#d98b04: „Da wird eben kein Sonnenscheinfußball gespielt“

Die-Lilien-vs.-Die-WerkselfDie Lilien sind nach wie vor nicht zu knicken. Durch den 2:0-Erfolg bei der TSG Hoffenheim schraubten sie ihr Punktekonto auf 24 Zähler und sprangen auf den beachtlichen 11. Tabellenplatz. Der Dreier schuf zudem ein Polster von zehn Punkten zu den Abstiegsplätzen. Immens wichtig angesichts der anstehenden Partien gegen Leverkusen, Bayern und Dortmund. Am Ende meines Vorberichts spreche ich mit Leverkusen-Fan Friederike, die fester Bestandteil des Neverkusen-Podcasts ist.

So sieht’s aus:
Beeeeruuuuuhiiiiiigeeeeend. Der Sieg in Hoffenheim sorgt am Böllenfalltor für einen ordentlichen Ruhepuls. Bei einer Niederlage hätte Hoffenheim Morgenluft gewittert und die Lilien wären erstmals in dieser Saison in den Schlamassel der Abstiegszone hineingezogen worden. So können sich Dirk Schuster und sein Team mit 24 Punkten nach 20 Spieltagen ohne Druck auf die kommenden schweren Aufgaben vorbereiten.

Aytac Sulu und Co. überzeugten bei einfallslosen und offensiv wirkungslosen Hoffenheimern.  Die 98er waren von Beginn an konzentriert, laufstark, phasenweise sogar spielfreudig und – ja – gewohnt unangenehm bis ecklig. So kauften sie den Gastgebern schnell den Schneid ab und bleiben weiter eines der Überraschungsteams der Liga. 17 Punkte in der Fremde und fünf Tore durch Innenverteidger Sulu stellen ligaweit herausragende Werte dar. Sie stehen damit stellvertretend für die bislang starke Spielzeit der Südhessen.

Nun kommt die mit Nationalspielern gespickte Bayer-Elf ans Böllenfalltor. Das Team von Roger Schmidt ist in der Liga gut drauf, hat nun allerdings den Nackenschlag des Ausscheidens im DFB-Pokal zu verkraften. Hinzu kommt der verletzungsbedingte Ausfall von Torjäger Chicharito. Nach der überraschenden Pokalniederlage  gegen Werder und dem frühen K.o. in der Champions League wollen sich die Rheinländer in Darmstadt mit Sicherheit keinen weiteren Ausrutscher leisten. Umso mehr, als der SVD im Hinspiel überraschend alle drei Punkte vom Spitzenklub entführte. Eine zweite Saisonniederlage gegen den Underdog würde die Stimmung rund um die BayArena vollends in den Keller sacken lassen.

Wir & Die & Die Bundesliga
Bislang kam Leverkusen in der Bundesliga-Historie erst einmal ans Böllenfalltor. Vor fast genau 34 Jahren gewann Bayer am 18. Februar 1982 mit 3:1. Erstmals ermöglichte die neue Flutlichtanlage ein Abendspiel am Böllenfalltor und in ihm lief es zunächst gut für den SVD. Guido Stetter erzielte vor 15.000 Zuschauern in Halbzeit 1 den Führungstreffer. Doch nach dem Seitenwechsel war der Elan dahin. Bundestrainer Jupp Derwall erlebte, wie Leverkusen mit Arne Larsen Ökland (2) und dem eingewechselten Wolfgang Vöge in der Schlussviertelstunde das Spiel zu seinen Gunsten drehte. Die Gäste verließen mit diesem Sieg die Abstiegszone und schickten zugleich die 98er in eben diese. Das Darmstädter Echo schrieb anschließend:

„Nach der Flutlicht-Premiere sieht die Zukunft des Bundesligisten SV 98 düster aus. (…) Der SV 98 kam mit der Last des Gewinnenmüssens nicht zurecht, obwohl er 1:0 in Führung ging und dem Gegner auch spieltechnisch überlegen war. Nach der Pause aber lief eine ängstliche Darmstädter Mannschaft aufs Feld, die den seit zehn Spieltagen sieglosen Gegner aufbaute, ihn regelrecht zum Toreschießen einlud.“

Der kicker stieß unter der Schlagzeile „Darmstadts Sturz in die Finsternis“ ins gleiche Horn:

„Darmstadt 98 hatte gut begonnen, die Führung verdient, aber weitere Möglichkeiten ausgelassen. Nichts lief auf einmal mehr zusammen. Böse Schnitzer gingen den Treffern der Bayer-Schützen voraus. (…) Vereinspräsident Georg Schäfer kopfschüttelnd: ‚Wir haben dreimal verloren, die Punkte, Zuschauer im nächsten Spiel gegen Düsseldorf und Ansehen.“

Ach ja, an diesem Wochenende vor fünf Jahren …
Bereiteten sich die Lilien bei einem letzten Testspiel auf die zweite Halbserie in der Regionalliga Süd vor.

Und die Junglilien?
Sind mit einem 1:1 gegen die U19 des VfB Stuttgart gut ins Fußballjahr 2016 gestartet. Zwar kleben die Junglilien in der Bundesliga Süd/Südwest auf dem letzten Tabellenplatz fest, doch bei drei Punkten Rückstand auf das rettende Ufer ist noch alles drin. Am Wochenende geht es zum Tabellenelften FC Ingolstadt. Das Hinspiel gewann der Mitaufsteiger mit 2:0. Die Junglilien haben also noch etwas gutzumachen.


Der Kontrahent hat das Wort

Friederike (30) aus Bremen, mischt seit vier Jahren bei Neverkusen-Podcast.net mit.

Friederike, Überraschung Nummer 1: Du bist ein Leverkusen-Fan aus Bremen. Wie kommt`s?
Mich hat es beruflich nach Bremen verschlagen. Zu Leverkusen bin ich während meines Studiums in Bonn gekommen. Ich bin damals an den Wochenenden  losgezogen, um mir Spiele bei verschiedenen Vereinen in NRW anzusehen. Bei Leverkusen bin ich dann vor sechs Jahren hängengeblieben, zunächst allein, doch bald kannte ich viele Leute. Ich habe mittlerweile eine Dauerkarte, bin seit kurzem in einem Fanklub und fahre so oft es geht zu den Spielen, auch international.

Überraschung Nummer 2: Euer Podcast ist auf Englisch. Warum?
Wir bestreiten den Neverkusen-Podcast zu viert. Patrick ist ein Deutscher, der in Singapur lebt und den englischsprachigen Leverkusen-Blog mundilev.com gestartet hatte. Später kam Eric aus Los Angeles dazu, der in seiner Kindheit in Mühlheim lebte und damals Leverkusen-Anhänger wurde. Irgendwann war ihnen das Schreiben zu aufwändig und sie starteten den Podcast. Mit Tom und mir sind schnell zwei weitere Bayer-Fans hinzugekommen, weil wir vier uns über Twitter kannten.

Und wieso nennt ihr den Podcast Neverkusen?
Weil es das englische Pendant zu Vizekusen ist und von englischsprachigen Fans gehört  wird.

Wer ist Dein persönlicher Held und an welche Spiele erinnerst Du dich besonders gerne?
Ballack fand ich schon immer toll, aber daneben Toni Kroos, keine Frage. Bei den Spielen bleiben natürlich die im Kopf, die auf der Kippe standen  und gut ausgingen. Wie das 2:1 gegen Chelsea durch Manuel Friedrich in der 92. Minute. Da ist das Stadion explodiert. Großartig war auch das 3:0 in der diesjährigen Champions-League-Quali gegen Lazio Rom. Das war sehr geil.

An das Spiel kann ich mich noch gut erinnern, weil Darmstadt wenig später zu euch musste. Ich dachte mir noch, in Leverkusen wird den Lilien Hören und Sehen vergehen. Und dann ziehen sie der Bayer-Elf den Zahn und gewinnen nicht einmal unverdient. Wie hast Du das Spiel erlebt?
Ich musste leider arbeiten und war nicht im Stadion. Aber es war offensichtlich so ein Spiel, wie es bei uns leider regelmäßig vorkommt. Wir machen extrem gute Spiele und dann kommen immer wieder solche wie gegen Darmstadt. Wir brauchen einen Gegner der uns spielen lässt. Wenn sich ein Gegner auf uns einstellt, wenn er die Räume eng macht, dann tun wir uns extrem schwer, dann sind wir ideenlos, dann fehlt ein klarer Plan B. Das ist oft gegen schwächere Teams der Fall und das sind dann immer so unerträglich lange Spiele. Dass wir in solchen Fällen dann trotz unserer starken Verteidigung mit Toprak und Tah auch noch Gegentore kriegen, ist unerklärlich.

Du hast den jungen Tah erwähnt, der bislang komplett durchspielt. Er ist für mich einer der auffälligsten und vielleicht auch überraschendsten Personalien bei Bayer. Zudem Chicharito, der sofort eingeschlagen ist und Kevin Kampl, der im Defensiven Mittelfeld überzeugt.
Tah ist echt eine Bombe. Er harmoniert super mit Toprak, der eine Bank ist. Das geht gerade vielleicht etwas unter. Kampl hat mich total positiv überrascht. Zunächst dachte ich: Ach was der Blonde, ach Du Scheiße. Er hat mich in Dortmund nicht überzeugt. Aber er war unter Roger Schmidt in Salzburg wohl ganz gut. Und wenn ein Trainer gute Erfahrungen mit einem Spieler gemacht hat, dann ist das oft ein sicheres Zeichen, dass es wieder funktioniert. Er kämpft, er passt sich gut ins Mittelfeld ein, er hat eine gute Spielübersicht, er zieht auch mal ab, wenn die anderen um den 16er rumtänzeln.
Bei Chicharito fand ich es krass, dass er kommt. Das musste ja was werden. Er harmoniert gerade ganz gut mit Kießling. Das ist schön, denn einen Zwei-Mann-Sturm sieht man heutzutage nicht mehr so oft. Enttäuscht bin ich hingegen von Karim Bellarabi. Ich halte viel von ihm, aber er verzettelt sich zu oft. Er rennt oft mit dem Ball in fünf Gegenspieler rein und verliert ihn. Außerdem  ist bei ihm viel Kopfsache. Er kann sooo viel mehr.

Bist Du zufrieden mit der aktuellen Saison?
(Pustet durch) Jein. Mir hängen die Spiele nach, die wir verlieren. Jetzt das Aus im DFB-Pokal war total unnötig und enttäuschend. Hinzu kommt das Aus in der Champions League. Am Anfang der Saison habe ich gedacht, wir haben ein sehr gutes Team, das noch verstärkt wurde. Da muss eine stabile Einheit daraus werden. Diesen Erwartungen hinkten die Jungs hinterher. Klar ist aber auch, man kann als Fünfter in der Tabelle nicht grundsätzlich unzufrieden sein.

Ich kann mir vorstellen, dass so ein Spiel beim Underdog in Darmstadt nervt. In der Bundesliga liegt es im Sandwich zwischen den Partien gegen Bayern und Dortmund. Zudem nach dem DFB-Pokal gegen Werder und vor der Europa League bei Sporting Lissabon.
Das Programm ist mit drei englischen Wochen nacheinander anstrengend. Da ist es letztlich egal, wer kommt. Zudem ist Darmstadt ja nicht Letzter, der nur sporadisch jemanden ärgert. Darmstadt punktet zuverlässig, weshalb sie nicht auf die leichte Schulter genommen werden, das hoffe ich zumindest. Ich freue mich auf das Spiel, denn so lerne ich wieder ein neues Stadion kennen.

Leverkusen hat ja immer den Anspruch attraktiven Fußball zu spielen. Wie schaut der Bayer-Fan da auf das sehr schlichte Fußballverständnis am Böllenfalltor?
Das ist doch bei Teams meistens so, die sich hochgekämpft haben. Da wird eben kein Sonnenscheinfußball gespielt. Da geht es um einen effektiven Fußball, der nicht zwangsläufig unattraktiv sein muss.

Friederike, vielen Dank für das Gespräch. Dir eine gute Anreise ans Böllenfalltor und dort wirst Du dann zumindest das Lilien-Lied „Die Sonne scheint“ hören.

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