Hanno Behrens: „Hier macht es Spaß mehr als 100 Prozent zu geben“

Hanno Behrens (Quelle: kickschuh.wordpress.com)

Hanno Behrens (Quelle: kickschuh.wordpress.com)

Hanno Behrens gehört im aktuellen Team des SV Darmstadt 98 zu den dienstältesten Spielern. Seit er 2012 ans Böllenfalltor kam, hat er eine überaus turbulente Zeit erlebt. Der 24-jährige spricht im aktuellen Interview über seine verkorkste Premierensaison, das Relegationsduell gegen Bielefeld, Gedächtnislücken und wie er den erhöhten Konkurrenzkampf auf seiner Mittelfeldposition sieht.

Hanno, Du kommst aus Elmshorn. Warum schaffen es eigentlich so wenige Kicker aus Schleswig-Holstein in den bezahlten Fußball?
Hanno Behrens: Gute Frage. (überlegt) Neben Fußball ist Handball bei uns sehr beliebt, mit sehr erfolgreichen Teams. Die Fußballklubs können da nicht in der Vielzahl mithalten. Erst recht nicht im Vergleich zu hier, wo es in der Nähe von Darmstadt noch zwei Bundes- und zwei weitere Zweitligisten gibt.

Du stammst aus dem Nachwuchsbereich des Hamburger SV. Was war im Frühsommer 2012 ausschlaggebend für Dein Engagement beim SV Darmstadt 98?
Hanno Behrens:
Ich wollte unbedingt in der 3. Liga spielen und beinahe hätte es schon ein Jahr früher geklappt. Ich absolvierte hier 2011 drei Tage lang ein Probetraining und Darmstadt wollte mich unbedingt. Der Wechsel geriet aber zur Hängepartie und hat sich leider zerschlagen. Lilien-Coach Kosta Runjaic hat mich danach noch oft angerufen und so hat es dann 2012 geklappt.

Spätestens seit dem 3. November 2012 hast Du bei vielen Fans einen Stein im Brett: Du hast den Siegtreffer gegen die Offenbacher Kickers erzielt.
Hanno Behrens:
Stimmt. Das 1:0 war ein besonderer Treffer, ein tolles Highlight. Ich hatte zwar davor schon das Gefühl in Darmstadt angekommen zu sein, aber das Tor hat geholfen, sich noch stärker mit dem Verein zu identifizieren. Mir haben so viele Leute zu dem Tor gratuliert, da musste einem einfach klar werden, wieviel dieser Sieg den Fans bedeutet hat.

Die damalige Hinrunde verlief vollkommen enttäuschend. Ihr standet permanent hinten drin. Kosta Runjaic verließ den Verein früh nach Duisburg, unter Jürgen Seeberger lief es noch schlechter und ihr habt auf dem letzten Platz überwintert.
Hanno Behrens:
Das war damals wirklich eine schwierige Situation. Fans und Verein sind mit einer ganz anderen Erwartungshaltung in die Saison gegangen und der konnten wir nicht standhalten. Doch die Fans und wir sind sogar näher zusammengerückt. Vor dem Rückrundenstart kamen sie beispielsweise an einem Freitagabend ins Stadion und haben in ihrem Block für uns Stimmung gemacht, obwohl gar kein Spiel war. Das Signal war, wir kämpfen gemeinsam. Das war echt stark. Und ab der Winterpause lief es sportlich besser.

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Trotzdem hat es nicht gereicht. Wie hast Du das 1:1 gegen die Stuttgarter Kickers in Erinnerung, das 2013 den vermeintlichen Abstieg bedeutete?
Hanno Behrens:
Ein Sieg und wir wären drin geblieben. Ich war überzeugt, wir packen das. Dann gerieten wir blöd in Rückstand, machen in der zweiten Hälfte den Ausgleich und treffen am Ende noch zweimal das Alu. Der Abpfiff war merkwürdig. Er hatte etwas Endgültiges. Ich war fassungslos. Da war das Gefühl unverdient abgestiegen zu sein. Zudem war klar, was die 3. Liga für den Verein und die Fans bedeutete und was alles daran hing. Das war bisher mein absolutes Negativerlebnis als Fußballer. Ich wollte nie absteigen!

Wärst Du bei einem Abstieg geblieben?
Hanno Behrens:
Wohl nein. Ich wollte weiter 3. Liga spielen und hatte auch Angebote. Als klar war, dass die 98er doch drinbleiben, habe ich relativ schnell entschieden hier zu bleiben. Es hat mir schließlich in Darmstadt gefallen.

Dirk Schuster hatte euch zum Jahreswechsel 2012/13 übernommen. Damals habt ihr den letzten Platz der 3. Liga belegt. Ein Jahr später überwinterte ihr in Liga 3 auf Platz 3. Zuletzt seid ihr ebenfalls als Dritter aus der Winterpause gestartet, allerdings in Liga 2. Wie kommen solche Quantensprünge in jeweils zwölf Monaten zustande?
Hanno Behrens:
Ich denke, die verkorkste Saison 2012/13 hat hier alle zusammengeschweißt. Die Fans und das Team. Die Spieler untereinander ebenso. Wir sind im Sommer 2013 gleich so gestartet, als ob jedes Spiel das letzte wäre. Die Einstellung hat gestimmt. Wir haben uns in der Saison gut entwickelt. Zunächst haben wir noch ein paar Punkte liegen lassen, aber dann bekamen wir so eine Selbstverständlichkeit, dass wir die Spiele einfach nicht mehr verloren. Am Ende war es ein Lauf von 17 ungeschlagenen Spielen.

In der Relegation gegen Bielefeld schien nach der 1:3-Niederlage im Heimspiel alles verloren.
Hanno Behrens:
Dabei hatten wir in den ersten 20 Minuten das Spiel im Griff. Plötzlich fiel das 0:1. Wenig später macht Bielefeld sogar das 0:2 und das nicht einmal aus dem Spiel heraus. Das hat uns ein wenig den Zahn gezogen.

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Und dann kam das verrückte Rückspiel in Bielefeld.
Hanno Behrens:
Schon die Anfahrt war kurios. Wir sind mit dem Bus gar nicht richtig zum Stadion durchgekommen, weil wir zwischen den Fans feststeckten. Die Fans haben gegen den Bus geklopft, doch uns hat das gar nicht gestört. Wir kamen dadurch zwar etwas später als geplant, doch wir waren von Anfang an voll da. Schon beim Warmmachen.

Wie hast Du das Spiel erlebt?
Hanno Behrens:
Ich war überzeugt, dass da noch was geht. Ab dem 1:0 hatte ich ein sehr gutes Gefühl. Ich würde sagen wir waren im Flow, in einem Tunnel. Der Anschlusstreffer hat uns gar nichts ausgemacht, da wir ja so oder so drei Tore schießen mussten. Als allerdings das 2:3 fiel, habe ich gedacht, das darf doch jetzt nicht wahr sein. Wir liefern hier so ein geiles Spiel ab, Bielefeld kratzt den Ball noch zweimal von der Linie und dann so was. Ich habe sofort auf die Uhr geschaut und gesehen, dass noch zehn Minuten zu spielen sind. Da dachte ich mir, was hat man in zehn Minuten nicht schon alles erlebt. Und das ist ja letztlich mit dem wahnsinnigen Finale auch eingetreten.

Einer der Aufstiegshelden war Zimbo, also Keeper Jan Zimmermann, der nach Heidenheim ging. Wie hast Du davon erfahren, dass ein Tumor aus seinem Kopf entfernt werden musste?
Hanno Behrens:
Ich habe es von meinem Vater erfahren und wenig später war es schon überall zu lesen. Ich wusste die Nachricht zuerst gar nicht so richtig einzuschätzen, zumal offiziell von einer Geschwulst die Rede war. Was bedeutete das denn nun? Ich habe ihm gleich geschrieben und er hat sofort geantwortet. Letztlich war es Glück im Unglück, dass nach einen Zusammenprall in einer Partie die Diagnose zufällig gestellt werden konnte. In dem Moment hatte ich das Braunschweig-Spiel im Kopf.

Inwiefern?
Hanno Behrens:
Ich hatte ein paar Wochen vorher in Braunschweig in der ersten Halbzeit einen Schlag auf den Kopf gekriegt und mir dabei eine leichte Gehirnerschütterung zugezogen. Ich spielte aber noch 20 Minuten weiter und ging fest davon aus, wir spielen in der 3. Liga und es steht 0:0. Dabei lagen wir 0:1 zurück. Bei dem Gegentor stand ich in der Nähe. Als ich Jerôme [Gondorf] gefragt habe, wieso es 1:0 steht, hat er gemerkt, dass da was nicht mit mir stimmt. Ich habe es offenbar noch unseren Trainer gefragt und der hat mich sofort runtergenommen. Mit der Gedächtnislücke ziehen mich die Jungs heute noch gerne auf.

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Für den Verein und dich ging es im Gleichschritt bergauf. Du wirst auf Deiner Position in der kicker-Rangliste geführt. Wie bewertest Du das?
Hanno Behrens: Das macht mich schon stolz. Der Verein und ich haben in den zwei Jahren eine gute Entwicklung genommen. Das ist der Lohn harter Arbeit.

Mit Florian Jungwirth und nun mit Yannick Stark hast Du in der laufenden Saison starke Konkurrenz auf Deiner 6er Position erhalten. Wie gehst Du damit um?
Hanno Behrens:
Ich sehe das ganz locker. Es ist normal, dass Konkurrenz da ist und sie ist auch für das Team und den Verein förderlich. Wir haben mit Yannick mehr Qualität dazu bekommen und das ist das was zählt. Ich bin dennoch zuversichtlich, weiterhin zu spielen.

Was sind Deine Erwartungen für die Rückrunde?
Hanno Behrens:
Wir wollen erst einmal gut reinkommen und zuverlässig punkten. Wir wollen von Spiel zu Spiel denken, damit sind wir bislang gut gefahren. Klare Priorität haben jetzt die 40 Punkte. Ich will aber schon noch ein paar mehr holen.

Du bist jetzt seit zweieinhalb Jahren in Darmstadt. Hier ist alles drei bis vier Nummern kleiner als zuvor in Hamburg. Was macht für Dich den Klub so besonders?
Hanno Behrens:
Darmstadt war mir zuvor zugegebenermaßen gar kein Begriff. Eigentlich so ein weißer Fleck für mich. Aber hier geht es um Fußball! Es herrscht eine unglaubliche Nähe zu den Fans. Das Verhältnis zu ihnen ist gut. Sie sind immer mit dabei. Nach St. Pauli sind so viele mitgefahren, 5.000 waren in Kaiserslautern. Da macht es echt Spaß 100 Prozent oder sogar noch mehr zu geben. Im Verein herrscht zudem ein guter Geist, eine gute Einstellung. Präsident, Trainer, Team, das passt. Das, was ich hier in den letzten zweieinhalb Jahren erlebt habe, das erleben andere Profis in ihrer gesamten Karriere nicht. Deshalb werde ich Darmstadt sicher am Ende meiner Laufbahn positiv in Erinnerung behalten.

Und wie hast Du dich im beschaulichen Darmstadt zu Recht gefunden?
Hanno Behrens:
Darmstadt ist eigentlich eine ganz schöne Stadt, zum Beispiel mit dem Woog oder dem Herrengarten. Man kann gut essen gehen. Alles ist persönlicher. Die Wege sind kurz, man trifft schnell Leute. Das gefällt mir.

Hanno, besten Dank. Dir weiterhin viel Spaß und Erfolg in Darmstadt!

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