen Teamwettbewerben Gruppenphasen. Von 2004/05 bis zur Saison 2008/09 folgten im UEFA-Pokal einer ersten K.o.-Runde acht Gruppen mit fünf Mannschaften. In den „Mini-Ligen“ spielte jedes Team einmal gegen die anderen. Seit 2009 spielen vier Teams in einer Gruppe je zweimal gegeneinander. So kommen auch die Gruppenphasen-Teilnehmer des „kleineren“ europäischen Wettbewerbs seit einem Jahrzehnt auf sechs garantierte englische Wochen und somit erhöhte Strapazen im Vergleich zu den meisten Ligakontrahenten, die unter der Woche in Ruhe trainieren können.
Immer wieder die gleichen deutschen Champions-League-Teilnehmer
Wie in diesem Jahr mit Frankfurt und Freiburg gab es in den letzten zehn Spielzeiten aus deutscher Sicht immer mal wieder seltene Gäste im Europapokal, wenngleich wenige. Und die sind naturgemäß eher im UEFA-Pokal, beziehungsweise der Europa League zu finden. Die Champions League entpuppt sich weitestgehend als geschlossene Gesellschaft. Bayern (9 Teilnahmen) ist Stammgast in der Gruppenphase, gefolgt von Werder (6), die mittlerweile von Dortmund (3) abgeklatscht wurden. Schalke (5) und Leverkusen (3) sind ebenfalls regelmäßig dabei. Der VfB mit zwei Teilnahmen und Hamburg sowie Wolfsburg mit je einem Gastspiel sind eher als Eintagsfliegen zu werten.
Breiteres Teilnehmerfeld im UEFA-Pokal bzw. Europa League
Stammgäste in der Gruppenphase des UEFA-Pokals beziehungsweise der Europa League waren der VfB Stuttgart mit fünf sowie Leverkusen und der Hamburger SV mit je vier Teilnahmen. Schalke und Hertha zogen dreimal ein, Hannover 96 und Eintracht Frankfurt zweimal. Ein einmaliges Gastspiel gaben Bayern München, Werder Bremen und Borussia Dortmund, die ansonsten ja eher in der Champions League anzutreffen waren. Der 1.FC Nürnberg, Alemannia Aachen, der VfL Wolfsburg, Borussia Mönchengladbach und der SC Freiburg schnupperten einmal UEFA-Pokal- oder Europa-League-Luft.
Die deutschen Dauerbrenner
Bayern München, der VfB Stuttgart, Werder Bremen, Schalke 04, Bayer Leverkusen, der Hamburger SV sowie Borussia Dortmund hatten aufgrund ihrer regelmäßigen Teilnahmen am europäischen Wettbewerb offensichtlich nur sehr selten Probleme mit der Doppelbelastung aus internationalem und nationalem Wettbewerb, qualifizierten sie sich doch zumeist in der Folgesaison direkt wieder fürs internationale Geschäft. Auch die Hertha – deren drei Teilnahmen in den Beginn der Gruppenphasenzeit fallen – bleibt streng genommen außen vor, da sie zwischen 1999 und 2006 so gut wie immer am Europapokal teilnahm.
Für die „Eintagsfliegen“ stellt die Gruppenphase kein Problem dar
Bleiben also noch Wolfsburg, Hannover, Frankfurt, Nürnberg, Aachen und Gladbach. Diese international unerfahrenen Teams schnitten im Europapokal immer gut ab. Zumindest überstanden sie durchweg die Gruppenphase und überwinterten international. Sogar Alemannia Aachen 2004/05 als damaliger Zweitligist. Im Anschluss war jedoch für das Gros spätestens in der zweiten K.o.-Runde Schluss, so dass ab Mitte März – rechtzeitig zum Bundesligaendspurt – nur noch der Ligafußball zählte. Lediglich Wolfsburg und Hannover kämpften sich einmal bis ins Viertelfinale. Nur diese beiden waren es auch, denen es von den Novizen gelang, sich während ihrer europäischen Premierensaison gleich wieder über die Bundesliga für Europa zu qualifizieren. Wolfsburg startete sogar durch. Nach dem Aus in der Europa League reihten die Niedersachsen Sieg an Sieg und holten 2009 dank 43 Rückrundenpunkten die Deutsche Meisterschaft. Gleiches schaffte Dortmund in seiner europäischen Rückkehrsaison 2010/11. Dem überraschenden Gruppenphasen-K.o. in der Europa League folgte die souveräne Meisterschaft, die schon zur Winterpause mit zehn Punkten Vorsprung vorentschieden war. Doch Wolfsburg und Dortmund fallen aufgrund ihrer wirtschaftlichen und sportlichen Potenz aus dem Raster des typischen deutschen Europapokalnovizen. Von den seltenen Europapokalgästen hat sich durch das gestrige Ausscheiden tatsächlich nur Freiburg schon nach der Gruppenphase aus Europa verabschiedet.
„Novize“ Hannover schafft das seltene Kunststück der erneuten Qualifikation
Richtig gut machte es Hannover. Gleich bei ihrer ersten Europapokalteilnahme (2011/12) seit langer Zeit stürmten die Niedersachsen ins Viertelfinale und qualifizierten sich dennoch erneut für Europa. Nach 18-monatiger Dauerbelastung mussten sie dann in der vergangenen Saison etwas abreißen lassen, blieben auf Rang 9 im Endklassement aber immer noch in Schlagdistanz zu den Europapokalplätzen. In direkter Nachbarschaft beendeten die Gladbacher ihre Europapokalsaison auf Position 8. Beide reihen sich mit ihren Platzierungen in eine ganze Reihe von Teams ein, die während ihres europäischen Abenteuers zwar die erneute Qualifikation verpassten, allerdings verhältnismäßig knapp (s. Tabelle).
Vom Europapokal in die 2. Liga
Das sah bei Nürnberg schon ganz anders aus. Sie erlitten den schlimmstmöglichen Schiffbruch. Dabei hatten sie vor ihrer Europapokalteilnahme mit den Endplatzierungen 14, 8 und 6 einen deutlichen Aufwärtstrend in der Bundesliga gezeigt, gekrönt vom Pokalsieg 2007. Die überstandene Gruppenphase war jedoch bereits begleitet von schweren Turbulenzen in der Bundesliga: die Clubberer überwinterten auf einem Abstiegsplatz. Selbst das Ausscheiden in der ersten K.o.-Runde brachte keine Linderung. Nach nur drei Bundesligasiegen in der Rückrunde war der Abstieg besiegelt. Ein Szenario, das auch den Freiburgern oder Frankfurtern drohen könnte und für das es ebenfalls in anderen Topligen Beispiele gibt. So stiegen der spanische Vertreter Celta Vigo 2007 und der italienische Klub Sampdoria Genau 2011 in ihren Europapokalspielzeiten ab. Newcastle United hätte es im vergangenen Jahr beinahe ebenfalls erwischt, dank eines großzügigen Geldbeutels konnten sie allerdings in der Winterpause personell nachlegen (s. French Connection in Newcastle).
Champions-League-Teilnehmer nur sporadisch in zweiter Tabellenhälfte
Auch Hertha BSC und der VfB Stuttgart mussten als Europapokal-Teilnehmer in den letzten zehn Jahren schon einmal auf einem Abstiegsplatz überwintern. Während sich die zehn Punkte Rückstand auf das rettende Ufer für die Hertha 2009/10 als zu große Hypothek erwiesen, konnte der VfB 2010/11 das Ruder noch herumreißen. Auch Hamburg und erneut der VfB lungerten zu Champions-League-Zeiten zur Halbzeit auf den Plätzen 17 bzw. 15 herum, reparierten aber in der Rückrunde den Betriebsunfall mit Nachdruck und stießen noch in die erste Tabellenhälfte vor. Die Bundesliga-Saison 2010/11 verlief für Werder und Schalke verkorkst. Beide nahmen zwar an der Champions League teil, schlossen die Hinrunde allerdings nur auf Rang 10 (Schalke) und 14 (Werder) ab. Während sich Werder schon nach der Gruppenphase aus der europäischen Königsklasse verabschiedete, drang Schalke sensationell bis ins Halbfinale vor. Am Ende der Saison platzierten sich beide auf den Plätzen 13 und 14. So schlecht wie keine anderen deutschen Champions-League-Teilnehmer.
Deutsche Europapokalklubs fast immer in der ersten Tabellenhälfte der Bundesliga
Die Bilanz der deutschen Teilnehmer an den Gruppenphasen in den beiden Europapokalwettbewerben zeigt letztlich, die Doppelbelastung ist keinesfalls gleichbedeutend mit einem Leistungsabfall in der Bundesliga. Zur Winterpause rangieren bei weitem die meisten erneut auf einem Europapokalplatz. Nur wenige stürzen in die zweite Tabellenhälfte ab. Am Saisonende ein ähnliches Bild. 21 der 26 deutschen Champions-League-Teilnehmer landeten unter den ersten 6 und immerhin noch 16 der 28 deutschen UEFA-Pokal-/Europa-League-Teilnehmer. Selbst im Europapokal unerfahrene Teams wie Hannover, Mönchengladbach oder Wolfsburg hielten sich in Schlagdistanz zu den internationalen Plätzen. Wettbewerbsübergreifend beendeten in den letzten zehn Jahren gar nur acht Gruppenphasen-Teilnehmer die Saison in der zweiten Tabellenhälfte. Mit Hertha und Nürnberg mussten zwei Klubs aber auch den Gang in die Zweitklassigkeit antreten.
Freiburg und Frankfurt werden bestrebt sein, ihrem Beispiel nicht zu folgen. Sollte Freiburg scheitern, dann dürfte dies viel eher am Fluch der guten Tat liegen. Nach dem Erfolg der letzten Saison, kam ihnen die Hälfte ihrer Leistungsträger abhanden. So musste sich ein rund erneuertes Team erst finden und da kam die Gruppenphase der Europa League doch eigentlich ganz recht.