Spieltag 18 (#d98koe): „Auch Schwarzbrot kann satt machen“

screenhunter_52-jan-20-21-38„Wir haben keinen Gegner mehr, der 1. FC Köln muss her.“ Dieser Spruch aus den 1970ern ist derzeit in Darmstadt nicht gerade Programm. Die seit neun Spielen sieglosen Lilien erwarten die Rheinländer, die als Siebtplatzierter nicht wirklich als Gradmesser taugen. Doch auch die Rheinländer reiten nicht auf der größten Erfolgswelle ans Böllenfalltor; sie warten seit sechs Spielen auf einen Sieg. Effzeh-Fan und -Blogger Axel, plaudert im Laufe des Vorberichts ein wenig aus dem rot-weißen Nähkästchen.

So sieht’s aus:

Erneut kein Tor, aber endlich mal wieder ein Zähler. Auf diesen knappen Nenner lässt sich der Liga-Auftakt 2017 aus Lilien-Sicht bringen. Das Debüt von Torsten Frings ist also durchaus geglückt. Nach anfänglicher Unsicherheit fing sich die Truppe und hielt ideenlose Gladbacher zunehmend vom Tor fern. Der Haken bei der Sache: Auch die Angriffsbemühungen der Lilien stellten die Gäste kaum vor Probleme. Genau genommen, wagte der SVD erst in den letzten 20 Minuten mehr und kam so zu ein paar wenigen Gelegenheiten. Am Ende war es ein relativ farbloser Bundesliga-Kick. Die Lilien-Spieler schöpfen dennoch Selbstvertrauen daraus, keinen Treffer kassiert zu haben und dem Kontrahenten mit einem geschlossenen Auftritt ein Remis abgeluchst zu haben.

Darauf lässt sich – bei aller spielerischen Armut – aufbauen. In den kommenden Partien muss nun der nächste Schritt folgen. Und der besteht darin, ein funktionierendes Umschaltspiel zu etablieren und endlich einmal offensiv Akzente zu setzen. Denn im Abstiegskampf helfen den 98ern primär Dreier weiter. Gegen Gladbach war Toni Colak in vorderster Front auf sich allein gestellt. Zwischen ihm und dem Rest des Teams klaffte eine riesige Lücke. So rieb er sich bis zu seiner Auswechslung fast ausschließlich darin auf, die Gegenspieler anzulaufen. In eine vielversprechende Abschlussposition wurde er von seinen Mitspielern überhaupt nicht gebracht.

In eine solche werden ihn László Kleinheisler und Änis Ben-Hatira auch zukünftig nicht mehr bringen. Völlig überraschend wechselte der Ungar zu Ferencvaros. Selbst, wenn seine Leistungen in der Hinrunde noch Luft nach oben ließen, so blitzte immer mal wieder auf, dass er den Lilien mit seinem Engagement weiterhelfen könnte. Doch schienen seiner Karten unter Torsten Frings nicht die besten zu sein. Ein Verbleib Ben-Hatiras erschien spätestens nach dem vergangenen Wochenende nicht mehr opportun. Lilienfans hatten in einem Flugblatt vor dem Gladbach-Spiel Verein und Spieler dazu aufgerufen, sich deutlich von Ansaar International zu distanzieren. Ben-Hatira hatte sich in Projekten des salafistischen Hilfsvereins engagiert, den der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalens beobachtet. Ben-Hatiras Replik auf das Flugblatt via Facebook: „Schämt ihr euch nicht für solche Aktionen? Denkt ihr wirklich, ich lasse mich dadurch einschüchtern?“ Die Fronten drohten sich nachhaltig zu verhärten. Letztlich lösten Verein und Spieler den Vertrag am Mittwoch im gegenseitigen Einvernehmen auf.

Ben-Hatira und Kleinheisler waren an drei der elf mageren Saisontore beteiligt. Für mehr Durchschlagskraft vor dem gegnerischen Tor soll nun Terrence Boyd sorgen. Ihn verpflichteten die Lilien am Dienstag aus Leipzig. Sollte der Angreifer an seine Form anknüpfen können, die er zwischen 2012 und 2014 bei Rapid Wien zeigte, wäre er die erhoffte Verstärkung. Seine Statements lassen jedenfalls schon einmal erkennen, dass da einer so richtig Bock hat, sich in der Bundesliga zu beweisen. Na dann: Hau rein!


Auch in unserem Lilien-Podcast „Hoch & weit“ sprachen wir am Montag über das Gladbach-Spiel, Änis Ben-Hatira und das anstehende Duell gegen Köln: LINK


Der Kontrahent hat das Wort:

Effzeh-Fan Axel hat sich mit „Der vierte Offizielle“ (LINK) im Blogger- und als Bestandteil von „Drei90“ (LINK) im Podcast-Universum einen Namen gemacht.

Axel, der Effzeh ist im bisherigen Saisonverlauf zumeist der zweitbeste NRW-Klub. Wie konnte das passieren?
Die harte, seriöse Arbeit der letzten Jahre scheint sich am Geißbockheim langsam aber sicher auszuzahlen. Peter Stöger weiß was die Mannschaft kann und was nicht, stellt dementsprechende Matchpläne auf und hat damit den Erfolg, der sich in der Tabelle wiederspiegelt. Das ist nicht immer Hummersüppchen, aber auch Schwarzbrot kann satt machen. Und wenn es uns die Punkte für eine ruhige und im Zweifel sogar schöne Saison einbringt, dann hätte ich da gerne mehr von. Natürlich ist das alles auch dem Umstand geschuldet, dass von den vermeintlich besseren Clubs wie Leverkusen oder Gladbach (Schalke lassen wir da mal raus) nicht die erwartete Leistung abgerufen werden konnte. Das ändert aber nichts daran, dass der Effzeh zu Recht dort steht, wo er eben im Moment steht.

Dennoch habt ihr die letzten sechs Begegnungen nicht gewinnen können. Und selbst euer letzter Sieg war einem Sonntagsschuss in der Nachspielzeit zu verdanken. Wie erklärst Du Dir die kleine „Ergebniskrise“?
Ich sehe da keine wirkliche Ergebniskrise. Richtig ist, dass ‚wir‘ sechs Spiele nicht gewonnen haben, aber im gleichen Atemzug muss man auch erwähnen, dass fünf Spiele nicht verloren wurde. Dabei gab es immerhin Unentschieden gegen den BVB und Bayer Leverkusen. Der Ausreißer nach unten ist in dieser Phase sicher das 0:4 in Hoffenheim, was aber auch ein Freak-Spiel war und genausogut 1:0 für uns hätte ausgehen können. Oder zumindest 1:1…
Klar, unser Spiel ist bis zu einem gewissen Grad abhängig von Tony Modeste, der schon 13 Tore in der Saison erzielt hat und enorm wichtig für uns ist. Mit der großen Anzahl von Verletzten ist es aber immer schwieriger ihn in eine gute Positionen zu bringen. Auf links fehlte Bittencourt bis zum letzten Spieltag, Marcel Risse fällt über die gesamte Saison aus und schon haben wir zwei Kreativspieler weniger, die in der Lage sind Modeste so zu bedienen, wie wir es uns wünschen würden. Vom Rest des Sturms kommt manchmal zu wenig und so müssen wir halt mit ein paar Unentschieden leben.

Du sprachst Marcel Risse an, wie groß ist die Hypothek seines Ausfalls wirklich?
Enorm. Marcel Risse ist ein Musterbeispiel für die Entwicklung, die die Mannschaft unter Peter Stöger durchgemacht hat. Er steigerte sich von Halbserie zu Halbserie, war zuletzt sogar für Standards zu gebrauchen, eine Sache, die wir lange vermisst haben. Und dann zieht er sich bei so einer dummen Im-Rasen-hängen-bleiben-Aktion eine derart schwere Verletzung zu. Die Reha scheint ganz gut zu laufen (nach allem was man hört) und wir sind optimistisch, dass er im Sommer wieder dabei sein kann. Bis dahin klafft aber eine Lücke auf rechts, die durch Olkowski leider nicht 100%ig ausgefüllt werden kann, auch wenn der Pole seine Sache ganz gut macht.

In der Winterpause verließ die ehemalige Lilie Mergim Mavraj den Effzeh als Stammspieler zum HSV. Eine nachvollziehbare Personalie?
Ja. Mavraj kann in Hamburg gutes Geld verdienen, der HSV bekommt einen soliden Innenverteidiger und der 1.FC Köln noch eine Ablösesumme, die im Sommer nicht fällig gewesen wäre. Auch wenn ich anfangs den Transfer aus Vereinssicht nicht ganz nachvollziehen konnte, so muss ich eingestehen, dass es für alle Beteiligten eine Win-Situation ist.

Kocka Rausch wechselte im Sommer von Darmstadt zu euch. Wie hat er sich bislang ins Kölner Spiel eingebracht?
Schwierige Frage für mich. Ich bin nicht der größte Rausch-Fan. Seine Flanken und Standards sind aktuell unterirdisch schlecht und auch seine Abspiele – sogar seine Einwürfe – landen (gefühlt) öfter beim Gegner als beim Mitspieler. Einsatz und Kampfgeist kann man ihm nie absprechen, aber dennoch bevorzuge ich Bittencourt auf links.

Du hattest bereits die Torausbeute von Modeste angesprochen. Beunruhigt es dich nicht, dass der Effzeh so stark von ihm abhängig ist? Er erzielte zwei Drittel aller Tore.
Das ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite freut man sich als Fan natürlich immer, wenn man einen echten „Goalgetter“ (schönes Wort, oder?) in der Mannschaft hat, auf der anderen Seite ist die Gefahr groß, dass bei Formschwäche, Sperre oder Verletzung das System nicht umfokussiert werden kann. Die Sache ist: Uns bleibt nichts anderes als zu hoffen, dass Modeste in dieser Saison nicht ausfällt, denn mit Zoller, Olkowski, Osako und Clemens haben wir nur Alternativen im Sturm, die bisher die große Torgefahr vermissen ließen.

Was für eine Rückrunde erwartest Du vom Effzeh?
Tja. Gute Frage. Um ehrlich zu sein, habe ich ein bisschen Schiss vor der Rückrunde, weil ich nicht wirklich einschätzen kann, wann es zu einem Unzufriedenheitsloch im breiten Umfeld kommen kann. Für mich reicht eine ruhige Rückrunde, möglichst schnell 40 Punkte und dann gucken was geht. Ich denke auch, dass ich mit dieser Denkweise nicht alleine bin. Aber mit den Medien und der Foklore in Köln ist das ja immer so eine Sache.

Ihr seid beim Drei90-Podcast zu viert. David spricht als Darmstädter immer wieder über die Situation bei den Lilien. Was traust Du dem SVD in der zweiten Saisonhälfte noch zu?
Ich würde mir wünschen, dass der SVD noch die Kurve kriegt, denn in meinem Herzen ist – schon allein aus alter Verbundenheit – immer ein Platz für die Lilien. Ich fürchte aber, dass es wirklich schwer wird mit dem Klassenerhalt. So platt es sich anhört, es müssen wieder die „alten Tugenden“ ausgepackt werden, die unter Schuster für den enormen Erfolg gesorgt haben. Kampf, Zusammenhalt, Einsatz, erwähnte ich schon Kampf? Und Kampf natürlich. Für spielerisches Chichi bleibt keine Zeit.

Das Duell am Böllenfalltor endete letzte Saison 0:0. Beide Klubs starteten am vergangenen Wochenende ebenfalls torlos ins Fußballjahr 2017. Da haben wir doch schon das Ergebnis.
Bitte nicht schon wieder. Das Spiel letztes Jahr habe ich noch lebhaft in Erinnerung, es war kalt, ich war bei den netten Leuten vom Fanradio zu Gast, das Spiel war eher mies und irgendwie sah es so aus als würde da nie ein Tor fallen. Ich hoffe, dass es dieses Jahr nicht so zäh wird.

Wir werden es erleben. Axel, vielen Dank für das Gespräch.
Sehr gerne. Viel Glück für den Rest der Saison. In Sachen Fußball unterwegs … 🙂


An diesem Wochenende vor vier Jahren:

Verhinderte das Winterwetter den Start in die Drittliga-Rückrunde. Das Tabellenschlusslicht aus Darmstadt testete deshalb spontan gegen Oberligist FC Nöttingen. Einen Treffer zum 6:1-Sieg steuerte der kurz zuvor verpflichtete schwedische Angreifer Freddy Borg bei. Es sollte sein einziger Treffer im Lilien-Dress bleiben. In 14 Rückrundeneinsätzen ging er komplett leer aus. Dabei hatte Dirk Schuster nach Borgs Verpflichtung noch hoffnungsfroh gesagt: „Er ist ein Mann für das Sturmzentrum, der weiß, wo das Tor steht. Zudem besitzt er Stärken als Vorlagengeber. Hiervon werden unsere anderen Offensivkräfte profitieren und unser Angriffsspiel kann variabler gestaltet werden.“ Am Vorabend des Testspiels hatten Fans und Mannschaft am Böllenfalltor den Schulterschluss geübt. Beide schworen sich mit der Aktion „Druff Kapell! Darmstadt kämpft!“ auf den gemeinsamen Abstiegskampf ein.

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