Crunch Time! So langsam geht’s ans Eingemachte. Drei Spieltage vor Schluss gerät es immer mehr zur Kopfsache, wer in den Europapokal einzieht und wer die Klasse hält. Genau um Letzteres geht es am Samstag zwischen den Lilien und der Eintracht. Über das brisante Hessen-Derby tausche ich mich am Ende meines Vorberichts mit Basti aus, der im viel gelobten Eintracht-Podcast seine Stimme erhebt und bei Twitter unter @basti_red firmiert. Spezielle Grüße gehen an dieser Stelle an Aidan aus Newcastle (DarmstadtFanUK), der das Hinspiel bislang als das Highlight seiner noch jungen Lilienfan-Karriere bezeichnete: LINK
So sieht’s aus:
Am Samstag verging den Lilien in Köln Hören und Sehen. Immer wieder rollten schnell vorgetragene Angriffe auf das Tor von Christian Mathenia. Die Lilien waren in der Defensive alles andere als sattelfest. Stellungsspiel und Zweikampfverhalten waren ungewohnt mangelhaft. Immerhin zeigten sich die 98er nach vorne engagiert und hätten bei zwei Pfostentreffern durchaus häufiger einnetzen können. Alles in allem wäre auch ein 4:8 anstelle eines 1:4 möglich gewesen. Mit seinem Spielwitz zeigte der Effzeh den Lilien jedenfalls ein ums andere Mal die Grenzen auf. Dass die 98er im Defensivverbund derart überfordert waren, noch dazu gegen eine Team, dessen Offensive bis dato ligaweit nicht sonderlich in Erscheinung getreten war, musste ernüchtern. Am Ende stand für den SVD nach sechs unbezwungenen Spielen eine hochverdiente Niederlage. Dirk Schuster sprach hernach von einem Sahnetag für Köln, und einem gebrauchten für sein Team.
Die Eintracht konnte hingegen mit dem 2:1-Erfolg über Mainz einen unfassbar wichtigen Dreier einfahren. Der Anschluss an die Nichtabstiegsplätze ist wiederhergestellt. Schon zuvor hatte sich die SGE unter Neu-Coach Niko Kovac besser präsentiert, ohne allerdings die notwendigen Ergebnisse einzufahren. Dies ist auf einen Schlag anders. War die Eintracht an den vorangegangenen Wochenenden durch die Resultate der Konkurrenz stets einer der, wenn nicht gar der Verlierer des Spieltags gewesen, so haben sie dieses Mal von den Niederlagen der Bremer, Stuttgarter und der Lilien profitiert. Prompt wittern sie Morgenluft und könnten mit Erfolgen gegen die 98er und – am letzten Spieltag – Werder gewichtige Argumente für einen Klassenerhalt liefern. Wohl gemerkt könnten, denn mitunter wechseln sich derzeit Euphorie und Panik an ein und demselben Bundesliga-Standort im Wochenrhythmus ab. Die Lilien werden deshalb gut daran tun – bei aller Brisanz rund um das Derby – ruhig und fokussiert ins Spiel zu gehen. Umso mehr als Dirk Schuster und seine Jungs am Samstag entweder einen großen Schritt zum Klassenerhalt tun können, oder sie auch danach noch alles in der eigenen Hand haben.
Wir & Die & Die Bundesliga:
Das erste Bundesliga-Heimspiel gegen die große Eintracht stieg am 18. April 1979. Das Tabellenschlusslicht aus Darmstadt ließ dabei dem in den Vorwochen ins Trudeln geratenen Meisteranwärter keinen Stich und gewann beim ersten Spiel unter Klaus Schlappner mit 2:0 (Tore: Uwe Hahn, Kurt Eigl). Der kicker fasste die Geschehnisse damals unter dem Titel „98 führte Eintracht vor“ wie folgte zusammen:
„Darmstadt verpaßte Frankfurt den Fangschuß. (…) Enorme Laufarbeit und riesiger Kampfgeist reichten den Darmstädtern, um den vermeintlich übermächtigen Rivalen zu entzaubern und ihm die vierte Niederlage in Folge beizubringen. Selbst Köln führte vier Tage zuvor die Frankfurter nicht so an der Nase herum wie es der Tabellenletzte streckenweise tat!“
Am 7. November 1981 empfingen die Lilien als Tabellenfünfzehnter die siebtplatzierte Eintracht. Die SGE präsentierte sich dieses Mal konsequenter und fuhr einen klaren 4:1-Sieg (Tore: Bodo Mattern – Stefan Lottermann (2), Bernd Nickel, Werner Lorant) ein. Der kicker schrieb:
„Die Eintracht war in diesem Hessen-Derby eine Klasse besser, wurde aber nach dem Darmstädter Führungstor durch zwei krasse Abwehrfehler der 98er zu ihrem entscheidenden Vorsprung begünstigt. (…) Zwar hatte der SV 98 in der Folge noch gute Chancen zum 2:2 durch Stetter und Posniak und später wieder durch Posniak und Cestonaro, aber die Eintracht war in punkto Technik, mannschaftlicher Geschlossenheit, Überblick, Spiel- und Laufvermögen doch klar überlegen.“
Ach ja, an diesem Wochenende vor fünf Jahren:
Hatten die Lilienfans so richtig Lunte gerochen. 6.500 Anhänger strömten ans Böllenfalltor, um im Spitzenspiel der Regionalliga Süd die Partie gegen die SpVgg Greuther Fürth zu sehen. Greuther Fürth II wohlgemerkt. Nach einer beeindruckenden Leistung hieß es am Ende 3:1 für den SVD, wodurch er die viertplatzierten Franken in der Tabelle distanzierte, die Stuttgarter Kickers von Rang 2 verdrängte und den Druck auf Spitzenreiter Hessen Kassel hoch hielt. Sven Sökler und Daniele Toch sorgten spät für die hochverdiente 2:0-Halbzeitführung. Der Anschlusstreffer nach 54 Minuten per Elfmeter verunsicherte die Heimelf nicht weiter. Das 3:1 erzielte schließlich der im Winter geholte Torjäger Michael Schürg, der damit endlich seinen ersten (zugleich aber auch einzigen) Treffer in Blau und Weiß erzielte.
Und die Junglilien:
Kassierten die nächste Klatsche. 0:6 hieß es dieses Mal in der U19-Bundesliga Süd/Südwest gegen den Nachwuchs der Bayern. Die bereits zuvor als Absteiger feststehenden Junglilien „bestätigten“ damit die Form der letzten Wochen, in denen nicht mehr wirklich viel zusammenlief. Immerhin hielten sie in München die Partie eine Stunde lang offen, bevor fünf Tore in den letzten 30 Minuten für klare Verhältnisse sorgten. Am kommenden Wochenende begibt sich die U19 zu ihrer letzten Auswärtsfahrt zum Tabellensechsten SC Freiburg.
Der Kontrahent hat das Wort
Basti (33) ist ein ebenso wortgewaltiger wie meinungsstarker Bestandteil des Eintracht-Podcasts, der seine Zuhörer allwöchentlich emotional und kurzweilig auf dem Laufenden hält.
Basti, bevor wir über das Sportliche reden, müssen wir auf die Rahmenbedingungen eingehen. Die Eintracht-Fans sind wegen der Ereignisse im Hinspiel ausgesperrt. Das bedauern auch die Lilien-Fans, denn Derby-Atmosphäre kommt so schon mal nicht auf. Dennoch gibt es Gerüchte, dass zahlreiche Eintracht-Fans kommen wollen. Riecht stark nach Stress, oder? [Anm.: Das Interview fand vor der Entscheidung statt, dass für Eintracht-Fans sogar ein Innenstadtverbot in Darmstadt gilt.]
Schwer zu sagen. Ich bin nicht ganz sicher wie das alles ablaufen soll, da man bisher nur Gerüchte gehört hat. Ich würde es feiern, wenn 10.000 Frankfurter vor dem Stadion wären und die Mannschaft das hören könnte. Aber die Polizei wird schon erfahren genug sein, um im Vorfeld zu verhindern, dass unsere Fans überhaupt in die Stadt gelangen. Von daher hätte ich mir, von Eintracht-Seite gewünscht, dass es irgendwo eine Leinwand gibt, wo alle zusammen sind und man das vielleicht dann auch der Mannschaft zeigt. Aber so überlegt wohl jeder noch was er überhaupt macht. Es wurde noch gar nichts kommuniziert. Finde ich etwas unglücklich …
Die Eintracht-Anhänger gehören sicherlich zu den leidenschaftlichsten und stimmungsvollsten Fans der Liga. Warum gibt es aber immer wieder solche Appelle oder Aktionen, mit denen ein Teil von euch total übers Ziel hinausschießen: ‚Schlachtfest in der Pfalz‘, ‚Lilienschweine jagen‘, die Verbrennung der Darmstädter Zaunfahnen und Schals im Hinspiel. Was soll das und wie wird das in der Fanszene selbst diskutiert?
Schwieriges Thema. Hier werde ich mich wohl um Kopf und Kragen reden 😀 . Ich finde man muss hier zwischen Plakaten und tatsächlichen Aktionen unterscheiden. Dass jede Form von Gewalt verurteilt gehört, darüber muss man glaube ich nicht mal im Ansatz diskutieren. Und da hatten wir in der Vergangenheit sicher zu viele Probleme von einzelnen Gruppen. Selbst wenn es sich schon gebessert hat. Der jüngste Vorfall, der angeblich so schlimm war, waren Bongs und Grills in einem Zug. Dass lässt vielleicht einen Brandschutzbeauftragten schlecht schlafen, aber ich kann darüber schmunzeln. Die Eintracht hat im Bereich Prävention echt viel getan. Nur befürchte ich, dass man bei solchen Massen nie komplett ausschließen kann, dass unter zum Beispiel 8.000 Auswärtsfans auch 80 Chaoten sind. Außer immer weiter Fanarbeit zu betreiben und den Dialog zu suchen fällt mir leider auch keine Lösung ein.
Zu den Plakaten wie Schlachtfest oder das Filmplakat vom Hinspiel habe ich eine unpopuläre Meinung. Ich finde sie nicht so schlimm. Vielleicht ist man durch Filme oder PS4-Spiele etwas abgestumpft, aber wenn wegen so einem Plakat jemand einem anderen in die Fresse haut, dann ist bestimmt nicht das Plakat das größte Problem, sondern die Erziehung. Wenn ich mir SAW 1-6 anschaue oder GTA spiele, dann laufe ich auch nicht raus und zerstückle Leute oder klaue mir jedes Auto, das ich cool finde. Klar ist es grenzwertig und ich würde so ein Plakat nicht malen, aber man muss hier meiner Meinung nach aufpassen, dass es nicht zu sehr aufgebauscht wird. Ich war auch in Lautern und hatte eine Schürze um, trotzdem habe ich nach dem Spiel niemanden am Fleischerhaken bei mir in den Keller gehängt.
Okay, da kann man unterschiedlicher Meinung sein. Komm, lass uns jetzt über Fußball reden. Die Lilien haben in Köln in der Höhe absolut verdient verloren, die Eintracht hat Boden gut gemacht. Du sagtest bei meinsportradio am Montag, die SGE könne jetzt zuversichtlich ins Spiel gehen. Sie habe nichts zu verlieren, sondern könne Druck auf die Lilien sowie Werder und den VfB ausüben. Wer oder was könnte am Bölle den Unterschied für euch ausmachen?
Das Spielglück! Es wird eine ganz enge und umkämpfte Kiste, bei der – und jetzt zahle ich gerne drei Euro an den Kickschuh – Kleinigkeiten entscheiden. Ich hoffe wir können das Momentum mitnehmen und so das (Spiel-)Glück erzwingen. Das hätte man so vor der Saison niemals gedacht: Aber Darmstadt hat momentan mehr zu verlieren als wir. Wir waren nach Leverkusen gefühlt weg und die Darmstädter Fans haben den Sieg gegen Ingolstadt gefeiert als wäre das der Klassenerhalt. Sollten wir tatsächlich gewinnen, was schwer genug wird, verteilt der Dealer die Karten neu.
Dann könnte die Eintracht zum VfB der letzten Saison werden, der zum Schluss das Feld von hinten aufholte?
Ich hoffe es! Selbst wenn wir zum HSV werden, dann ist mir das auch recht 😀 .
Wann begann es bei euch eigentlich so schlecht zu laufen? Der blutleere Auftritt in Ingolstadt, das Pokalaus in Aue, die Derbyniederlage gegen die Lilien?
Beim Hinspiel in Ingolstadt hat alles angefangen. Wir rätseln bis heute was genau da passiert ist. Die Verletzten, wie von den Verantwortlichen erzählt wird, waren es auf jeden Fall nicht.
Warum dann diese Abwärtsspirale?
Das ist, wie gesagt, irgendwie ein Rätsel. Es könnte ein Mix aus Veh, Pech und mangelnder Mentalität der Spieler sein.
Sehnt man sich da nicht doch ein wenig die stabilen, wenngleich wenig glamourösen Zeiten eines Friedhelm Funkel herbei?
Nein!
Die Eintracht spielte in den letzten fünf Jahren 2. Bundesliga, aber auch Europapokal. Was ist die Eintracht wirklich? Ein schlafender Riese oder ein Fahrstuhlverein?
Ein Verein der eigentlich mindestens so stabil wie Mainz sein sollte.
Wie siehst die Lilien? Ein Klub, der sich über Jahrzehnte bestenfalls mit eurer Zweitvertretung gemessen hat und den die Eintracht daher nicht wirklich für voll genommen hat. Als mittlerweile ernstzunehmenden Konkurrenten, oder doch noch eher Kategorie Eintagsfliege?
Ich finde es so krass was in Darmstadt in den letzten Jahren abgegangen ist! Dieses Tor von da Costa in Bielefeld und das Tor von Kempe gegen St. Pauli, Alter! Meine fussballromantische und sportliche Hochachtung! Aber langfristig ist Darmstadt wohl ein attraktiver Zweitligist, was ja immer noch krass ist! Ob sie damit Konkurrenten der Eintracht sind, liegt dann eher am Glück beziehungsweise Unvermögen der Eintracht selber.
Gibt es Lilien-Spieler, die dem Eintracht-Spiel gut tun würden?
Ich kann es nicht begründen, aber ich bin großer Fan von Mario Vrancic. Ansonsten eher keiner 😀 .
Wie hoch schätzt Du die Chancen ein, dass am Ende sowohl die SGE als auch die 98er die Klasse halten?
75 Prozent.
Also 100 Prozent Lilien, 50 Prozent Eintracht (lacht). Wird das Spiel am Samstag ohne Platzverweis auskommen und werden – als kleiner Insider – die Kinder eures Präsidenten Peter Fischer in der kommenden Woche beim Metzger wieder eine Wurst bekommen?
Kommt drauf an wer Schiedsrichter ist und ob ihr uns provoziert 😀 . Und zu Fischer: Ich glaube der geht mit seinen Kindern gar keine Wurst kaufen.
Vielen Dank, Basti. Auf dass am Wochenende hoffentlich die sportlichen Schlagzeilen dominieren!
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