18 Spieltage sind in der 2. Bundesliga gespielt. Die Lilien überwintern mit 19 Punkten auf Position 13. Das scheint – bei sechs Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz 16 – durchaus in die Kategorie „sorgenfreie Saison“ zu passen. Sie hatte Dirk Schuster im Sommer als Maßgabe ausgerufen. Doch ist dem wirklich so? Ein Zwischenbilanz:
Mit einer 2:6-Klatsche kehren die Lilien heute aus Paderborn zurück. Ein Ergebnis, das schon zu Beginn der beiden Halbzeiten in der Luft lag. Nach den jeweiligen Ausgleichstreffern schienen die 98ern dem Gastgeber den Wind aus den Segeln genommen zu haben. Doch als dieser das Tempo wieder anzog, verlor die Liliendefensive den Durchblick. Auf der Zielgeraden hagelte es in 13 Minuten gar vier Gegentreffer.
Mangelnde Schnelligkeit & schwächelnde Säulen
Diese Phase legte exemplarisch offen, woran es den Lilien in dieser Saison immer wieder mangelt: Tempo … und das schließt ausdrücklich die Auffassungsgabe und Reaktionsschnelligkeit mit ein. Wie schon in Kiel, Dresden und auch gegen Köln entglitt dem SVD ein Spiel, auf das er irgendwann überhaupt keinen Zugriff mehr bekam. In Paderborn sahen selbst die Säulen des Teams verdammt alt aus. Das 0:1 leitete Tobi Kempe mit einem Fehlpass im Mittelfeld ein. Beim 1:2 wusste die Liliendefensive erst wie ihr geschah, als der Ball im Netz lag. Beim 2:3 ließ sich Fabi Holland widerstandslos überlaufen. Keine zehn Sekunden nach einer eigenen Ecke vollendete der SCP einen Konter, bei dem Daniel Heuer Fernandes einfach mal übereifrig als Feldspieler mitmischen wollte, und beim letzten Treffer agierte Aytac Sulu indisponiert. Gerade von den Routiniers Marcel Heller, Tobi Kempe und Aytac Sulu darf man unter dem Strich mehr erwarten, als sie bislang in dieser Saison angeboten haben. Diesen Anspruch werden sie auch an sich selbst haben. Erst recht Dirk Schuster, dessen System schließlich auf diesen Säulen aufbaut. Gerade mutig nach vorne spielende Teams stürzen die Truppe oft von einer Verlegenheit in die nächste.
Der Spielverlauf als Feind des Matchplans
Von den bislang 18 Ligapartien gingen exakt die Hälfte verloren. Nur in vier Partien hielt der SVD die Null. Davon seit dem fünften Spieltag nur noch einmal. In elf Aufeinandertreffen lagen die 98er mit 0:1 zurück. Ein Punktegewinn sprang noch in drei Spielen heraus, ein Sieg kein einziges Mal. Das verdeutlicht: Liegen die Lilien zurück, ist das Kind schon fast in den Brunnen gefallen. Die Defensive, in der ersten Ära Schuster noch das Prunktstück, ist keine Bank mehr. 33 Gegentore sprechen Bände. Im vergangenen Herbst, als dem Team unter Torsten Frings das Gespür für ihre Defensivaufgaben phasenweise völlig abhanden kam, waren es „nur“ 31. Die permanenten Rückstände sind eine (zu) hohe Bürde, für ein spielerisch doch mit arg überschaubaren Qualitäten ausgestattetes Team. Zudem konterkariert es die unveränderte Prämisse von Dirk Schuster: Hinten kompakt stehen und nach vorne Nadelstiche setzen. Wer in den meisten Spielen einem Rückstand hinterherläuft, der kann gar keine Nadelstiche mehr setzen. Die Herangehensweise an die Partien hat sich somit frühzeitig erübrigt. Der Matchplan eines schnellen Umschaltspiels läuft ins Leere, beziehungsweise trifft auf tiefer stehende Gegner.
Fehlende Automatismen
Dabei weiß Dirk Schuster um die Defizite seines Teams. Nach der vergangenen Spielzeit hatte er das mangelnde Tempo als einen Kardinalfehler im System erkannt. Hinzugekommen sind zwar Marcel Heller, Johannes Wurtz und der verletzte Selim Gündüz. Mehr Tempo als im letzten Jahr ist jedoch nicht erkennbar. 23 eigene Treffer im Vergleich zu 28 zum selben Zeitpunkt der Vorsaison unterstreichen das. Hinzu kommt eine irritierende Standardschwäche. In den letzten sechs Partien herrschte in dieser Hinsicht null Durchschlagskraft, weil die Bälle oft genug gar keinen Abnehmer erreichten. Zudem segeln die Flankenbälle regelmäßig ins Nirvana. Automatismen fehlen. Da mag die Mentalität noch so ausgeprägt sein, das Team tut sich einfach schwer, ins Rollen zu kommen.
Mangelnde Überraschungseffekte
Nun kann man natürlich einwenden, jeder wusste doch, wie ein Dirk Schuster spielen lässt, und dass die Offensive kein Feuerwerk abbrennen würde. Blöderweise wissen das die Gegner ebenfalls. Die Überraschungseffekte im Lilienspiel sind äußerst überschaubar. Wer sich von den 98ern nicht auf deren Niveau herunterzwingen lässt, der hat gute Chancen das Spiel siegreich zu bestreiten. Nun ließ sich noch einwenden, wieso ich hier eigentlich ein solch negatives Zwischenzeugnis ausstelle, wo das Team doch mit einem Sicherheitspuffer nach unten auf Platz 13 liegt? Ein guter Punkt. Die einigermaßen gute Ausgangsposition für die zweite Halbserie liegt aber meines Erachtens mehr an dem Unvermögen der Kellerkinder, als an den überzeugenden Leistungen der Lilien. Wenn die Teams am Tabellenende weiterhin nicht in die Spur kommen, dann ist natürlich alles in bester Ordnung. Doch eine Gewissheit ist das eben nicht. Was macht Mut? Dass man es verstanden hat, außer gegen Bielefeld gegen alle schlechter platzierten Teams zu punkten. Gegen Ingolstadt und Sandhausen benötigte es allerdings später Straf- bzw. Freistöße, um ein Remis zu erzwingen. Alle Partien gegen die schlechteren Teams fanden zudem am heimischen Bölle statt. In der Rückrunde geht es nach Duisburg, Sandhausen, Bielefeld, Magdeburg und Ingolstadt. Das heißt im Umkehrschluss: Die 98er müssen ihre Auswärtsschwäche mit lediglich fünf Punkten aus neun Partien überwinden!
Schuster und die Lilien wie einst Adenauer: Keine Experimente
Man braucht nicht viel Phantasie, um die Herangehensweise der Lilien an diese Spiele unter Dirk Schuster vorauszuahnen. Solange ein Punkt bei rumkommt, bleibt der Abstand gleich. Zumindest zu diesem einen Klub. In der letzten Rückrunde ging dieses Prinzip auf. Und als nur noch Siege halfen, da kamen sie tatsächlich zustande, wenngleich gegen Regensburg und Aue reichlich glücklich. Im Endeffekt lässt sich Dirk Schusters Wirken in bester Adenauer-Manier folgendermaßen überschreiben: Keine Experimente! Weder im Spielsystem, noch beim Personal. Wenn gewechselt wird, dann zumeist positionsgetreu und mit den immer gleichen Spielern. Keine Experimente passt zugleich zur Gesamtstrategie des Vereins, die darauf ausgerichtet ist, sich irgendwie in der 2. Bundesliga zu halten, um so den Stadionumbau zu keinem finanziellen Risiko werden zu lassen. Das gescheiterte Experiment von Torsten Frings, das darin bestand, mehr Ballbesitzfußball zu wagen, scheint negativ in den Knochen aller Verantwortlichen zu stecken.
Keine Gewissheit ein Tor mehr zu schießen als der Gegner
Dabei zeigen Kiel und Regensburg als letztjährige Aufsteiger, sowie Paderborn als diesjähriger Aufsteiger, wie man auch mit spielerischen Lösungen bestens bestehen kann. Sie alle wissen, dass sie immer gut für Gegentore sind, sie wissen aber auch, dass sie immer imstande sind, ein Tor mehr zu schießen. Diese Gewissheit hatte man im Verlauf der Hinrunde als Fan der Lilien leider nicht allzu oft. Und damit lassen sich die ersten 18 Ligapartien schon ganz gut zusammenfassen.