„Wir haben zwar keinen Plan, aber wir lieben es, wenn er funktioniert.“ Dieser Spruch zierte die Lilien-Choreo mit dem Konterfei von Dirk Schuster beim letzten Gastspiel im Fürther Ronhof. Das war im Frühjahr 2015 und die 98er schickten sich an, die Bundesliga zu entern. Seit Montag ist der ehemalige Erfolgscoach wieder an Bord. Doch dieses Mal lautet seine Mission nicht Aufstieg, sondern Nicht-Abstieg.
So sieht’s aus:
Tja, sportlich äußerst bescheiden. Die Ära Torsten Frings, die mit so vielen Hoffnungen verbunden war, endete nach dem Offenbarungseid von Aue am vergangenen Wochenende. Die Ergebnisse und Auftritte der letzten Monate ließen leider keinen anderen Schluss zu, als den ehemaligen Nationalspieler vor die Tür zu setzen. Das Team ließ konstruktive Spielansätze vermissen, strahlte überhaupt kein Selbstbewusstsein mehr aus und ritt sich von Spieltag zu Spieltag tiefer in die Krise. Wie so oft, ist dann der Trainer das schwächste Glied. In einem „Einwurf“ hatte ich mich hierzu am Samstag schon detaillierter ausgelassen.
Jetzt soll es Dirk Schuster richten. Der langjährige Erfolgscoach war im Sommer 2016 unter störenden Nebengeräuschen nach Augsburg gegangen. Seither war es aber weder ihm, noch den 98ern sonderlich gut ergangen. Das Umfeld hat die Rückholaktion überwiegend positiv aufgenommen, denn Schuster hatte den Klub in ungeahnte Höhen geführt und kennt den Verein aus dem Effeff. Es gibt aber auch ein paar kritische Stimmen, die seiner Rückkehr skeptisch gegenüberstehen. Schon 2012/13 war er zur Winterpause gekommen. Er stabilisierte die Mannschaft zwar defensiv, konnte den sportlichen Abstieg aus der 3. Liga mit dem nicht von ihm zusammengestellten Kader aber nicht verhindern. In der kommenden Transferperiode wird zwar sicher ein wenig Bewegung in den Kader kommen, aber es bleibt eben überwiegend das Spielerpersonal von Torsten Frings, mit dem er den Turnaround schaffen muss. Wer an einen Selbstläufer glaubt, der sollte folglich gewarnt sein. Schuster und der Verein tun jedenfalls gut daran, sich voll und ganz auf die neue Situation einzulassen. SVD-Präsident Rüdiger Fritsch sagte am Dienstag richtigerweise: „Wir starten nach den anderthalb Jahren bei Null und werden die Sache so angehen, als ob es unsere erste Zusammenarbeit wäre.“
Die Rückrunde wird zur Nagelprobe für den SVD. Wie anders war da die Situation zum Ligaauftakt gegen Fürth. Die Verantwortlichen hatten ihre Hausaufgaben gemacht und einen vermeintlich schlagkräftigen Kader zusammengestellt. Die Sonne schien und die Gäste wurden (wenngleich nicht restlos überzeugend) mit 1:0 nach Hause geschickt. Da Fürth auch danach nicht viele Punkte sammelte, brachten sie ihren Trainerwechsel rasch hinter sich und wittern inzwischen wieder Morgenluft im Abstiegskampf. Ein Sieg am Sonntag und sie würden gar vor den 98ern auf einem Nichtabstiegsplatz überwintern. Aus Sicht eines SVD-Fans ein kaum zu fassendes Szenario! Daniel sagt mir, wie die Stimmung derzeit rund um den Ronhof ist.
Der Kontrahent hat das Wort:
Daniel schreibt in seinem Blog Grün-Weiss von Zeit zu Zeit über die Spielvereinigung aus Fürth und begleitet seinen Klub auch bei Twitter .
Daniel, mit Dirk Schuster ist seit Montag der Aufstiegstrainer zurück bei den Lilien. Er soll sie in der 2. Liga wieder in die Spur bringen. Das Szenario dürfte Dir bekannt vorkommen.
In der Tat. Als wir 2015, im Jahr nach unseren Relegationsspielen gegen den HSV (0:0 und 1:1), eine ähnlich schwache Phase hatten wie die Lilien derzeit, haben wir auch unseren Trainer freigestellt. Es kam der vormalige Erfolgstrainer Mike Büskens, so wie jetzt bei Euch Dirk Schuster. Bei uns hat das überhaupt nicht funktioniert. Büskens machte aus einer schwachen Mannschaft eine schlechte. Er führte uns aus dem unteren Mittelfeld in den Abstiegskampf. Nur zwei Siege, ein 1:0 gegen Darmstadt – das Freistoßtor von Stiepermann (ich denke, das sollte hier bekannt sein :D) – und ein 3:0 gegen Düsseldorf, sowie der Nichtabstieg dank nicht siegreicher Auer und Sechzger am letzten Spieltag waren das Ergebnis. Daher bin ich vielleicht etwas vorgeschädigt was solche Aktionen angeht. Ich halte Schuster aber für einen besseren Trainer als Büskens, und den Darmstädter Kader für besser, als den damaligen Fürther. Ich denke deshalb, dass der SVD mit dem Abstieg im Endeffekt wenig zu tun haben wird.
Für Euch läuft es derzeit immer besser. Am Samstag hättet ihr vor heimischen Publikum Heidenheim beim 1:0-Sieg aus dem Stadion schießen können. Zwei Wochen zuvor habt ihr genau das mit St. Pauli gemacht. Auch Aue und Sandhausen hatten zuvor das Nachsehen. Was macht Euch zuhause so stark?
Eine gute Frage. Zu gerne würde ich von der atemberaubenden Atmosphäre im Ronhof berichten, aber dafür bin ich zu sehr Realist. Vielleicht steckt unsere Mannschaft die Busfahrten nicht so weg, vielleicht hat unsere neue Haupttribüne eine belebende Wirkung auf die Spieler, ich kann es mir genauso wenig erklären, wie die meisten anderen Kleeblatt-Fans. Vor allem, wenn man die eklatante Auswärtsschwäche bedenkt. Wir ja sind als einziges Team bisher noch ohne Sieg in der Fremde.
Es liegt auch an dieser Harmlosigkeit auf des Gegners Platz, dass ihr immer noch im Tabellenkeller steht. Hattest Du das vor Saisonbeginn erwartet?
Nein, ganz im Gegenteil. Wie die meisten Experten und die meisten Fans habe ich mir auch erhofft und erwünscht, dass wir eine Saison hinlegen, in der wir mal unter den besten sechs oder sieben Teams landen würden. Und wenn man sich den reinen Kader anschaute und anschaut, dann waren diese Gedanken nicht unberechtigt. Aber so läuft das halt im Fußball, da passieren dann auch mal solche negativen Ausreißer. Dass der allerdings so ausfällt, dass man „nur“ 17 Punkte nach Abschluss der Hinserie hat, und dass ausgerechnet in diesem Jahr der Rest der Liga vergleichsweise extrem viele Punkte holt, ist natürlich doppelt bitter. Aber – wie gesagt – so läuft der Sport nun mal.
Was lief insbesondere am Anfang schief und was hat der Trainerwechsel von Janos Radoki zu Damir Buric bewirkt?
Die Fehler lagen wohl am meisten im Umgang mit den Spielern. Radoki und sein Team haben es nicht geschafft, aus guten Spielern auf und abseits des Feldes eine Mannschaft zu bilden. Buric hat gesagt, dass er erschrocken war, dass kaum Leben in der Mannschaft war. Er hat deshalb erstmal Teambuilding und dergleichen angesetzt. Zudem war unter Radoki eine große Fluktuation auf den Abwehrpositionen gegeben. Sie hat dann wohl bei den meisten Spielern das – durch Radokis sehr strenge Personalführung ohnehin geringe – Selbstvertrauen torpediert. Und tatsächlich, seit Buric mehr Stabilität und Leben in die Truppe gebracht hat, steht wieder eine Mannschaft auf dem Feld. Naja, zumindest zuhause. Auf jeden Fall haben wir dank Buric jetzt Anschluss an den Rest der Liga. Mit einem Sieg am Sonntag könnten wir zum ersten Mal seit dem Spiel in Kiel (Ende August) die direkten Abstiegsränge verlassen, wenngleich leider zu Ungunsten des SVD.
Ende November kehrte Rachid Azzouzi als Manager zurück, was Erinnerungen an bessere Zeiten weckt. Wie hat das Umfeld diese Personalie aufgenommen?
Überraschend positiv, was aber vor allem damit zusammenhängt, dass Ramazan Yildrim als Manager einfach nicht funktioniert hat. Er war dementsprechend unbeliebt. Bei Azzouzi geht man kaum Risiko ein, er kennt die Abläufe, das Personal, den Standort – eine Lösung, die zwar keine zukunftszweisende und revolutionäre ist, aber eine, die kurzfristig klappen kann und muss. Ob das funktioniert, werden wir dann im Mai sehen – aber so oder so, von seiner Beliebtheit aus den erfolgreichen Tagen hat Rachid bei uns nichts eingebüßt.
Ihr habt Euren Kader während der laufenden Saison mit Julian Green und Roberto Hilbert aufgepimpt. Wissen die beiden zu überzeugen?
Auf unterschiedlichen Ebenen auf jeden Fall. Hilbert hat viel Erfahrung in eine Mannschaft gebracht, die sich mit der negativen Situation derzeit nicht so gut auskennt. Als ehemaliger Nationalspieler, Meister und Pokalsieger ist er mit großem Abstand der erfahrenste Spieler bei uns, was höherklassigen Fußball und Drucksituationen angeht. Auf dem Platz macht er seine Sache ordentlich, vor allem aber kann Khaled Narey offensiv spielen, seit Hilbert als Rechtsverteidiger aktiv ist – und der schießt seitdem Tor um Tor, und war auch am 1:0 gegen Heidenheim beteiligt. Green wird in den letzten Wochen immer wichtiger. In unserem aktuellen System ohne Stoßstürmer spielt er eine sehr gute Rolle, und hat sich gegen Sankt Pauli mit seinem ersten Tor belohnt. Wenn er so weitermacht, wird er noch weitere Tore schießen.
Wer ist sonst aus Eurem Kader hervorzuheben und mit welcher Marschroute dürfte Buric das Team gegen Darmstadt auf den Platz schicken?
Wie angesprochen, Khaled Narey. Ansonsten Marco Caligiuri, der mit großer Seelenruhe einige gefährliche Situationen im Spiel entschärft. Leider fehlt am Sonntag Mario Maloca gelbgesperrt, der bisher als Abräumer sehr gut gespielt hat. Dann gibt es natürlich noch David Raum, unser größtes Talent, der gerade seinen Durchbruch erlebt, und mit 19 Jahren teilweise besser spielt, als seine erfahrenen Kollegen. Ansonsten werden wir wohl erstmal wieder sicher stehen und das Spiel ruhig halten wollen. Zuletzt haben wir meistens etwa 20 Minuten lang sicher zu spielen versucht, ehe wir in die Offensive gegangen sind. Ansonsten geht derzeit allgemein sehr viel bei uns über Umschaltspiel und Geschwindigkeit, sowie über Standards, da wir den ein oder anderen längeren Spieler haben.
Daniel, besten Dank für die Einblicke, die Du geben konntest.
Auf die Ohren: Der Lilien-Podcast
Unsere Folge am Montag nahm schon fast Rasenfunk-Dimensionen an. Beinahe zwei Stunden disktuierten Kai, Mike, Christian und ich über den schlechten Auftritt in Aue, die Nachwehen der Frings-Entlassung und was von der Rückholaktion von Dirk Schuster zu halten ist: KLICK
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