4. Spieltag (#msvd98): „Das Team verteidigt nicht nur ängstlich ein Pünktchen.“

Die letzte Zweitligabegegnung des SVD beim MSV datiert vom 30. Mai 1993. Damals war ein Großteil des aktuellen Lilien-Kaders noch gar nicht geboren. Die Westdeutschen behielten seinerzeit mit 1:0 die Oberhand. Einen Monat später verschwand der SVD für zwei Jahrzehnte in der Dritt- und Viertklassigkeit, während der MSV immer wieder in der Bundesliga mitmischte. Vor dem Aufeinandertreffen am Freitagabend sind die Vorzeichen ein wenig anders. Die 98er kommen als Bundesligaabsteiger, die Zebras feierten zuletzt die Drittligameisterschaft. 

So sieht’s aus:

Das war dann mal die richtige Antwort. Nachdem die Lilien in der noch jungen Spielzeit wenig überzeugt hatten, drehten sie beim 3:0-Sieg gegen den starken FC St. Pauli richtiggehend auf. Laufleistung und Einstellung stimmten, die Tore fielen zum richtigen Zeitpunkt, und dann wählten die 98er auch noch die richtige Taktik. Der Ball wurde überwiegend den Gästen überlassen, die sich gegen aggressive 98er aber nicht entscheidend in Szene setzen konnten. Hatten die Lilien beim vorangegangenen Ligaspiel in Lautern noch 69 Prozent Ballbesitz, so kamen sie am letzten Freitag auf gerade einmal 33 Prozent. Dann war allerdings mehr Zug drin als zuvor. Vorne effizient, hinten eine aufmerksame Leistung und wenn doch einmal ein Schuss aufs Tor kam, dann wuchs Daniel Heuer Fernandes über sich hinaus. Fertig war das Erfolgsrezept. Die Lilienfans dürften noch länger positiv auf ein denkwürdiges Flutlichtspiel bei Dauerregen zurückblicken.

Vielleicht war das Spiel sogar der Brustlöser für die Zweitligasaison? Die Stimmung war jedenfalls im und um den Verein prächtig. So kann das weitergehen. Jetzt wartet mit dem MSV Duisburg ein Aufsteiger auf die Lilien. Wie man dort tunlichst nicht antreten sollte, hatte der SVD vor zwei Wochen in Regensburg leidvoll erfahren müssen. Damals schied er kläglich beim MSV-Mitaufsteiger im Pokal aus. Der vermeintliche Underdog war giftiger, williger und sogar spielerisch besser. Es ist zu erwarten, dass Torsten Frings sein Team noch ein paar mal an die Pleite in Regensburg erinnert. Denn sollte es im Westen nichts zu holen geben, dann wäre der schöne Wohlfühlerfolg gegen St. Pauli nur ein Ausreißer nach oben gewesen. Was von den Duisburgern zu erwarten ist, das sagt mir Trainer Baade.


Der Kontrahent hat das Wort:

Trainer Baade zählt zu den bekanntesten Bloggern der Republik. Seine Seite bietet neben aktuellen Beobachtungen rund um den Fußball ein buntes Sammelsurium an Statistiken und Erhebungen (KLICK). Legendär sind seine Quizfragen, mit denen er zahlreiche Fußballfans regelmäßig herausfordert. Sein Herz schlägt für den Meidericher Spielverein aus Duisburg.

Trainer Baade, abgesehen von den jüngsten Zweitligaaufstiegen, wann war Deine letzte wirklich glückliche Saison mit den Zebras?
Da kann ich leider die Aufstiegssaisons nicht rauslassen, denn die schönste war tatsächlich die letzte Aufstiegssaison 2016/17. Als dauerhafter Tabellenführer in die Partien zu gehen und fast sicher zu wissen, dass man nicht verlieren wird, war eine wirklich völlig neue – und sehr tolle – Erfahrung. Ansonsten ist man in Meiderich eher bemüht, bloß nicht abzusteigen, an erfolgreichen Fußball ist kaum zu denken. Das war letzte Saison anders, und so habe ich deutlich mehr Auswärtsspiele mitgemacht als sonst (wobei ich jetzt kein „Erfolgsfan“ bin). Dass Trainer Gruev auch feiern kann, hat er beim Platzsturm bei Fortuna Köln bewiesen, als er mit Fahne in der Hand an mir vorbeirauschte. Eine wirklich vollauf gelungene Sache, diese letzte Saison, und deshalb so erinnerungswürdig, weil es sonst eben total anders läuft mit dem MSV.
Bei anderen Saisons war es wohl die 1997/98, die zwar mit dem unrühmlichen 1:2 im Pokalfinale – Stichwort Tarnat-Foul an Salou – endete, aber in der Liga viele schöne und nicht zuletzt erfolgreiche Spiele bot. Markus Osthoff, von dem hätte ich immer noch gerne ein Kind, war absolut begeisternd für mich. Und dass genau er dann letztens bei einem Fußballquiz in Duisburg anwesend war, das war natürlich geil. Da war ich dann wieder 12 Jahre alt und hab ihn verehrt. Zumal er sich dann auch eloquent und nicht auf den Kopf gefallen präsentierte, was bei Fußballern nicht immer so ist. Leider habe ich keine Saison in den 1970ern miterlebt, als man regelmäßig den FC Bayern – sogar in dessen Hochzeiten – schlug. Aber dem alten Wedaustadion weine ich keine Träne nach, das war zwar trotz Laufbahn ganz nett, das neue Stadion ist aber eine ganz andere Dimension. Stimmung auch, wenn es nur halbvoll ist. Ich bin froh, dass es existiert.

Wenn ich an Duisburg denke, dann fallen mir zwei Ex-Lilien ein, die später beim MSV landeten: Einmal Gino Lettieri, der in Darmstadt als junger Trainer ziemlich viel Chaos hinterließ, und Benni Kern, den ich als feinen Kicker vor Augen habe. Welche Erinnerungen hast Du an die beiden?
An Kern habe ich keine besondere Erinnerung, obwohl er quasi Stammspieler war, an Lettieri nur negative. Er scheint einfach den falschen Beruf gewählt zu haben. Weder taktisch noch menschlich sollte so jemand ein Team im Profifußball führen. Wie er sich verkauft, ist einfach zum Davonlaufen. Und dann passen so Nachrichten ins – sehr negative – Bild, dass er letztens in Polen gegenüber seiner eigenen Mannschaft übel ausfällig geworden ist. Es ist traurig, dass man beim MSV so jemanden überhaupt auswählte. Kein gutes Händchen von den Verantwortlichen. Zum Glück ist er weg und kommt hoffentlich nie wieder – und ich bin in der Regel ziemlich nachsichtig mit Trainern. Insofern ist das schon sehr ernst gemeint, dass Lettieri eine völlige Pfeife war. Das mit dem Chaos in Darmstadt wundert micht also nicht. Manche erkennen irgendwann ihre Schwächen und arbeiten daran, Lettieri offenbar nicht.

Die letzten Jahre pendelte der MSV zwischen der 2. und 3. Liga hin und her. Wie groß sind die Chancen, dass sich der Klub endlich wieder im Unterhaus etabliert?
Anderthalb würde ich sagen. Anderthalb mal so groß wie beim letzten Mal, als man am Ende zu Recht abstieg. Vor der aktuellen Saison hab ich wirklich mit dem Schlimmsten gerechnet. Denn obwohl der MSV verdienter Meister in der 3. Liga geworden war, fehlte dem Team vor allem in der Offensive die Power. Ich bin ganz, ganz großer Fan vom King, also von Kingsley Onuegbu. Es hatte aber seine Gründe, wieso er in der Zweitligasaison letztens nur vier Tore erzielte. Er ist nicht schnell, er ist sehr physisch, hat eigentlich wenig Nerven vor dem Tor, aber dann doch eine zu geringe Qualität, um in der 2. Bundesliga echte Gefahr einzubringen, bzw. ist das zu selten der Fall. Nun hat man Borys Tashchy vom VfB Stuttgart geholt. Seine Bilanz bislang: 2 Tore in 3 Ligaspielen. Kann man nicht meckern. Ob er sich dauerhaft durchsetzt, da hab ich dennoch so meine Zweifel. Auch, weil er bislang recht undefinierbar spielt.
Weiterhin ein großes Plus scheint die Defensive zu sein. Torhüter Flekken ist zweitligatauglich, hatte zuletzt in 38 Spielen nur zwei oder drei echte Fehlgriffe, hat die Lufthoheit und kann anders als Vorgänger Ratajczak auch mit dem Fuß was, da muss man keine Angst haben. Jedenfalls waren wir vor zwei Saisons eine echte Schießbude in der 2. Liga. Das scheint jetzt anders zu sein. Dass man zuletzt in Heidenheim nicht nur gewinnt, sondern auch über weite Strecken das Spiel beherrscht, war jedenfalls ebenso positiv wie die absolut dominante 1. Halbzeit gegen den VfL Bochum. Da hab ich meinen Augen kaum getraut – aber es standen auch fünf Neuzugänge in der Startelf, eine halbe neue Mannschaft also. Vor allem Nauber ist ein guter Griff. Gefällt mir als Typ, spielt sehr geradlinig. Und ja, ich glaube wirklich, dass man diesmal nicht absteigt, wenn man diese aktuellen Leistungen bestätigen kann.

Na das klingt doch ganz zuversichtlich …
… ob man sich dann aber wirklich etabliert … weiß ich nicht. Immerhin hatte Manager Ivo Grlic etwas vollmundig bei einer JHV versprochen, nicht eher zu ruhen, bis der MSV wieder in der 1. Liga spielt. Als immer noch 15. der ewigen Tabelle der 1. Bundesliga eigentlich kein falscher Anspruch. Die Zeiten sind mit Leipzig, Hoffenheim etc. aber andere geworden und einen Mäzen – seit dem Nepotisten Hellmich muss man sagen: zum Glück – hat der MSV nicht. Wenngleich dieser Ausrüster Capelli jetzt ein bisschen mehr reinschießt als üblich wäre. Angeblich kam das alles zustande, weil der CEO mal bei einem MSV-Spiel war und von der Atmosphäre so begeistert war. Kann eigentlich nur das Spiel gegen Holstein Kiel gewesen sein, als man mit einem 3:1 den Aufstieg festmachte. Ausnahmsweise mal mit 31.000 Zuschauern ausverkauft, ansonsten kommen ja immer nur die üblichen 14-16.000. Die sind aber anders als früher nicht mehr die ewigen Ruhrpott-Meckerköppe, sie liefern wirklich große Unterstützung und sorgen zumindest atmosphärisch für ein tolles Fußball-Erlebnis. Aktuell trägt die Mannschaft dazu bei, dass man den einen oder anderen Fehlpass oder sogar eine Niederlage verzeiht. Ich glaube, alle haben noch den Lizenzentzug von vor einigen Jahren im Hinterkopf. Das hat vieles verändert, da vergisst man nicht so schnell, dass man mal kurz vor dem Exitus stand.

Du hast es schon angedeutet, Du bist mit der aktuellen Spielweise des MSV ganz zufrieden. Mit vier Punkten aus den ersten drei Spielen liegt der Klub im Soll. Wer sind für dich die Hoffnungsträger im aktuellen Team?
Von Schnellhardt erwarte ich sehr viel, vielleicht zu viel. Vielleicht ist er doch nicht so ganz der Mini-Platini der 2010er Jahre, wie ich ihn gerne sehen würde. Er ist sehr ballgewandt, finde ich, und hat ein super Auge. Aber vielleicht fehlt ihm doch ein wenig die – nomen est omen – Schnelligkeit. So richtig rasch geht das nicht immer, was er so vorhat. Wenn es allerdings klappt, ist es meist sehr sinnvoll.
Von Tashchy weiß ich – wie gesagt – nicht, was ich von ihm halten soll, obwohl ich ihn jetzt schon einige Minuten gesehen habe. Ich hatte vor der Saison bei Twitter gefragt, was von ihm zu halten ist. Die VfB-Leute klangen alle nicht sehr Mut machend, er sei zwar sehr fleißig, aber vor allem gedanklich zu langsam. Aber dann hat er jetzt zweimal getroffen und ist auch nicht irgendwie negativ abgefallen.
Der neue Innenverteidiger Gerrit Nauber wird der Kern, die Stütze, das Herz der Mannschaft sein oder werden oder ist es schon. Das Problem ist ja immer, dass die Leute nicht zu gut werden dürfen, denn sonst sind sie sofort weg. Das ist echt eine Krux, aber das kennt man in Darmstadt nach der ersten Bundesliga-Saison genauso.
Flekken im Tor hatte ich erwähnt. Ich mochte auch Ratajczak sehr, aber er durfte halt die Linie nicht verlassen, dann war immer Alarm. Flekken wirkt wie ein moderner Torwart, der sogar jemanden ausdribbeln könnte. Besser allerdings, wenn er das möglichst selten muss. Insgesamt sehe ich das Team nach den bisher gespielten Partien tatsächlich in der 2. Liga angekommen und dort nicht nur ängstlich ein Pünktchen verteidigend, sondern sogar dem Gegner das Spiel aufdrückend. Und darauf hatte ich nicht zu hoffen gewagt.

Was erwartest Du von den Lilien in dieser Saison?
Eigentlich nur einen guten Mittelfeldplatz. Irgendwas zwischen 6 und 10. Dass sie dauerhaft oben mitspielen, erwarte ich nicht, muss aber gestehen, dass ich mich mit dem Team kaum auskenne. Großkreutz hat natürlich für ein wenig Aufmerksamkeit gesorgt, zudem glaube ich, dass man dort einen sehr guten Teamgeist hat.

Zum Abschluss: Was fällt Dir ein, wenn Du an die Lilien denkst und welche Quizfrage würde Dir spontan rund um die 98er einfallen?
Mir fällt ein, dass sie zusammen mit dem MSV 1982 abgestiegen sind. Woraufhin „Ennatz“ Dietz – „so lange ich spiele, wird der MSV nicht absteigen“ – ja den Frevel beging, ausgerechnet zum FC Schalke 04 zu wechseln. Zurecht bestraft mit dem dortigen Abstieg. Und dass mir „Lilien“ als Spitzname für eine Fußballmannschaft sehr gut gefällt.
Als Quizfrage fiele mir ein, wie viele Saisons der SV Darmstadt 98 in der 1. Bundesliga spielte. Und vielleicht, welcher Mann aus diesem Club mal „Trainer des Jahres“ in Deutschland war. Okay, für Lilien natürlich zu einfach, aber an ein allgemeines Publikum gerichtet vielleicht ganz nett.

Besten Dank Trainer Baade.
The pleasure was on my side : )


Auf die Ohren: Unser Lilien-Podcast

Kai, Daniel und Mike haben in dieser Woche die Fahne für unsere urlaubsbedingt geschrumpfte Fünferrunde hochgehalten. Die Stimmung der Jungs war schon beinahe euphorisiert. Für das Spiel in Duisburg gibt Mike eine simple Botschauft aus: Das erste Tor schießen! Und als es an die vermischten Themen rund um die Lilien und deren Fanszene ging, da rief plötzlich der Lehrer von Kais Tochter an … Sachen gibt’s: KLICK


Gleiche Liga, gleicher Spieltag: Saison 2014/15

Quelle: kicker

3 Gedanken zu “4. Spieltag (#msvd98): „Das Team verteidigt nicht nur ängstlich ein Pünktchen.“

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  2. Victor Obinna kam noch vom MSV zu uns. Ich habe in „Nur die zweite“ gehört, dass die Duisburger ihn gerne zurücknehmen würden, er aber wohl zu viel Geld/Gehalt fordert. Ich fand es schade dass man dem Herz der Mannschaft des MSV in 2015/16 beim SVD keine echte Chance gegeben hat. Zwar war er auch selbst dran Schuld [4 Spiele Sperre zu Beginn der Saison], aber dann nur den Einsatz bei Astoria Walldorf, bei dem man nicht glänzen konnte und ein paar Einwechslungen (ich erinnere mich nur an das Hinspiel auf Schalke, wo er nach anfänglicher Nervosität eigentlich sehr aktiv war) war schon alles. Noch trauriger ist nur, dass wir es nicht schaffen Roman Bezjak in die Mannschaft zu integrieren.
    ABER EBEN HABEN WIR FELIX PLATTE AN DER ANGEL. JAAAAAAAAAAA

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