Insider im Gespräch über … Victor Obinna

Victor ObinnaAmaechi Ottiji, James Enuagwuna, Echendu Adiele, Leon Balogun. Die Liste nigerianischer Spieler beim altehrwürdigen Sportverein aus Darmstadt ist ziemlich schillernd. Seit heute darf sie um Victor Obinna ergänzt werden. Der 29-jährige Angreifer ist international erfahren, 46-facher Nationalspieler und kommt vom Zweitliga-Absteiger aus Duisburg. Wen könnte man da besser zum Lilien-Neuzugang befragen, als Trainer Baade, der mit seinem Blog (http://www.trainer-baade.de/) seit über zehn Jahren die Fußballfanszene bereichert, und dessen Herz für den MSV schlägt. 

Trainer Baade, Victor Obinnas Vita weist ihn als Wandervogel aus. Oft spielte er nur kurzzeitig bei Klubs in Italien, Spanien, England, Russland oder Deutschland. Er traf aber auch bei allen Stationen. Welcher Ruf eilte ihm voraus, als ihn Duisburg im September 2015 aus der Arbeitslosigkeit holte?
Hallo Matthias. Eigentlich war mir nichts über ihn bekannt. Hier las man lediglich, dass er vor seinem Wechsel seit einem Jahr bei Lokomotive Moskau auf der Tribüne gesessen habe. Dabei war allerdings nicht ganz klar, ob wegen seiner Verletzung oder weil er sich mit Verantwortlichen überworfen hatte. Gleichzeitig war er nun mal tatsächlich Nationalspieler und WM-Teilnehmer für Nigeria, bekanntlich ein starkes Fußball-Land mit 173 Millionen Menschen. Für Duisburg war das als damals beinahe schon feststehender Absteiger aus der 2. Bundesliga natürlich ein dicker Fisch, selbst wenn seine Länderspielzeit schon etwas zurücklag. Ob er damals als Diva galt oder als doch eher sozialtauglich, war den meist mit wenig Ausführlichkeit daherkommenden Berichten aber nicht zu entnehmen. Wahrscheinlich, weil auch die hiesigen Journalisten nicht mehr wussten als Wikipedia hergibt.

Duisburg 2015 und Darmstadt 2016 lassen sich vergleichen. Das Ziel lautet einzig und allein Klassenerhalt. Ist er dafür der geeignete Spielertyp?
Kommt ganz darauf an, wie man das erreichen will. Sollte Darmstadt so sehr zurückgezogen spielen wie in der letzten Saison, ist er bestimmt nicht ganz verkehrt mit einer gewissen Grundschnelligkeit. Als echten Konterspezialisten würde ich ihn allerdings nicht bezeichnen. Er spielt halt eine hängende Spitze und da wirst Du besser wissen als ich, ob Ihr so etwas in Euren Grundgedanken zur Herangehensweise überhaupt gebrauchen könnt.

Da sind wir selbst gespannt, welche Pläne Norbert Meier verfolgt. Wie hat er sich in Duisburg in den Kader integriert?
Von Problemen drang nichts nach draußen. Er hatte auch einen großen Vorteil: Kingsley Onuegbu im Duisburger Kader stammt nicht nur ebenfalls aus Nigeria, sondern spricht auch noch zufällig dieselbe Muttersprache wie Victor Obinna. In Nigeria werden schließlich über 200 Sprachen gesprochen. Da wird Obinna vermutlich gut Anschluss gefunden haben. Wie das in Darmstadt sein wird, weiß man natürlich nicht.
Als er verletzt war, nörgelte er nicht rum, sondern war stets mit Durchhalteparolen zu vernehmen, dass man den Klassenerhalt noch schaffen könne und er weiterhin guter Hoffnung sei, dass er seinen Teil dazu beitragen könne. Aber da ich nicht zum Training zuschauen gehe und auch kein Mäuschen in der Kabine bin, kann diese Einschätzung nur sehr an der Oberfläche bleiben.

Die von Dir erwähnte Verletzung erstreckte sich von November bis Februar. Auch deshalb kam er bei euch auf lediglich 16 Einsätze, in denen er je drei Tore erzielte und vorbereitete. Wie bewertest Du seine Leistungen bei euch?
Man merkte sofort bei seinen ersten Spielminuten, dass das Gerede um seine WM-Teilnahmen keine Reminiszenz eines längst verbrauchten Spielers an goldene Zeiten war. Er kam ins Spiel und war adhoc eine enorme Verbesserung, seine Ballsicherheit, sein Durchsetzungsvermögen und auch seine Gefahr im Abschluss waren ohne Zweifel zwei bis vielleicht drei Klassen besser als beim restlichen Kader. Durch seine Anwesenheit wertete er die Qualität des Duisburger Spiels enorm auf. Was aber wiederum auch daran lag, dass der restliche Duisburger Kader eben kaum zweitligatauglich war. In jedem Fall war es auffällig, wie wenig Mühe Obinna hatte, sich gegen Gegner auf Zweiliganiveau durchzusetzen und auch wie viel Selbstvertrauen er in diesen Szenen demonstrierte.

Was meinst Du, wirst Du dich in fünf Jahren noch sonderlich an ihn erinnern?
Puh, ehrlich gesagt eine schwierige Frage. Diese Saison jetzt, 2016/17, ist beinahe die erste seit gefühlt 1998, in der man mal mehr als die Hälfte des Kaders gehalten hat. Die Fluktuation im Kader des MSV Duisburg war stets enorm hoch und manchmal erwische ich mich selbst beim Studieren der Laufbahn dieses oder jenes Zweitligaspielers mit einem Fragezeichen über dem Kopf: „Der war auch mal in Meiderich?“
Falls die Frage aber eher darauf abzielt, dass seine Leistungen so weit gegenüber den anderen herausstachen: Das war sicher der Fall. Allerdings sind 16 Spiele eben doch arg wenig, um sich auch in fünf Jahren noch – intensiv – daran zu erinnern.
Wieso er dann doch in jedem Fall in Erinnerung bleiben wird, ist, weil er im letzten Spiel der Relegation in den Schlussminuten noch wegen Schiedsrichterbeleidigung die glatt Rote Karte sah – da war aber ohnehin schon alles verloren. Man könnte es durchaus positiv interpretieren, dass da eben viel Herzblut drin und der Frust groß war. Dennoch nicht unbedingt sehr professionell, aber mir wird diese Szene leider eher im Gedächtnis bleiben als die vielen – durchaus vorhandenen – sehr guten Torabschlüsse von Victor Obinna.

Aufgrund dieses Platzverweises wird er uns in den ersten Spielen leider nicht zur Verfügung stehen. Worin liegen seine Stärken?
Standards und Kopfbälle kann ich leider nicht beurteilen. Der MSV Duisburg hatte in der letzten Saison fast keine gefährlichen Freistoßsituationen (und in der gesamten Saison übrigens keinen einzigen Elfmeter für sich, wohl weil man so selten gefährlich im Strafraum war) und die Flanken kamen trotz Rolf Feltscher, der bekanntlich den SWAG aufdreht, so gut wie nie an.
Kämpferisch gab es nichts auszusetzen, technisch war er – wie oben erwähnt – deutlich besser als der Rest des Kaders. Und setzte sich auch immer wieder spielerisch durch, verstand sich sehr gut auf dem Platz mit Onuegbu und spielte durchaus auch mal eine vielbeinige Abwehr aus.

Was sollte er sich in Darmstadt am besten abgewöhnen?
Seine offenbar leichte Hitzigkeit beim Gemüt. Ansonsten war er weder für meinen Geschmack zu eigensinnig in seiner Spielweise noch bis auf jene oben erwähnte Szene in Konflikten mit Schiedsrichtern.

Traust Du ihm zu, in der Bundesliga zu bestehen und den Lilien weiterzuhelfen?
Schwierig zu sagen. Mit aktuell 29 Jahren ist er noch im besten Fußballeralter, aber zumindest in den letzten Monaten auch sehr verletzungsanfällig. Zudem war es stets das Knie, und wie noch jeder Physiotherapeut weiß: „Knie heilt nie“. Inwiefern er sich hat fitspritzen lassen, auch um irgendwo einen neuen Vertrag zu bekommen, wie akut seine Probleme noch sind, weiß ich natürlich nicht. Wenn er voll im Saft steht, traue ich ihm zumindest die Bundesliga bei Gegnern ab Rang 7 in jedem Fall zu. Und wollen wird er sicher unbedingt, an der Einstellung ließ er es bei seinen wenigen Auftritten nie vermissen.
Zum MSV Duisburg kam er jedenfalls in einer äußerst misslichen Lage, als das rettende Ufer schon sehr weit entfernt lag. Dass er sich damals für diesen Job beim Letzten der Zweiten Liga nicht zu schade war, spricht sicher für ihn. Vielleicht hat man ihn dann ein wenig mit Erwartungen aufgrund seiner Vita überfrachtet, ein Mann alleine kann eben den Abstieg nicht verhindern. Einer solchen Überfrachtung Victor Obinnas sollte das Darmstädter Umfeld es eher nicht gleichtun, dann kann man durchaus mehr als nur die eine oder andere gute Szene von ihm erwarten.

Trainer  Baade, herzlichen Dank. Nun bin ich ein gutes Stück schlauer!
Gerne!

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