Argentinien und Belgien trafen vor dem heutigen Viertelfinale bereits 1982 und 1986 bei einer Weltmeisterschaft aufeinander. 1982 schlug der Vizeeuropameister den amtierenden Weltmeister aus Argentinien in der Gruppenphase mit 1:0. Der junge Diego Armando Maradona war damals schon mit von der Partie. Im Camp Nou deutete der 21-jährige an, dass er einmal zu Höherem berufen sein würde. In jener Partie entstand auch das berühmte Foto, das Maradonas Mythos befeuern sollte und das fast jeder von uns vor seinem geistigen Auge hat.
Maradona sollte den Höhepunkt seines Schaffens erst vier Jahre später bei der WM 1986 in Mexiko erreichen. Das Bild, das seine Brillanz und Ausnahmestellung vortrefflich symbolisiert, entstand aber bereits 1982 in der Partie gegen Belgien. Maradona sieht sich den Ball am Fuß sechs belgischen Gegenspielern gegenüber, die wie das Kaninchen vor der Schlange in Unruhe geraten. Sie streben eher auseinander, als sich dem jungen Spielmacher entgegenzustellen. Es scheint klar zu sein, dass das Genie seine Kontrahenten im nächsten Moment düpieren würde. Entweder indem er eine Torchance kreiert oder selbst abschließt.
Die schlichte Realität hinter dem vermeintlich magischen Moment
Doch weit gefehlt. Blogger Craig Robinson hat sich 2013 das Filmmaterial des Spiels einmal genau angeschaut und konnte so den vermeintlich brandgefährlichen Moment banalisieren (Link). Die Belgier sahen sich Maradona nicht im halben Dutzend ausgeliefert, es handelte sich schlicht und ergreifend um eine sich auflösende Mauer im Anschluss an einen Freistoß. Es lief die 50. Minute der Partie, als sich Maradona nach einem an ihm verübten Foul rund 25 Meter vor Belgiens Tor neben der Mauer in den freien Raum stellte. Anstelle den Ball aufs Tor zu bringen, bezog Osvaldo Ardiles (der argentinische Freistoßschütze) Maradona ins Spiel mit ein, indem er ihn flach anspielte. Während die Belgier sich ob des unerwarteten Spielzugs erst einmal neu sortieren mussten, drückte Fotograf Steve Powell im Moment der Ballannahme durch Maradona ab. Der Spielmacher stand mit dem Rücken zum Tor und chippte im nächsten Moment eine schlecht getimte Flanke nach innen, die Luc Millecamps problemlos entschärfen konnte. Die Gefahr war gebannt.
1986 nimmt es Maradona gegen England tatsächlich mit einer halben Mannschaft auf
Craig Robinsons Erkenntnisse haben zwischenzeitlich „Die Welt“ oder auch „11Freunde“ aufgegriffen. Nichtsdestotrotz hat der Schnappschuss von Steve Powell das idealtypisch festgehalten, was den Mythos Maradona ausmachte. Ein Genie, das es dank seiner außergewöhnlichen Fähigkeiten alleine mit einer halben Mannschaft aufnehmen konnte. Und vier Jahre später bewies er im WM-Viertelfinale von Mexiko tatsächlich, dass er es kann. Nach seinem dreisten 1:0 per Hand, düpierte er die englische Auswahl mit einem aberwitzigen Sololauf. Noch in der eigenen Hälfte schüttelte er drei Gegenspieler ab, nur um auf dem Weg zum vorentscheidenden 2:0 zwei weitere Kontrahenten und den Torwart aussteigen zu lassen. Nach dem Sieg über England sahen sich die Argentinier im Halbfinale erneut den Belgiern mit den erfahrenen Jean-Marie Pfaff, Eric Gerets und Jan Ceulemans sowie den jungen Nico Claesen, Enzo Scifo und Georges Grun gegenüber. Am Ende behielten die Südamerikaner die Oberhand, dank zwei Treffern von … Diego Armando Maradona!
Messi auf den Spuren Maradonas?
Ein nahezu identischer Sololauf wie Maradona 1986 gegen England sollte seinem Landsmann Lionel Messi 2007 in einem Pokalspiel gegen Getafe gelingen. Und Messi ist dank seiner Schnelligkeit und engen Ballführung natürlich auch derjenige, der sich heute am ehesten einer belgischen Armada gegenüber sehen könnte. Es müsste nur noch ein Fotograf im richtigen Moment abdrücken.