Insider im Gespräch über … Marvin Mehlem (#6)

Setzten die Lilien in den letzten Jahren primär auf erfahrene Spieler, die anderswo nicht mehr gewollt waren, so scheinen sie unter Torsten Frings verstärkt nach jüngeren Spielern Ausschau zu halten. Mit Marvin Mehlem wechselt ein 19-jähriges Talent vom Karlsruher SC nach Darmstadt. Jörn arbeitet für den FC St. Pauli, stammt aber aus Karlsruhe und verfolgt den Klub bis heute intensiv. Er kann deshalb einiges zum jüngsten Neuzugang der 98er erzählen.

Jörn, Youngster Marvin Mehlem kommt mit der Empfehlung von acht Zweitligapartien ans Böllenfalltor. Das hört sich nach Perspektivspieler an, oder?
Generell würde ich sagen, dass man mit 19 Jahren immer Perspektivspieler ist, wenn man nicht gerade Dembelé oder Götze heißt. In einem Punkt muss ich dich aber gleich mal korrigieren. Marvin hat schon elf Zweitligaeinsätze. Markus Kauczinski hat ihn erstmals mit 17 Jahren ins kalte Zweitligawasser geschmissen. Das war am ersten Spieltag der Saison 2015/16. Marvin schnuppert also schon länger Profiluft. Bereits mit 16 sollte er mit ins Trainingslager, wurde aber von einer Verletzung gestoppt. Von daher: Herzlichen Glückwunsch zu einem talentierten, jungen Spieler mit viel Potential.

Dass er den KSC verlässt und es bei einem Erstligaabsteiger versucht, dürfte nicht nur für sein Potential, sondern auch für seinen Ehrgeiz sprechen. In Karlsruhe wäre er doch sicher auf seine Einsatzzeiten gekommen.
Definitiv! Beim KSC ist es ja mittlerweile fast schon normal, dass alle ein, zwei Jahre Spieler aus dem eigenen Nachwuchs in den Profikader vorstoßen und sehr schnell Einsatzzeiten bekommen. Ich erinnere da nur an Hakan Calhanoglu, Kevin Akpoguma, Boubacar Barry oder Lars Stindl. Marvin hatte man den Durchbruch auch zugetraut, sonst wäre er nicht so früh in den Fokus gerückt. Nach elf Jahren im Verein ist es bitter, dass mit ihm ein gebürtiger Karlsruher den Verein verlässt. Aber aufgrund der letzten Saison war das absehbar. Leider.

Letzten Sommer war Mehlem noch Mitglied der U19-Nationalelf, die sich für die diesjährige U20-WM qualifizierte. Weißt Du, warum er nicht mehr für die WM nominiert wurde. Spielte da etwa der Diskobesuch von Mitte März mit rein, weswegen er ein komplettes Training verschlief?
Ich denke, dass man sich zu diesem Thema nicht zu weit aus dem Fenster lehnen sollte. Welche Gründe letztlich ausschlaggebend waren, müssen die Beteiligten unter sich ausmachen. Fakt ist: Für Marvin ist die letzte Saison sehr unglücklich gelaufen. Erst war Tomas Oral auf der Trainerbank, der ihn erst mal in die Muckibude geschickt hat – keine Chance auf Einsätze. Interimscoach Lukas Kwasniok hat ihn dann sofort eingesetzt. In beiden Einsätzen hat er eigentlich einen guten Eindruck gemacht und genau das war in der katastrophalen Rückrunde das Problem für den Jungen. Das Umfeld hat ihn im Abstiegskampf gefordert, Mirko Slomka hat ihn gebracht. Aber jetzt mal ehrlich: Wie soll ein 19-Jähriger bitte den Karren alleine aus dem Dreck ziehen? Das kann nicht funktionieren.
Die Sache mit dem Diskobesuch kam nur ans Licht, weil Sportchef Oliver Kreuzer das Team kurz vor Saisonende öffentlich angezählt hat. Ich glaube nicht, dass ein junger Spieler, der gerade mal auf 383 Einsatzminuten kam, in der abgelaufenen Saison das größte Problem beim KSC war. Allerdings ist auch klar, dass nach so einem Vorfall das Verhältnis zwischen sportlicher Führung und Spieler nicht mehr bestens gewesen sein dürfte.

Du sprachst von den großen Hoffnungen, die beim KSC auf ihm lasteten. Was konkret machte ihn im Spiel so besonders, oder anders gefragt: Was hatte er seinen wesentlich älteren Teamkollegen voraus?
Die Hoffnungen und Erwartungen waren eher auf den Wunschgedanken bezogen, dass wieder ein Topspieler aus den eigenen Reihen in den Startlöchern stehen könnte. Marvin war da sicher ein stückweit Projektionsfläche. Nichtsdestotrotz war er mit seiner Dynamik und seinem Spielwitz in den U-Mannschaften schon herausstechend. Ohne seine Passsicherheit und sein Spielverständnis, wäre er jedenfalls nicht so früh zu den Profis gestoßen. Wenn er das im Profibereich beibehält und physisch zulegt, werden die Lilien große Freude an ihm haben.

Auf welchen Positionen siehst Du ihn dann am besten aufgehoben?
Zentral hinter den Spitzen, er kann aber auch auf den Flügeln agieren.

Die Lilien verlassen haben in diesem Sommer bislang unter anderem die Mittelfeldspieler Marcel Heller, Mario Vrancic und Jerome Gondorf, auch er ein gebürtiger Karlsuher. Ähnelt er einem dieser Spieler?
Puh, ich kenne den Darmstädter Kader zu wenig. Also ein Flitzer wie Heller ist er nicht. Aber Bälle kann er ganz gut verteilen. 🙂

Wie viele Einsätze traust Du ihm bei den Lilien zu?
Schwer zu sagen, dazu kenne ich die Konkurrenzsituation in Eurem Kader zu wenig. Aber wenn Torsten Frings ihm das Vertrauen entgegenbringt, das er in seinem Alter sicher noch braucht, kann er seine acht Einsätze aus dem letzten Jahr sicher toppen. Es ist auch nicht so schlecht, dass das Umfeld alles in allem ein bisschen ruhiger ist als zuletzt in Karlsruhe. Von daher würde es mich auch nicht wundern, wenn Marvin plötzlich auf 30 Einsätze kommen würde. Ich lasse mich überraschen.

Mit Florian Stritzel kennt Marvin Mehlem schon einen Spieler bei den Lilien, der vor wenigen Wochen als mutmaßlich dritter Torwart ebenfalls vom KSC ans Bölle kam. Kannst Du noch etwas zu dem Keeper sagen, der beim HSV ausgebildet wurde?
Nicht wirklich. Florian hat sich laut den offiziellen Aussagen zwar immer weiterentwickelt, aber er hat Rene Vollath und Dirk Orlishausen nie ernsthaft Konkurrenz machen können.

Jörn, herzlichen Dank für Deine Einschätzungen.

2 Gedanken zu “Insider im Gespräch über … Marvin Mehlem (#6)

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