Seit Oktober tummelt sich der SC Paderborn 07 putzmunter unter den Top 5 der 2. Bundesliga. Zwischen Eintracht Frankfurt, dem FC St. Pauli, Fortuna Düsseldorf und der SpVgg. Greuther Fürth wirkt der Underdog allerdings wie ein Fremdkörper. Ich habe mich bisher hartnäckig geweigert Paderborn als Spitzenteam anzuerkennen. Irgendwann wird diese Ansammlung an namenlosen Kickern doch wohl einbrechen. Doch weit gefehlt, mittlerweile fertigen sie ihre Gegner sogar ab. Nun befasse ich mich also doch mit dem Paderborner Fußball! Ein Thema, das mich schnurstracks zurück ins Jahr 1983 führt.
Denn hier setzen meine frühesten Fußballerinnerungen ein, die eng mit der ostwestfälischen Stadt verbunden sind. Als kleiner ABC-Schütze fokussiert sich meine Begeisterung 1983 noch stark auf den Ball am Fuß und nicht so sehr auf den im TV. Dennoch bleibe ich zunehmend häufiger samstags vor der Mattscheibe kleben. Die ARD-Sportschau flimmert in die gute Stube. Nach einigen Kurzberichten aus der 1. Bundesliga kommt auch die 2. Bundesliga zu ihrem Recht und so folgt nach einem knappen Ergebnisdienst die Tabelle. Und hier werde ich hellhörig: In schöner Regelmäßigkeit ziert ein Verein das Tabellenende, der auf den tollen Namen „TuS Schloß Neuhaus“ hört. Was für ein Name! Er fasziniert mich vom Fleck weg, denn unter einem Schloß kann ich mir etwas vorstellen, unter Solingen, Kassel oder Uerdingen nichts. Der Verein hat es mir also angetan. Was mich allerdings irritiert: Wieso der Verein mit einem solch starken und mächtigen Namen ständig verliert. Irgendetwas geht da gehörig schief. Woche für Woche kann ich sicher sein, dass der TuS erst ganz am Ende der Tabelle auftaucht. So kam was kommen musste: Nach dem 38. Spieltag erscheint TuS Schloß Neuhaus letztmals auf dem Bildschirm. Mit fast 100 Gegentoren und nur sieben Siegen verschwindet der Verein mit dem leicht zu merkenden Namen für immer aus meinem Blickfeld. Erst viel später erfahre ich, wo sich „Schloß Neuhaus“ überhaupt befindet; in einem Stadtteil von Paderborn.
Paderborn bündelt seine Kräfte für den Profifußball
Heute stolpere ich über den Klub nur noch in der ewigen Tabelle der 2. Bundesliga. Hier muss man sich allerdings bis Platz 114 von 121 Teams gedulden, erst dann wird man fündig. TuS Schloß Neuhaus war 1973 aus der Fusion zweier Paderborner Vereine entstanden, verschwand allerdings 1985 schon wieder aus dem Vereinsregister, da er dann mit einem weiteren Paderborner Klub verschmolz. Der daraus hervorgegangene Nachfolgeklub hört seit 1997 auf den Namen SC Paderborn 07. Außer dem TuS-Schloß-Neuhaus-Intermezzo waren Paderborner Fußballer nie deutschlandweit in Erscheinung getreten. Nicht einmal in der Vor-Bundesliga-Ära. Paderborn und Fußball? Das war also nie eine große Nummer. Stets standen die Paderborner im Schatten der regionalen Konkurrenz aus Bielefeld. Die einzige Konstante der Paderborner Kicker schienen die häufigen Fusionen untereinander gewesen zu sein. Ähnlich wie unlängst in Ingolstadt bündelten sich in der westfälischen Stadt also die fußballerischen Kräfte, um endlich einen „Schloß-Neuhaus-Nachfolger“ in den Profifußball zu entsenden. Paderborn sollte endlich zur richtigen Fußballstadt werden.
Endlich der zweite Zweitligist
Und 2005 sollte der SC Paderborn 07 tatsächlich in die 2. Liga einziehen. Der Erfolg erhielt deutschlandweit allerdings nicht annähernd die Aufmerksamkeit wie die Ereignisse des 21. August 2004. An dem Tag besiegten die Ostwestfalen im DFB-Pokal sensationell den Hamburger SV mit 4:2. Wie sich herausstellte hatte Schiedsrichter Robert Hoyzer durch bewusste Fehlentscheidungen den Spielausgang beeinflusst, da er selbst in Wettmanipulationen verstrickt war. So erhielt der bis dato größte Erfolg Paderborner Fußballer ohne eigenes Verschulden einen schalen Beigeschmack. Die SC-Kicker ließen sich jedoch nicht von ihrer Mission Aufstieg ablenken und lösten am Ende der Saison das Ticket in die 2. Liga. Der Erfolg sollte keine Eintagesfliege bleiben und der SC hielt sich tatsächlich drei Spielzeiten in Liga 2. Wer nach dem Abstieg 2008 dachte, ‚die sehen wir so schnell nicht wieder‘, der lag falsch. Nur ein Jahr später standen sie schon wieder auf der Matte. Den Aufstieg tütete der kurz vor Saisonende eingesprungene André Schubert ein. Und dieser hielt den Underdog zwei Jahre souverän in der zweithöchsten Spielklasse. Dennoch vertraten viele Experten vor dieser Saison die Ansicht, die Paderborner seien nun fällig und der Fahrstuhl in die 3. Liga sei schon reserviert. Die Voraussetzungen schienen in der Tat nicht günstig.
Schwierige Ausgangslage vor dieser Saison
Erfolgstrainer Schubert verließ die Ostwestfalen Richtung St.Pauli, Topstürmer Edmond Kapllani ging nach Augsburg. Der neue Coach Roger Schmidt verfügte lediglich über Regionalligaerfahrung, kannte aber als ehemaliger Spieler immerhin das Paderborner Umfeld. Das Budget des SC ließ mit 5 Millionen Euro keine großen Sprünge auf dem Transfermarkt zu. Folglich verpflicheten sie überwiegend Spieler von niederklassigen Vereinen, die wenig bis gar nichts kosteten. Einzig Goalgetter Nick Proschwitz wechselte vom Schweizer Erstligisten FC Thun zum SC, hatte allerdings bei seinen vorherigen Engagements in Deutschland keine großen Spuren hinterlassen.
Aus wenig viel gemacht
Trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen, startete Paderborn nach verhaltenem Start mächtig durch. Nur Union Berlin und zweimal Greuther Fürth fügten den Paderbornern bisher Niederlagen zu. In den vergangenen 20 Spielen hatten sie sogar nur einmal das Nachsehen. Ihr fulminanter Lauf spülte sie konsequenterweise in die Spitzengruppe der Liga. Zehn Spieltage vor Rundenende liegen die offensiv ausgerichteten Paderborner nur einen Punkt hinter Rang 1 auf dem Relegationsplatz. Regional betrachtet sind sie schon längst der Platzhirsch. Die Arminia aus Bielefeld fremdelt gerade noch gehörig in Liga 3 und die ehemaligen Zweitligisten aus Ahlen und Gütersloh sind noch tiefer abgesackt.
Sollte Paderborn am Ende tatsächlich in die Bundesliga einziehen, wäre das die größte Sensation seit dem Erstliga-Aufstieg des SSV Ulm 1846 im Jahre 1999. Der lange Anlauf Paderborns zur erfolgreichen Fußballstadt wäre dann in kürzester Zeit auf die Spitze getrieben worden. Die Paderborner selbst scheinen dies allerdings noch nicht zu realisieren. Ein Zuschauerschnitt von 9.300 wirkt jedenfalls alles andere als erstklassig. Das neue Stadion (von dessen Planung bis Bezug acht Jahre und mehrere Gerichtsverfahren vergingen) des Überraschungsteams ist damit nicht einmal zu zwei Drittel gefüllt. Die 15.000 Zuschauer fassende Energieteam-Arena war seit ihrer Eröffnung 2008 ohnehin erst dreimal ausverkauft. Die Liebe der Paderborner zu ihrem fußballerischen Aushängeschild ist also noch ausbaufähig. Was dem vollkommen überdachten Stadion allerdings Charme verleiht, sind 60 Prozent Stehplätze und knapp 2.000 Fahrradstellplätze. Mehr kann europaweit angeblich kein weiteres Fußballstadion vorweisen! Na wenn das mal nichts ist.
Für alle jungen SC-Fans, die hören wollen, welche Wurzeln ihr Verein hat, hier ein Lied über den Zweitliga-Aufstieg der TuS Schloß Neuhaus. Wenig VIP-Logen-Atmosphäre, dafür ganz viel verrauchter Vereinsgaststätten-Charme:
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