Am Freitag nimmt der SV Sandhausen die rund 70 Kilometer auf der A5 nach Norden, um beim SVD seine Visitenkarte abzugeben. Das letzte Heimspiel im Sommer 2014 war gleichbedeutend mit der Zweitligarückkehr der Lilien nach 21 Jahren. Dominik Stroh-Engel stellte damals per Handelfmeter den 1:0-Sieg sicher. Ein Ergebnis, das am Wochenende alle im und um das Böllenfalltor mit Handkuss nehmen würden. Es wäre der erste Dreier seit zwei Monaten!
So sieht’s aus:
Tjoah. Kein Zweifel, das 2:2 vor zwei Wochen in Braunschweig war eine gefühlte Niederlage. Bis in die Nachspielzeit führte der SVD bei den Niedersachsen, dann griff Joël Mall kapital daneben und Patrick Schönfeld staubte zum Ausgleich ab. Ausgerechnet jener Schönfeld, der an einem Maiabend im Jahr 2014 das Trikot der Arminia trug und damit die legendäre Relegationsniederlage gegen die Lilien aus allernächster Nähe miterleben musste.
Das Unentschieden in Braunschweig war definitiv zu wenig. Die Fans sahen zwei Teams, die angesichts der Vorleistungen nicht mit der breitesten Brust aufliefen. Der frühe Rückstand hätte den Lilien eigentlich einen Knacks geben können, doch mit ein wenig Glück blieben sie im Spiel und drehten es tatsächlich. Die Gastgeber fielen anschließend vor allem durch ihre Ideen- und Harmlosigkeit auf. Umso bitterer, dass sich die Blau-Weißen nicht für ihren Fight belohnten.
Klar, die Hausherren hatten mehr vom Spiel, schafften es aber durch ihr wenig zwingendes Spiel nicht, das Publikum aus seiner Lethargie zu reißen. Eine dankbarere Konstellation kann man sich als Gästeteam nicht wünschen. Dass es dann doch nicht zum Sieg reichte, war neben Malls Fehlgriff, dem weitestgehenden Einstellen der eigenen Offensivaktionen geschuldet. Die Lilien schaffen es zu selten Geschwindigkeit aufzunehmen und gefährliche Gegenstöße zu initiieren. Sie verstanden es nicht mehr, Gefahrenmomente zu kreieren und die Hausherren zu beschäftigen. Sie beschränkten sich darauf, hinten nichts zuzulassen. Sie ließen die Eintracht mit zunehmender Spieldauer bis 25 Meter vor dem Tor gewähren. Für meinen Geschmack eine zu passive Herangehensweise. So war es irgendwie nur konsequent, dass letztlich aus der einzigen halbwegs gefährlichen Situation der Ausgleich resultierte: IT’S A SHIT!
Das Remis trug nicht unbedingt dazu bei, die Stimmung in der Länderspielpause aufzulockern. 17 Punkte stehen aktuell auf dem Konto. Abgesehen von Greuther Fürth, Heidenheim und Kaiserslautern rücken die Kellerkinder den 98ern allmählich auf die Pelle. Immerhin ist Sandro Sirigu nach der fahrlässigen und kopflosen Attacke der Ex-Lilie Julius Biada im Braunschweig-Spiel schon wieder fit. Zudem kehrt Hamit Altintop nach seiner Sperre wieder zurück. Weiterhin verzichten müssen die Lilien auf Tobi Kempe, Daniel Heuer Fernandes und Felix Platte. Mit Sandhausen kommt nun ein Klub ans Bölle, der zuletzt ein wenig aus dem Tritt gekommen war. Moritz stellt sich meinen Fragen zu dem Klub aus dem Süden Heidelbergs.
Der Kontrahent hat das Wort
Das Herz von Moritz hängt eigentlich am Effzeh aus Köln. Doch getreu dem Motto „Support your local team“ besitzt er eine Dauerkarte beim SVS.
Moritz, die Tabelle der letzten sechs Spieltage weist unsere Klubs als 17. und 18. aus. Wie würdest Du den bisherigen Saisonverlauf des SVS skizzieren und warum lief es zuletzt schlechter?
Grundsätzlich ist es für Sandhausen in Liga 2 ja wie für euch in Liga 1: Alles über Platz 16 ist eigentlich sensationell. Die Saison lief bisher gut, zuletzt kehrte etwas der typische Schlendrian ein – was nach Siegen gegen Kaiserslautern und Union Berlin auch ein wenig menschlich ist. Was man außerdem nicht vergessen darf ist, dass zwischenzeitlich eine Achse aus dem besten Innenverteidiger (Kister), dem Kapitän auf der Sechs (Kulovits) und den beiden mit Abstand besten Angreifern (Wooten und Höler) verletzt ausfiel. Das können sicher nur wenige Zweitligavereine einfach so kompensieren, der SV Sandhausen eben nicht.
Sandhausen würde gerne mit Coach Kenan Kocak verlängern, die Gespräche erweisen sich aber seit längerem als Hängepartie. Andere Klubs haben offenkundig Interesse an Kocak. Das liest sich so, als ob er eher geht als bleibt.
Das ist von außen überhaupt nicht richtig einschätzbar. In Sandhausen war es eigentlich beschlossene Sache, dass Leistungsträger wie Paqarada, Wooten und Kister im vergangenen Sommer ablösefrei wechseln würden, und dann wurden die Verträge nahezu geräuschlos einfach zu Saisonende verlängert. Geschäftsführer Otmar Schork war jahrzehntelang nicht im Profifußball tätig, sondern Schadensregulierer bei einer Versicherung, der erledigt die Dinge irgendwie anders. Dass Kocak aber zukünftig bei jedem Verein mit in der Verlosung sein dürfte, der einen neuen Trainer braucht, dürfte hier allen klar sein.
Sandhausen hatte in den letzten Jahren bei den Trainerverpflichtungen oft ein gutes Händchen. Gerd Dais kam als „Wiederholungstäter“, Alois Schwartz und nun Kocak waren und sind ebenfalls erfolgreich. Ist ein guter Fang auf dem Trainerstuhl in Sandhausen ein wenig wichtiger als anderswo, oder ist meine Vermutung übertrieben?
Der Verein hat in dieser Hinsicht auf jeden Fall dazugelernt und verpflichtet nicht mehr nach Namen, wie das bei Boysen und Dotchev womöglich der Fall war, sondern nach Übereinstimmung in der Philosophie, Spielern aus Liga 3 und 4 die Gelegenheit zum Hineinwachsen in die zweite Liga zu geben, so wie das bei jedem Profi geklappt hat, der zuletzt in höhere Ligen oder zu größeren Vereinen wechselte. Mittlerweile befindet sich der Club da tatsächlich in der komfortablen Situation, da einen guten Ruf zu besitzen. Dass immer mehr Erstligisten ihre U23 auflösen, hilft da nur. Und Kocak schafft es, genau wie Schwartz zuvor, diese Spieler einzubinden und besser zu machen. Ich glaube nicht, dass das mit den etablierten Namen so einfach möglich wäre.
Heutzutage bringen neue Coaches in der Regel ihren eigenen Co-Trainer mit. Der langjährige Spieler und Trainer der 98er, Gerhard „Kleppo“ Kleppinger, ist seit fünf Jahren unter dem inzwischen dritten Trainer bei Euch. Was macht ihn so wertvoll?
Das ist wahrscheinlich eine Frage, die nur Trainerstab und Spieler erschöpfend beantworten können. Meine Perspektive vom Stehplatz aus ist, dass alle seinen Rat suchen – oft diskutiert er zur Halbzeit Dinge mit Kenan Kocak und es steht schon irgendein Spieler dabei, um auch noch etwas beizutragen.
Laut transfermarkt.de ist Sören Halfar inzwischen in Eurem Scouting gelandet. Frank Löning ist Fanbeauftragter. Ist die Rückkehr von Ex-Spielern in den Mitarbeiterstab ein Beleg für die familiäre Atmosphäre beim SVS?
Dass Frank Löning als Fanbeauftragter zurück nach Sandhausen gekommen ist hat hier, soweit ich das sehen kann, alle gefreut. So richtig glücklich war mit seinem Abgang 2014 niemand außer vielleicht Alois Schwartz, der ihn damals mehr oder weniger aussortiert hatte. Familiäre Atmosphäre trifft es also schon, dazu gehört natürlich auch, dass es für die Spieler in einer gewissen Lebensphase attraktiv sein dürfte, nicht in der Großstadt zu leben, sondern im gemütlichen Speckgürtel um Heidelberg, wo man erst die Kinder zur Schule bringt und danach zum Training radelt. Das zieht dann wiederum eine bestimmte Art von Profis an, denen die Ruhe womöglich wichtiger ist, als der extra verbreiterte Geländewagen.
Viele Tore fallen bei Spielen mit Sandhausen bislang nicht. Klingt nach safety first und kontrollierter Offensive. Stimmt der Eindruck und wie tritt Sandhausen bislang auswärts auf?
Stimmt schon, mit 15 erzielten Toren ist Sandhausen eher nicht so weit vorne dabei – attraktiv wird es offensiv aber trotzdem durchaus, vor allem wenn mal ein bisschen Platz da ist. Generell hat das Team da unter Kocak einen enormen Sprung gemacht, während Schwartz ein eher klassisches „Mauern und Kontern“ gespielt hat. Auswärts tut sich das Team trotzdem bisher deutlich schwerer, wenn man mal den Ausreißer in Dresden (4:0-Sieg) außen vor lässt, stehen da zwei Unentschieden und drei Niederlagen zu Buche.
Welche Spieler willst Du am Freitagabend auf jeden Fall in der Startelf sehen und warum
Ein fitter Lucas Höler hat zuletzt enorm gefehlt, nicht nur weil er torgefährlich ist, sondern weil er auch immer läuft. Also nicht im Sinne von „Der kämpft noch“, das tut er eh, sondern Lucas Höler läuft immer, bleibt nie stehen. Wenn er im Saft steht, wird er eure Innenverteidigung unheimlich nerven, weil die nicht mal wenn der Ball an unserer Torauslinie ist Ruhe haben. Ich bin sehr gespannt, bei welchem Erstligisten er perspektivisch landen wird.
Moritz, besten Dank für Deine Antworten.
Auf die Ohren: Der Lilien-Podcast
Kai, Mike, Christian und ich diskutierten am Anfang unserer letzten Folge lieber über die Musik in den 90ern, als über den Last-Minute-Gegentreffer von Braunschweig. Aber natürlich kamen wir nicht umhin, das Spiel dann doch aufzuarbeiten. Zudem litten wir mit Sandro S. und prophezeiten Julius B. einen lebhaften Empfang beim Rückspiel. Als Rausschmeißer schauten uns noch an, wie sich denn die Junglilien gerade so machen. KLICK
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