Stehparty-Feeling in der unteren Tabellenhälfte! Großes Gedränge herrscht derzeit in der Bundesliga zwischen Platz 11 und Platz 16. Nur vier Punkte trennen die sechs Teams vor dem 31. Spieltag. Der SV Darmstadt 98 führt auf Rang 11 die Phalanx der noch abstiegsbedrohten Teams an. Am kommenden Wochenende tritt die Schuster-Elf beim Tabellennachbarn 1. FC Köln (10.) an, der sich durch den 3:2-Erfolg bei Mainz 05 gerettet haben dürfte. Das sieht auch Thomas so, der für effzeh.com schreibt und mit dem ich für meinen Vorbericht über seinen Klub gesprochen habe.
So sieht’s aus:
Vielversprechend sieht’s aus. Der SVD hat aus den vergangenen sechs Begegnungen zehn Punkte geholt und beweist damit Stehvermögen im Saisonendspurt. Dank der beiden jüngsten Siege beim Hamburger SV und gegen den FC Ingolstadt haben sich die Lilien deutlich von den direkten Abstiegsplätzen abgesetzt. Das Polster zu Relegationsplatz 16 bleibt mit vier Punkten aber noch überschaubar. Dass die letzte Niederlage der 98er vom 02. März gegen Dortmund resultiert, weckt zarte Erinnerungen an den alten Gassenhauer aus dem Bundesliga-Aufstiegsjahr 1978: „Wir haben keine Gegner mehr, der 1. FC Köln muss her.“ Die Kölner waren damals als Double-Sieger das Nonplusultra des deutschen Fußballs. Von solchen Erfolgen kann der Effzeh schon seit geraumer Zeit nur träumen.
Nach einer mehr als ordentlichen Hinrunde agierte das Team von Peter Stöger in der Rückrunde überwiegend glücklos … bis zur 64. Minute des Gastspiels am vergangenen Sonntag in Mainz. Dann jagte Marcel Risse den Ball zum 1:2-Anschlusstreffer in die Maschen und Milos Jojic sowie Anthony Modeste legten nach, so dass am Ende ein 3:2-Befreiungsschlag stand. Damit dürften die Kölner etwaige Abstiegssorgen hinter sich gelassen haben. Zuhause steht 2016 nur ein Sieg auf der Habenseite (3:1 gegen die Eintracht), in fünf Spielen durfte sich der Gast über drei Punkte freuen. Trotz der drei Treffer in Mainz ist die Offensive das Sorgenkind der Kölner. Mit Leonardo Bittencourt ist gegen Darmstadt weiterhin ein zuvor formstarker Spieler gesperrt.
Wir & Die & Die Bundesliga:
Am 19. August 1978 und am 31. Oktober 1981 fuhren die Lilien schon einmal zu Bundesliga-Partien nach Köln. Das erste Aufeinandertreffen führte die Feierabendkicker des Aufsteigers am zweiten Spieltag zum Spitzenteam. Dabei erwischten die Lilien den klaren Favoriten lange Zeit auf dem falschen Fuß, ehe Nationalspieler Bernd Cullmann in der zweiten Hälfte die frühe Führung von Peter Cestonaro zunächst ausglich und dann noch in einen Heimsieg drehte. Das Darmstädter Echo trauerte im Nachbericht der vertanen Sensation nach:
„Es mag wenig glaubhaft erscheinen, doch es entspricht den Tatsachen: Der SV Darmstadt 98 hat beim 1. FC Köln wenn nicht den Sieg, so zumindest einen Punkt verschenkt. Als Schiedsrichter Engel die Mannschaften zur Pause rief, lag Darmstadt 1:0 in Führung – den Chancen nach wäre ein 3:0 das rechte Ergebnis gewesen. Der Neuling hatte den Meister schon im Sack, er tat sich dann aber beim Zubinden ungemein schwer. (…) Die neunzig Minuten von Köln lehrten, wie sich ein Achtungserfolg in eine schmerzliche Niederlage umwandeln kann.“
Am 12. Spieltag der Saison 1981/82 fuhren die Lilien eigentlich nur zum Gratulieren nach Köln. Das galt als ausgemachte Sache. Denn der Tabellenführer aus der Domstadt hatte zuvor zuhause alles in Grund und Boden gespielt: 1:0 gegen Dortmund, 2:0 gegen die Eintracht, jeweils 3:0 gegen Duisburg und Mönchengladbach und sogar 4:0 gegen die Bayern. Was sollte da schon zu holen sein? Ein Punkt sollte für den Tabellen-16. aus Südhessen zu holen sein! Gegen die nahezu vollständig mit Nationalspielern angetretene Heimelf verkauften sich die Lilien äußerst geschickt. Zudem erwischte Dieter Rudolf zwischen den Pfosten einen Sahnetag. Am Ende stand es nach zwei verwandelten Foulelfmetern (Rainer Bonhof und Bodo Mattern) 1:1. Dass Kölns Nationalkeepter ‚Toni‘ Schumacher den Elfer nicht parierte, wurmte ihn sehr, wie der kicker anschließend berichtete:
„Schumachers oft zitierte und vielfach für gehaltene Strafstöße als Erfolgsbasis dienende Kartei wies – wie er sichtlich verärgert gestand – eine Lücke auf. Bisher nicht geführt in Tonis Kandidatenordner: Darmstadts Strafstoßschütze in Köln: Der mittelblonde Mann mit der Nummer 8 auf dem Trikot. Toni ahnte zwar die richtige Ecke – die linke nämlich -, aber halten konnte er den Ball nicht. Soviel sei zur Beschriftung einer neuen Karteikarte beigetragen: Der Junge heißt Bodo Mattern.“
Ach ja, an diesem Wochenende vor fünf Jahren:
Spielten die Lilien in der Regionalliga Süd vor überschaubaren 792 Zuschauern bei der Zweitvertretung des Karlsruher SC. Am Ende stand ein 3:1-Sieg (2x Oliver Heil, 1x Sven Sökler), den ein früher Platzverweis für das Heimteam begünstigte. Da im Parallelspiel der Tabellenzweite Stuttgarter Kickers beim Spitzenreiter Hessen Kassel 0:0 spielte, schloss der SVD zum Spitzenduo auf und war der Gewinner des Spieltags. Damit veredelte er den 3:2-Sieg der Vorwoche, als er Kassel in einer dramatischen Partie den Zahn gezogen hatte.
Und die Junglilien?
Nichts geht mehr! Die 0:5-Niederlage gegen die U19 von 1860 München sowie die Resultate der Konkurrenz haben den Abstieg der Junglilien besiegelt. Ein Jahr durfte sich der älteste SVD-Jahrgang in der Bundesliga Süd/Südwest beweisen und scheiterte letztlich deutlich. 16 Punkte nach 23 Spieltagen und ein Torverhältnis von 14:69; mehr war nicht drin. Am kommenden Sonntag fahren die Junglilien am drittletzten Spieltag zum Nachwuchs der Bayern, die aktuell auf Platz 5 liegen.
Der Kontrahent hat das Wort
Thomas (29) mischt bei der fast schon professionellen Fanseite effzeh.com als einer von zwei Chefredakteuren mit.
Thomas, da hat Dir der Effzeh in der Hinrunde mit Platz neun keinerlei Grund zur Sorge gegeben, und dann stimmen in der Rückrunde die Ergebnisse einfach nicht mehr. Was hast Du am Sonntag nach dem zwischenzeitlichen 0:2-Rückstand in Mainz gedacht?
Dass das wieder der 1. FC Köln ist, wie ich ihn kennengelernt habe. Nervenschwach und mit dämlichen Fehlern zu den ungünstigen Zeitpunkten. Ich bin ehrlich: Viel Hoffnung auf Punkte habe ich mir – auch angesichts unserer desaströsen Bilanz in Mainz – nicht mehr gemacht. Ich wurde aber, Hennes sei Dank, eines Besseren belehrt. Die Mannschaft hat offensichtlich unter Stöger echte Big-Point-Qualitäten entwickelt.
Ist der Effzeh in Deinen Augen jetzt gerettet und welche Klubs siehst Du akut gefährdet?
Ja, das ist er – es müsste schon extrem viel schief laufen, damit das noch in die Binsen geht. Und wir haben es schließlich durch Duelle gegen Euch, in Augsburg und gegen Bremen in der Hand. Die Gefahrenzone dürfte letztlich genau hinter uns beginnen – also die „Lilien“ als letzte noch halbwegs nicht gerettete Mannschaft. Wobei ich da recht zuversichtlich bin, dass es gut gehen wird.
Worin liegen die Gründe für euren wechselhaften Saisonverlauf?
Letztlich die altbewährte Mischung aus Pech und Unvermögen. Wir hatten viele hanebüchenen Fehlentscheidungen hinzunehmen, die uns einige Punkte gekostet haben. Was dann möglich gewesen wäre, ist der berüchtigte Fußball-Konjunktiv. Einerseits sind wir so nie in einen richtigen Lauf gekommen, um uns wie beispielsweise die Hertha oben heranzurobben, andererseits hatten wir aber auch keine Durststrecke, die uns in die untere Etage verfrachtet hätte. Man muss konstatieren: Wir stehen da, wo wir mit der Qualität in unserer Mannschaft hingehören. Alles im rot-weißen Bereich also!
Eure Fanszene ist traditionell sehr leidenschaftlich und erwartungsvoll. Wie kommt der unaufgeregte Führungsstil von Coach Peter Stöger und Manager Jörg Schmadtke an?
Grundsätzlich gut. Sicherlich gibt es hier und da Kritik, sicherlich gibt es einige, die von mehr und besser geträumt haben, aber unter dem Strich ist das alles in Ordnung so. Der Effzeh wird auch von den eigenen Fans wieder als professionell geführt wahrgenommen, man vertraut den handelnden Personen, die langfristig an den Verein gebunden wurden. So manchmal kneift man sich schon und fragt sich lächelnd: Ist das noch unser 1. FC Köln?
Was war da beim letzten Heimspiel mit Kevin Vogt los? Er war die Rede davon, er sei verhöhnt und ausgepfiffen worden. Stimmt das und hatte sich das bereits vorher abgezeichnet?
Soweit ich das von meinem privilegierten Platz wahrgenommen habe, wurde wohl seine Auswechslung beklatscht. Von Pfiffen und Verhöhnung habe ich nichts mitbekommen, was nicht heißt, dass ich es nicht für möglich halte. Köln ist und bleibt ein schwieriges Pflaster – die Emotionalität lässt sich im Stadion schlecht einfangen, da wird aus einem „Geißbock“ schnell ein „Sündenbock“. Angedeutet hatte sich die Unzufriedenheit mit Vogts Leistungen allerdings schon – er hat wenig Kredit und zuletzt auch nicht allzu überzeugend aufgetrumpft. Das Verhalten der Fans geht aber trotzdem nicht klar: Es ist und bleibt einer unserer „Jungs“ – und den mache ich nicht fertig!
Euer Kader wirkt auf mich homogen zusammengestellt. Wo siehst Du die Stärken des Teams und wo besteht für die kommende Saison Nachholbedarf?
Eine der großen Stärken zeigte sich in Mainz: Diese Mannschaft glaubt an sich. Da haben wir in Köln schon ganz andere Erfahrungen gemacht, normalerweise kassieren wir in solchen Spielen vier, fünf Nüsse. Letztlich sind wir eine taktisch sehr gut orchestrierte Einheit, die aus ihren Möglichkeiten mit viel Laufvermögen einiges herausholt. Nachholbedarf betrifft sicherlich die Offensive: Wir haben trotz einer Vielzahl an Chancen lediglich 32 Tore erzielt. Heißt: Neben Modeste könnten wir sicherlich einen zweiten treffsicheren Stoßstürmer gebrauchen – und aus dem Mittelfeld dürfte gerne mehr kommen. Schmadkte wird da sicherlich schon auf der Spur sein!
Köln und Darmstadt einte einst eine Fanfreundschaft. Werden die Lilien auch heute noch besonders wahrgenommen, oder sind sie ein Bundesliga-Kontrahent wie jeder andere auch?
Über den Stand der Freundschaft, die ja eher den erlebnisorientierten Teil der Anhängerschaften betraf, kann ich nicht viel sagen. Aber: Als Euer Aufstieg feststand, konnte ich in meiner Facebook-Timeline die Kölner Glückwünsche, garniert mit dem Foto-Klassiker „Wir haben keine Gegner mehr, der 1. FC Köln muss her“, nicht mehr zählen. Ihr seid also beileibe kein Gegner wie jeder andere für uns – sondern eher einer der wenigen sympathischen Ausnahmen.
Wie hast Du den Werdegang der Lilien in den vergangenen Jahren erlebt?
Auch wenn es abgedroschen klingt: Es erschien für mich wie ein Fußball-Märchen. De facto viertklassig, dann durch Offenbachs Lizenzentzug gerettet, danach diese spektakuläre Relegation gegen Bielefeld und anschließend der Durchmarsch in die Bundesliga. Das alles ohne Mäzen, ohne Konzern im Rücken: Einfach nur der Wahnsinn! Wenn jetzt noch der Klassenerhalt folgt, ist die nächste Sensation perfekt – damit hätte vor der Saison wohl niemand ernsthaft gerechnet.
Zwei Spieler in eurem Kader haben eine Lilien-Vergangenheit: Maurice Exslager und Mergim Mavraj. Exslager sollte in der vergangenen Saison bei uns Einsatzzeit sammeln, kam aber nicht wirklich zum Zug. Wenig verwunderlich, dass er auch bei euch in dieser Saison außen vor ist, oder?
Ja, das ist wahrlich kein Wunder. Er war bereits aussortiert, bevor er zu Euch stieß – und dass sich daran nach seiner Rückkehr nichts ändern würde, war abzusehen. Er haut sich aber bei unseren Amateuren voll rein und ist einer der wenigen Lichtblicke dort. Für die Bundesliga reicht es allerdings nicht: Vielleicht wäre eine Rückkehr nach Duisburg das Beste für ihn!
Welche Rolle spielt Mergim Mavraj in eurem Team, dessen Karriere bei den Lilien seinen Ausgang nahm und mit dem ich schon für meinen Blog und mein Lilien-Buch sprechen durfte?
Mergim ist einer von vier nahezu gleich starken Innenverteidigern in unserem Kader und steht seinen Mann, wenn er gebraucht wird. Auch in der Zeit, als er nur Nummer drei oder Nummer vier war, machte er nicht die große Welle, sondern arbeitet hart weiter. Davor ziehe ich meinen Hut!
Vielen Dank, Thomas.
[TIPP: Hier geht es zu meinem Blog-Interview mit Mergim, das ich kurz vor dem Bundesliga-Aufstieg der Lilien mit ihm führen durfte: LINK]
Pingback: #koed98: “So manchmal kneift man sich schon: Ist das noch unser 1. FC Köln?” | re: Fußball