Spieltag 23 (#svwd98): „Aufgeben is‘ nicht, Ärmel hoch und durch.“

screenhunter_64-feb-26-20-41Werder empfängt die Lilien. Während die Hanseaten im Aufwind sind und ihre Siegesserie ausbauen wollen, klammern sich die 12-Punkte-Lilien an den  allerletzten Strohhalm … oder ist nicht doch schon alles verloren?!? SVW-Anhänger Jens spricht mit mir im Laufe meines Vorberichts über Werder und über Torsten Frings.

So sieht’s aus:

Wie heißt es nochmal? „It ain’t over till the fat lady sings.“ Blöd nur, wenn die gute Dame überaus schief und überhaupt nicht erfolgreich vorträgt. So wird das Warten auf das (Saison)Ende zur zähen Angelegenheit. Womit wir schon bei der aktuellen Situation der Lilien wären. Legt der SVD nicht noch eine Aufholjagd hin, die die Bundesliga noch nicht gesehen hat, dann war es das mit dem Klassenerhalt. Klar, rechnerisch ist noch alles möglich, aber das wäre nach 22 Spieltagen ja noch schöner.

Bei der 1:2-Heimniederlage gegen den FC Augsburg trat jedenfalls die ganze Misere des SVD zutage. Da kreuzt ein Team auf, das man vermeintlich schlagen kann, das sich aber darauf verlegt hinten nichts anbrennen zu lassen. Schwups, schon stoßen die 98er an ihre Grenzen. Das Aufbauspiel verlief zu statisch, fehlerhaft und unkonzentriert. Kreative Lösungen fehlten völlig und Antonio Colak sowie später Terrence Boyd waren im Sturmzentrum abgemeldet.

Selbst die etwas überraschende Führung spielte den Lilien nicht in die Karten. Nur wenige Minuten später zeigten sie beeindruckend, wie humorlos man einen Vorteil wegwerfen kann. Alexander Milosevic ließ Dominik Kohr im Strafraum überhaupt keine Chance auf den Beinen zu bleiben. Und natürlich musste es noch schlimmer kommen. Die Gäste, die es streng genommen gar nicht aufs Gewinnen angelegt hatten, trafen kurz vor Schluss zum 2:1. Torschütze Raul Bobadilla zeigte zugleich mit seiner einzig klaren Chance, woran es den 98ern obendrein mangelt: an einem Goalgetter.

So bleibt den Lilien wenig mehr als „Glauben, glauben, glauben. Arbeiten, arbeiten, arbeiten“, wie Hamit Altintop nach dem Spiel sagte. Die Blau-Weißen tun gut daran, die Tabelle für einige Zeit zur Seite zu legen. Einfach nur den nächsten Gegner bespielen und beackern. Versuchen das Optimum rauszuholen und individuelle Fehler in der Defensive zu vermeiden. Wenn sich auf diese Weise Punkte sammeln lassen, fein! Dann kann man irgendwann wieder die Tabelle rausholen und anfangen zu rechnen. Und warum nicht gleich in Bremen anfangen mit dem Freibeuter-Ansatz? Werder wird zuhause nach vorne spielen, wodurch sich Räume für ein schnelles Umschaltspiel ergeben. Diese sollten die Lilien nutzen und hinten möglichst kompakt auftreten. Und wer, wenn nicht Torsten Frings sollte wissen, wie die Bremer Elf tickt, die er noch zu Saisonbeginn mittrainieren durfte.


Die aktuelle Prise Lilien-Podcast:

In unserer Aufnahme von Montag waren wir angesichts des letzten Spieltags und der aktuellen Tabellensituation etwas ernüchtert unterwegs. Auch beim Tippen für das Werder-Spiel dominierte zunächst die Skepsis. Obwohl, dann recherchierte Daniel, dass die letzte Bundesliga-Niederlage gegen Werder aus dem Jahr 1978 datiert und Kai setzte – aus Mexiko zugeschaltet – prompt auf einen Auswärtssieg. KLICK


Der Kontrahent hat das Wort:

Jens (KLICK) ist Reporter, steht auf Gitarrenmusik und ist … na klar … langjähriger Werder-Fan.

Jens, zwei Siege infolge und dann auch noch auswärts mit nur einem Gegentor. Zuvor gab es vier Niederlagen nacheinander. Warum lief es in den letzten beiden Spielen so gut?
Eigentlich lief es ja nur in Mainz beim 2:0 aus Werder-Sicht richtig gut. In Wolfsburg kam der 2:1-Sieg eher durch viel Glück zustande und die Unfähigkeit des Gegners, aus viel auch viel zu machen. Aber egal, die Punkte sind im Sack und ja, zwei Auswärtssiege hintereinander, das sieht schon gut aus und fühlt sich genauso gut an. Warum das geklappt hat? Der fußballerische Aufwärtstrend war ja mit Ausnahme der schwachen Vorstellung gegen Mönchengladbach schon seit vor der Winterpause festzustellen, es gab aber viel zu wenig Zählbares. Jetzt scheint die Mannschaft endlich gefestigt und selbstbewusst genug zu sein, ihre Linie wirklich durchzuziehen und daran zu glauben, Spiele wirklich gewinnen zu können. Wie wichtig der Kopf beim Fußball ist, darüber müssen wir wohl nicht diskutieren. Und im Kopf ging bei Werder in den entscheidenden Momenten zu oft etwas schief. Ich habe Hoffnung, dass sich das jetzt nachhaltig geändert hat.

Traust Du Alexander Nouri zu, Werder erfolgreich durch den Abstiegskampf zu führen?
Eindeutig: ja. Auch ohne grün-weiße Brille sollte festzustellen sein, dass Werder gut genug Fußball spielen kann, um den Abstieg und auch die Relegation zu vermeiden. Sagen wir es mal so, in den ersten Saisonspielen unter Skripnik hat sich dieser Eindruck viel weniger aufgedrängt. Nouri hat an einigen Schrauben gedreht und setzt mit seinen Leuten nach und nach immer mehr eine Spielidee um, die seine Handschrift erkennen lässt. Außerdem hat er es trotz seiner Unerfahrenheit in der Bundesliga schon mehrfach geschafft, sich von schwierigen Situationen nicht kirre machen zu lassen. Am Ende wird Werder mit ihm und dank ihm in der ersten Liga bleiben.

Welche Spieler sind im Abstiegskampf unverzichtbar?
Da hätte ich vor ein paar Wochen nicht im Traum dran gedacht, dass ich das schreiben würde, aber Felix Wiedwald könnte zu einem dieser Spieler werden. Er hatte es wirklich nicht leicht in dieser Saison, aber vor kurzem ist er in einer persönlich besonders schwierigen Lage wieder ins Tor gekommen und hat seine Sache in Mainz und Wolfsburg richtig, richtig gut gemacht. Das gibt der ganzen Mannschaft mehr Sicherheit und kann dafür sorgen, dass es, wie vorhin schon angesprochen, im Kopf nicht mehr so oft in die falsche Richtung Klick macht. Wenn es so weiterläuft, kann er ein echter Rückhalt sein im letzten Saisondrittel. Bei Thomas Delaney hat es nur ein paar Spiele gebraucht, um einer der Fixpunkte der Mannschaft zu werden. Gegen Darmstadt ist er hoffentlich wieder dabei, der Junge kann nämlich richtig gut kicken und notfalls auch mal ein paar Quadratmeter Platz umgraben. Um noch einen dritten Namen zu nennen: Die Tore und die genialen Momente von Serge Gnabry schaden ebenfalls nicht. Übrigens hätte ich jetzt auch gut Argumente finden können, um über Kruse, Fritz und Pizarro zu schreiben, aber belassen wir es dabei.

Am Samstag kommt mit Darmstadt das abgeschlagene Schlusslicht. Selbstläufer oder undankbar?
Ganz schwer zu sagen. Wenn Werder schnell den Dosenöffner findet, also ein frühes Tor schießt, traue ich der Mannschaft zu, sich mal so richtig freizuspielen und die drei Punkte möglicherweise locker nach Hause zu schaukeln. Wäre mal ganz angenehm, ein Spiel ohne Herzkasper hatten wir länger nicht. Andererseits ist Darmstadt zuzutrauen, Werder das Leben ganz schwer zu machen durch eine sehr kompakte Defensive, an der sich Bremen mit großer Mühe abarbeiten muss. Der Sieg gegen Dortmund hat ja außerdem in der jüngeren Vergangenheit gezeigt, zu was die Lilien in der Lage sind. Wenn du mir die Pistole auf die Brust setzt und unbedingt eine Prognose willst: Arbeitsheimsieg. Wenn ich aber weiter etwas grübeln darf, halte ich zwischen 4:0 und 2:3 so ziemlich alles für möglich.

Beide Teams müssen gewinnen. Wer wird eher verkrampfen?
Das Zeug dazu sehe ich trotz der oben erwähnten Sicherheit eher bei Werder. Die letzten Jahre zeigen in Sachen Zweckpessimismus eben doch Wirkung. Darmstadt ist aus meiner Sicht inzwischen schon fast in einer Nix-zu-verlieren-Situation. Dazu geht’s auswärts in ein Stadion, das zuletzt nicht unbedingt einen Ruf als echte Festung hatte. Wenn die Darmstädter die Bremer lange beschäftigen können und sich ein ausgeglichenes Spiel entwickelt, dürfte der Druck auf Bremer Seite zumindest im Laufe dieses Spiels eher zunehmen.

Was hast Du gedacht, als die Lilien im Winter Torsten Frings als Coach aus dem Hut zauberten?
Ganz ehrlich? „Warum tut er sich so ein Himmelfahrtskommando an?“ Außerdem fand ich die Vorstellung wenig erbaulich, den Lutscher in Klamotten am Spielfeldrand zu sehen, die nicht das W auf der Brust haben. Andererseits hat’s mich für ihn aber auch gefreut, dass ihm ein Verein diesen Job zutraut. Und es beeindruckt mich, dass er selbst so eine megaschwierige Situation als Chance begreift, in der Branche voranzukommen. Passt zu seiner Art auf dem Platz: Aufgeben is‘ nicht, Ärmel hoch und durch.

Wie ist Dein erster Eindruck seiner Arbeit aus der Ferne?
Was den Fußball direkt angeht, glaube ich, dass Darmstadt mit ihm das Erhoffte bekommen hat: Einen, der Klartext redet und in einer, Entschuldigung, beschissenen sportlichen Situation motivierend vorangeht.

Was hat eigentlich László Kleinheisler verbrochen, dass er unter Skripnik und Frings bei Werder nicht so recht zum Zug kam und kaum ist Frings bei den Lilien, wird er weggeschickt?
Mich wundert’s auch, dass Kleinheisler es nicht schafft, irgendwo mal anständig Fuß zu fassen. Nach der EM im vergangenen Sommer hatten wir hier in Bremen ja wirklich die Hoffnung, der Junge könnte seine echt guten Leistungen für die Nationalmannschaft auch bei Werder zeigen. Aber da kam dann in der Saisonvorbereitung doch recht wenig und weg war er. In Darmstadt hatte ich ihm zugetraut, positiv aufzufallen in einer technisch eher limitierten Mannschaft, aber auch das hat nicht richtig geklappt. Darüber hinaus wüsste ich nicht, dass er was verbrochen hat. Im Gegenteil, er war einfach immer ein bisschen zu unauffällig.

Frings hat einen Vertrag über das Saisonende hinaus. Traust Du ihm angesichts der überschaubaren Mittel in Darmstadt zu, mittelfristig etwas aufzubauen?
Wenn ihm die nötige Zeit gelassen wird, würde ich das zumindest nicht ausschließen. Ich denke schon, dass er jemand ist, der auch ohne viele Millionen klarkommt und es bei einem bodenständigen Verein wie Darmstadt gut aushält – ohne Laptop-Trainer-Allüren und feinen Zwirn. Es ist allerdings schwer, fundierte Prognosen abzugeben, der Posten des Cheftrainers ist ja noch ziemlich neu für ihn. Freuen würde es mich auf jeden Fall, wenn er ordentlich was auf die Reihe kriegt.

Zurück zu Werder. In den letzten vier Jahren kassierte der Klub immer mehr als 60 Gegentore. Auch in diesem Jahr könnte es wieder dazu kommen. Die wirklich namhaften Transfers finden aber weiterhin überwiegend vorne statt. Warum?
Weil wir hier an der Weser Tradition zu schätzen wissen. Aber Spaß beiseite. Ich bin kein Sportdirektor und auch nicht ständig bei transfermarkt.de unterwegs, aber ich habe den Eindruck, dass der Markt nicht gerade überbordend viele Verteidiger hergibt, die sicher eine Verstärkung sind und dazu auch noch bezahlbar für Werder. Davon abgesehen muss ich aber sagen, dass sich Sané und Moisander in Zukunft noch zu einem sehr vernünftigen Innenverteidigerduo entwickeln könnten. Einige Schritte in die richtige Richtung haben sie ja schon gemacht. Und dann wären die Transfers der beiden doch im Rückblick sehr gut gewesen, wenn auch nicht „namhaft“ zum Zeitpunkt ihrer Vollstreckung. Übrigens: Im Sommer kommt ja eine potentielle Rakete für den linken Außenverteidigerposten. Der Wechsel von Ludwig Augustinsson vom FC Kopenhagen ist schon klar. Kein Riesenname (noch nicht), aber von dem schwärmen so viele Leute, nicht zuletzt sein ehemaliger und zukünftiger Teamkollege Thomas Delaney; der kann nur gut sein.

Jens, besten Dank für Deine Ausführungen.
Eins liegt mir noch am Herzen. Abgesehen vom Spiel am Samstag wünsche ich dem SV Darmstadt alles Gute für die Zukunft! Der Klub hat frischen Wind und damit auch einen angenehm nostalgisch-morschen Geruch in die erste Liga gebracht. Das hat mir bisher sehr gut gefallen. Falls der Abstieg wirklich nicht mehr zu vermeiden sein sollte, klopft doch bitte in naher Zukunft ruhig wieder oben an!

Na dann sage ich sehr gerne: Auf bald!


An diesem Wochenende vor vier Jahren:

Kam der Hallesche FC in der 3. Liga ans Böllenfalltor. Nachdem Lilien-Neuzugang Aytac Sulu seine Kopfballstärke zur Führung nutzte, spielte der SVD eine überzeugende erste Hälfte. Leider fehlte das 2:0, sodass die Gäste nach der Halbzeit aufwachten und durch Fortuna Düsseldorf-Leihgabe Timo Furuholm ausglichen. Selbst nach einem Platzverweis für Stefan Hickl wollten die Lilien das 2:1 erzwingen, doch Halle hielt dagegen und traf in der Nachspielzeit zum Siegtreffer. Die 98er hingen weiterhin auf dem vorletzten Tabellenplatz fest.

Das Lilien-Team vom 1:2 gegen den Halleschen FC:
Zimmermann – Hickl, Islamoglu, Sulu [TOR], Stegmayer – Latza, Behrens (71. Da Costa), Zielinsky, Baier, Zimmerman – Borg
Zuschauer: 4.700

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