Nanu. Die Lilien und ihr Cheftrainer gehen getrennte Wege und der Impuls dazu geht vom Coach aus. Das kannte man zuletzt anders. Vielleicht war aber auch der Impuls, den der SVD an Dimitrios Grammozis ausgesendet hat, gar zu schwach, um die Beziehung auf ein belastbares Fundament zu stellen? Etwas mehr als ein Jahr wird er letztlich am Bölle gewesen sein, die Verlängerung um ein weiteres schlug Grammozis aus.
Rumms, das sitzt. Heute Nachmittag verkündeten die Lilien, dass die Zusammenarbeit mit Dimitrios Grammozis ein Verfallsdatum hat: den 30. Juni 2020. Der bis dahin laufende Vertrag wird nicht verlängert. Sportdirektor Carsten Wehlmann und Grammozis begründeten dies auf der Vereinshomepage folgendermaßen:
Carsten Wehlmann:
„Aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre haben wir unabhängig von Dimi – dessen fachliche und menschliche Qualitäten wir absolut schätzen – aus wirtschaftlichen Aspekten die Entscheidung gefällt, ihm einen Einjahresvertrag anzubieten. Die unterschiedlichen Vorstellungen über die Vertragslaufzeit waren letztendlich ausschlaggebend dafür, dass sich unsere Wege zum Saisonende trennen werden. „
Dimitrios Grammozis:
„Nach reiflicher Überlegung bin ich aber trotzdem zu dem Entschluss gekommen, dass meine Zeit in Darmstadt im Sommer enden wird. Da unsere Vorstellungen hinsichtlich der Vertragsgestaltung nicht übereinstimmen, sehe ich die Basis für eine zielführende und konstruktive Zusammenarbeit über den Sommer hinaus nicht für gegeben an. Ich glaube einfach, dass diese Vertragslaufzeit weder nach innen noch nach außen ein gutes Zeichen gewesen wäre.“
Der Hase im Pfeffer war also der angebotene Einjahresvertrag. Die überschaubare Vertragslaufzeit darf in der Tat als schwaches Zeichen an den Coach verstanden werden. Überzeugung sieht anders aus, ins Feld geführte wirtschaftliche Aspekte hin oder her. Logisch, dass sich Grammozis mit dem Angebot alles andere als wertgeschätzt fühlt. Nach acht unbesiegten Spielen infolge, davon die letzten drei siegreich, hätte er wahrlich etwas anderes erwarten können.
Ob der neue Coach mit einem Jahresvertrag zufrieden sein wird?
Es bleibt abzuwarten, wie lange der Vertrag des neuen Trainers datiert sein wird. Vorausgesetzt der SVD setzt die derzeit gute Ausgangsposition nicht noch völlig in den Sand und lässt sich von der Abstiegszone aufsaugen, dann heuert der Neue nicht als Feuerwehrmann an, sondern übernimmt völlig planmäßig den Staffelstab im Juli. Ob dieser sich dann mit einem Jahresvertrag zufrieden geben wird? Ein gestandener Trainer wohl kaum. Er würde überdies nicht so wenig wie Grammozis verdienen wollen. Bliebe also ein Coach aus unterklassigen Ligen oder dem Nachwuchssystem. Insofern hätten die 98er einen bewährten Coach gegen einen eingetauscht, der sich erst noch beweisen muss. In der engen 2. Bundesliga, in der die Halbwertzeit der Männer an der Seitenlinie immer weiter abnimmt, alles andere als eine sichere Bank.
Der SVD als gebranntes Kind
Freilich, der SVD ist auf der Trainerposition ein gebranntes Kind. Torsten Frings und Björn Müller werden im Juni die letzten Gehaltsabrechnungen mit der Lilie darauf erhalten … über zwei Jahre nach ihren Demissionen. Norbert Meier und Dirk Schuster belasteten nach ihren Beurlaubungen ebenfalls noch ein paar Monate den Etat. Die 98er bauen ihr Stadion um, da braucht es solche finanziellen Belastungen definitiv nicht. Ob es allerdings richtig war, Grammozis ein Angebot vorzulegen, dass er nur überaus zähneknirschend hätte annehmen können, darf zurecht gefragt werden. So bleibt der Eindruck, dass die Fraktion „Pro Grammozis“ am Böllenfalltor nicht über ihren Schatten springen wollte.
Lästige Trainerdiskussion
Zumindest haben nun alle Parteien Klarheit. Die Trainerpersonalie, sie nervte in den vergangenen Wochen nur noch. Kaum eine Pressegespräch, kaum ein Beitrag, in dem nicht die Vertragsverlängerung zumindest am Rande thematisiert wurde. Auch in unserem Lilien-Podcast „Hoch & weit“ gingen wir zwangsläufig darauf ein, und hakten den Programmpunkt nur zu gerne rasch wieder ab. Wir sprachen uns mehrheitlich für Vertragsgespräche im März aus, sofern die Lilien dann in sicheren Gefilden schipperten. Das tun sie mit nun 32 Punkten nach 23 Spieltagen. Doch der Teufel ist ein Eichhörnchen und wir lieber Schwarzmaler als Hellseher. Ende März, zur nächsten Länderspielpause; das hätte für uns ausgereicht, um das Thema in trockene Tücher zu bringen. Der jüngste Lauf, plus die Berichterstattungen und sicher auch ein Coach, der Butter bei die Fische wollte, brachten die Personalie nun schon auf den Tisch.
Grammozis‘ Verdienste
Es bleibt zu wünschen, dass Grammozis und seine Jungs die Runde gut zu Ende bringen. Dann hätte Grammozis nach einem überzeugendem Klassenerhalt 2019 eine beruhigende Spielzeit hinter sich gebracht. Das wäre für den SV98 fürwahr ungewohnt. Derzeit weist seine Bilanz 13 Siege, 13 Remis und 8 Niederlagen auf. Saisonübergreifend 52 Punkte. Eine Bilanz die sich sehen lassen kann. Er hat sein Team unaufgeregt durch so manch turbulente Situation geschippert. Auch als sie im Oktober 2019 auf Platz 17 lagen, behielt er kühlen Kopf und hievte seine Mannschaft auf aktuell Position 7. Er hat junge Spieler ans Bölle gelotst und dafür gesorgt, dass seine Akteure Lösungen mit dem Ball suchen und nicht nur gegen den Ball. Das Team ließ sich auch durch Rückstände nie verunsichern. Es war eine Einheit und wirkte durchweg intakt. Dafür gebührt ihm ein großes Dankeschön!
Von Anfang an ein schwerer Stand
Doch nicht wenige Fans haderten von Anfang an und wurden bis heute nicht so recht warm mit ihm. Schon seine Verpflichtung hatte für Unmut gesorgt. Einen Nachwuchscoach ans Bölle zu lotsen hielten viele für eine Schnapsidee. Und sie hielten trotz der soliden Ergebnisse an ihrer Meinung fest. Zumeist stand es in den Spielen unter ihm Spitz auf Knopf. Ein richtiges Statement-Spiel, wie wir es im Podcast uns gewünscht hatten, das gab es nicht. Nur ein Sieg fiel mit mehr als einem Tor Unterschied aus. Vor dieser Saison war Grammozis angetreten, die vielen jungen Spieler weiterzuentwickeln. So richtig aufgegangen ist das nicht. Kaum einer entwickelte sich in den ersten 23 Spielen zum Leistungsträger oder dem Spieler mit dem gewissen Etwas. Am ehesten noch Seung-ho Paik und Tim Skarke. Sicher, das Offensivspiel ist ausgeprägter als noch unter seinen Vorgängern, doch zu oft versandet es rund um den Strafraum. Hier ist also definitiv eine Stellschraube, an der der nächste Coach drehen darf. Wer auch immer der Neue sein wird, es bleibt zu hoffen, dass er die Chance am Bölle beherzt ergreift und ihm weniger Gegenwind ins Gesicht bläst als Grammozis. Dieser hat immerhin gezeigt, dass er imstande ist, diesen auszuhalten. Und bei seiner ersten Trainerstation im Profiußball (Stand heute) nicht entlassen zu werden, das schaffen auch nicht viele. Sein Nachfolger wird sich an ihm messen lassen dürfen. Insofern: Chapeau
Pingback: #147 BRENNPUNKT Dimi – Hoch und Weit – der Lilienpodcast