Seit der Saison 2004/05 vergibt der DFB an die drei herausragenden Nationalspieler der U17-, U18- und U19-Jahrgänge die Fritz-Walter-Medaille in Gold, Silber und Bronze. Ein Blick auf die Preisträger verrät, dass viele die Vorschusslorbeeren in eine erfolgreiche Profi-Karriere ummünzen konnten. 15 von ihnen brachten es sogar schon zu A-Nationalspielern. Andere wiederum sind wohl nur Insidern bekannt, oder kennt jemand Sergej Evljuskin?
12. Oktober 2005, Hamburg, AOL-Arena: Florian Müller (U19), Marc-André Kruska (U18) und Sergej Evljuskin (U17) erhalten die erstmals vergebene Fritz-Walter-Medaille in Gold. Eine Jury aus DFB-Trainern und Mitgliedern des DFB-Jugendausschusses sprach den Dreien die Ehrung zu, da sie „mit spielerischen wie menschlichen Qualitäten in vollem Maße (…) auf und außerhalb des Platzes“ überzeugten. Sechs Jahre später stehen die drei ersten Gold-Preisträger bei Profivereinen unter Vertrag, ohne jedoch den Sprung nach ganz oben geschafft zu haben. Müller ist über Bayern München und den 1. FC Magdeburg vor drei Jahren zum Zweitligisten Alemannia Aachen gestoßen. Zwei Kreuzbandrisse später kämpft er derzeit um die Fortsetzung seiner Karriere. Kruska hatte zum Zeitpunkt der Ehrung bereits 18 Bundesligaeinsätze für Borussia Dortmund auf dem Konto. 79 weitere sollten folgen, ehe er sich 2009 beim FC Brügge einen neuen Schub für seine ins Stocken geratene Karriere erhoffte. Heute ist er der Kapitän des Zweitligisten Energie Cottbus. Evljuskin hingegen verdient sein Geld nun beim SV Babelsberg 03 in der Dritten Liga. Da er bei den Profis des VfL Wolfsburg keine Chance erhielt, wechselte er zu Hansa Rostock in die 3. Liga. Nachdem die Hansakogge im Sommer aufstieg, wechselte er auf Leihbasis nach Babelsberg.
Evljuskin und Götze: Zwei Seiten der Medaille
Der bald 24-jährige Evljuskin ist zwar Profifußballer geworden, was jedoch möglich gewesen wäre, zeigt Mario Götze. Er ist neben Evljuskin der einzige Spieler mit zwei goldenen Fritz-Walter-Medaillen. Beide erhielten sie sowohl als U17-, wie auch als U18-Auswahlspieler. Während Evljuskin heute auf gerade einmal 30 Einsätze in der 3. Liga verweisen kann, kennt der Aufstieg des immer noch erst 19-jährigen Götze kein Stoppschild. Der 51-malige Bundesligaspieler darf sich bereits Deutscher Meister nennen und gilt als fester Bestandteil des deutschen Nationalteams. http://www.transfermarkt.de beziffert den Marktwert des Shootingstars auf 30 Millionen Euro. Evljuskin steht bei 150.000. Die beiden bilden gewissermaßen die Gegenpole der Goldmedailleninhaber.

Überblick über alle Träger der Fritz-Walter-Medaille (zum Zeitpunkt der Verleihung stand der Spieler bei dem Verein unter Vertrag, der zuerst genannt wird, der zweite ist der aktuelle)
Nahezu alle Geehrten schaffen den Sprung in den Profifußball
Doch wie verliefen die Karrieren der anderen Geehrten? Das Ergebnis ist überaus bemerkenswert! Ein Fritz-Walter-Preisträger landet so gut wie sicher in den ersten drei deutschen Ligen und damit im Profifußball. Seit 2005 gab es 54 verschiedene Preisträger. Von ihnen spielen aktuell 24 in der Bundesliga, bzw. der italienischen Serie A, 17 in der 2. Liga und vier in der 3. Liga. Lässt man – aufgrund ihres jungen Alters – die Ausgezeichneten der letzten beiden U17-Jahrgänge außer Acht, so spielen derzeit nur vier Preisträger (Robert Fleßers, Wuppertaler SV; Lennart Hartmann, Alemannia Aachen II; Manuel Gulde, Hoffenheim II und Sören Bertram, Hamburger SV II) unterklassig. Aber auch diese vier haben zusammen bereits 21 mal Bundesligaluft geschnuppert. Insgesamt kommen alle Fritz-Walter-Medailleninhaber auf 1.968 Einsätze in verschiedenen 1. Ligen, 990 in der 2. Liga und 614 Partien in der 3. Liga. Die Geehrten der U19-Preisträger bringen es absolut gesehen auf die meisten Erstligaeinsätze: 1.061 (im Schnitt 50). Allerdings haben es bis heute sieben der 21 Geehrten nicht in eine 1. Liga geschafft, was wiederum prozentual einen Minuswert unter den drei Jahrgängen bedeutet. Die U18-Medaillenträger spielten 818 Mal erstklassig, die der U17 immerhin schon 504 mal (im Schnitt 33, ohne die beiden zuletzt geehrten U17-Jahrgänge).
Die Top-Ausbildervereine
Ein hehres Prinzip der Fritz-Walter-Medaillenvergabe ist es, dass sämtliche Ausbildungsvereine eines Geehrten am Preisgeld partizipieren. Damit sollen alle Klubs eines Ausgezeichneten gewürdigt werden und nicht nur der aktuelle. Im Ausland kickende Junioren bekamen übrigens noch nie die Fritz-Walter-Medaille, wobei doch gerade bei englischen Vereinen immer wieder deutsche Auswahlspieler ihre Ausbildung genießen. Zum Zeitpunkt der Verleihung spielten die meisten Medaillengewinner bei 1860 München. Alle sechs Preisträger (Lars und Sven Bender, Peniel Mlapa, Kevin Volland, Florian Jungwirth und Alexander Eberlein) durchliefen viele Jahre die Jugend der „Sechzger“, so dass den „Löwen“ tatsächlich ein großer Verdienst an der Ehrung gebührt. Bayer Leverkusen und der VfB Stuttgart brachten fünf Medaillengewinner hervor, Hertha BSC und Borussia Mönchengladbach vier. Die Bundesliga-Schwergewichte Dortmund, Bayern und Schalke stellten jeweils drei erfolgreiche Junioren.
Nationalspieler und WM-Fahrer
Der schillerndste Preisträger ist sicherlich Kevin-Prince Boateng. 2005 erhielt er die Bronzemedaille des U18-Jahrgangs, ein Jahr später die Goldmedaille des U19-Jahrgangs. Mittlerweile kann der 24-jährige auf 121 Erstligaeinsätze für Hertha BSC, Borussia Dortmund, Tottenham Hotspur, den FC Portsmouth und den AC Milan zurückblicken. In der vergangenen Saison sicherte er sich mit Milan die italienische Meisterschaft, 2008 den League Cup mit Tottenham und 2010 stand er mit Portsmouth im FA-Cup-Finale. Desweiteren zieren neun A-Länderspiele, davon vier bei der WM 2010, seine Bilanz. Diese absolvierte er allerdings nicht für den DFB, sondern für das Geburtsland seines Vaters, Ghana. Neben Boateng haben drei weitere Fritz-Walter-Medaillenträger dem DFB den Rücken gekehrt. Eric-Maxim Choupo-Moting (FSV Mainz 05) spielt nun für Kamerun, darunter zweimal bei der letztjährigen WM. Sebastian Tyrala (SpVgg Greuther Fürth) und Eugen Polanski (FSV Mainz 05) absolvierten bereits die ersten Einsätze für ihr Geburtsland Polen. Gut möglich, dass sich weitere Medaillenträger entschließen für andere Nationalverbände aufzulaufen, schließlich haben ein Drittel aller Medaillenträger einen Migrations- oder Aussiedlerhintergrund.
Mit Lewis Holtby (Schalke 04), Jerome Boateng (FC Bayern München) und Marko Marin (Werder Bremen) schafften drei von ihnen den Sprung zu Jogi Löw. Die beiden Letztgenannten absolvierten bereits 19, bzw. 16 Einsätze für die A-Elf, darunter auch bei der WM 2010. Weitere Fritz-Walter-Preisträger, die bereits im A-Team mitwirkten, sind Manuel Neuer (Bayern München), Sven Bender (Borussia Dortmund), Lars Bender (Bayer Leverkusen), Stefan Reinartz (Bayer Leverkusen), Benedikt Höwedes (Schalke 04), Toni Kroos (Bayern München), Andre Schürrle (Bayer Leverkusen) sowie die bereits erwähnten Götze und Holtby. Sechs Ausgezeichnete (Kevin-Prince und Jerome Boateng, Eric-Maxim Choupo-Moting, Manuel Neuer, Toni Kroos, Marko Marin) schafften es gar zur WM in Südafrika.
Die Übersehenen?
Bei den Geehrten fällt auf, dass einige Profis, die sich mittlerweile einen großen Namen gemacht haben, fehlen. Dies liegt überwiegend daran, dass sie zum Zeitpunkt der Wahl nicht, oder nur unregelmäßiger Bestandteil der jeweiligen U-Nationalmannschaft waren. Zu den „Übersehenen“ zählen Sami Khedira (Real Madrid), Gonzalo Castro (Bayer Leverkusen) und Andreas Beck (1899 Hoffenheim), die in den selben Jahrgang fallen wie Kevin-Prince Boateng. Mats Hummels (Borussia Dortmund) und Mesut Özil (Real Madrid) sucht man ebenfalls vergebens, was aus heutiger Sicht bei den eher namenlosen Geehrten (z.B. José-Alex Ikeng – heute FC Ingolstadt 04, Alexander Eberlein – heute Wacker Burghausen oder Manuel Konrad – heute FSV Frankfurt) des 1988er-Jahrgangs verwundert. Auch die Nationalspieler Holger Badstuber, Thomas Müller (beide Bayern München), Marco Reus (Borussia M’gladbach) oder Ron-Robert Zieler (Hannover 96) fehlen. Allerdings hatten sie es mit dem starken U19-Europameisterjahrgang um Marcel Risse (FSV Mainz 05), Stefan Reinartz, Sven und Lars Bender zu tun. Mit Alexander Merkel (CFC Genua) und Bernd Leno (Bayer Leverkusen) fehlen aktuell herausragende Junioren, die zuletzt in der Serie A bzw. der Bundesliga für Furore sorgten. Mit Mario Götze und Marc-André Ter Stegen (Borussia M’gladbach) aus dem U17-Europameisterteam hatten sie allerdings ebenfalls äußerst starke Konkurrenz.
Starke Nachwuchsarbeit
Dass so viele A-Nationalspieler zu Juniorenzeiten noch nicht zur Spitze ihres Jahrgangs zählten, darf weniger als lückenhafte Nachwuchsförderung gewertet werden. Im Gegenteil, es darf als Nachweis für eine mittlerweile starke Nachwuchsarbeit des DFB und der Vereine gelten. Der deutsche Fußball produzierte im letzten Jahrzehnt eine bis dato nicht gekannte Masse an hervorragenden Junioren, mit den Fritz-Walter-Preisträgern als Spitze des Eisbergs. Und sie enttäuschten die in sie gesetzten Erwartungen nicht. Zum heutigen Zeitpunkt 146 A-Länderspiele, die sich auf 15 Ausgezeichnete verteilen, und 37 Geehrte mit nahezu 2.000 Erstligaeinsätzen in Deutschland, England, Spanien, Italien und Belgien belegen dies. Das Gros der Fritz-Walter-Medaillenträger verdient sich somit das Prädikat: „Besonders wertvoll“!
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