Die Spannung steigt in Südhessen. Am Sonntagabend begegnen sich die Eintracht und die Lilien seit Urzeiten mal wieder auf dem Spielfeld. Schon in den letzten Tagen sind die Medien voll davon und alle Anhänger der 98er freuen sich unbändig auf das direkte Duell mit dem Platzhirsch vor der eigenen Haustür. Und dann liegen die Lilien in der Tabelle sogar noch vor der SGE. Ja ist denn heut‘ schon Weihnachten?
So sieht’s aus:
Am Abend des 12. September war die Welt in Frankfurt noch voll in Ordnung. Damals schoss die Eintracht den 1. FC Köln mit 6:2 aus der Commerzbank-Arena. Die SGE grüßte mit sieben Punkten von Platz vier. Seither kamen in zehn Spielen jedoch nur sieben weitere Zähler hinzu. Die Eintracht steht als Tabellen-13. vor der Partie gegen die Lilien unter Druck. Kein Zweifel, personell sind die Frankfurter besser besetzt, allein: Sie bringen ihre PS nicht so recht auf den Rasen. Daran mag die Verletzung des ein oder anderen Leistungsträgers eine Mitschuld tragen, während die Lilien schon fast traditionell ohne Verletztenmisere auskommen. Den Weg in die falsche Richtung schlug das Team von Armin Veh Anfang Oktober ein. Einem leblosen 0:2 in Ingolstadt, folgte eine klare 1:5-Heimniederlage gegen Gladbach. Seither ließen sie mit einem Unentschieden gegen die Bayern aufhorchen, ansonsten gab es wenig Grund zur Freude. Dass nun gegen die Lilien auch noch Alex Meier gesperrt fehlt, macht die Sache nicht besser. Selbst wenn der Torschützenkönig der vergangenen Saison ein gutes Stück seiner damaligen Form hinterherhinkt.
Trotz des momentan leicht besseren Tabellenplatzes sieht sich das Team von Dirk Schuster in der Außenseiterrolle und das zurecht. Die Punkte sammelt das blau-weiße Ensemble mit Disziplin, Kampf und Leidenschaft. Bleibt diese einmal ein wenig auf der Strecke, geht der Schuss gleich nach hinten los, wie die 1:3-Niederlage beim letzten Auswärtsspiel in Ingolstadt zeigte. Mit zwei Unentschieden und drei Niederlagen erleben die Lilien gerade eine kleine Punktflaute. Dass den Überraschungsaufsteiger eine solche Phase ereilen würde, musste gleichwohl jedem Beobachter klar sein. Die Ausgangslage vor dem Derby in Frankfurt ist dennoch gut: Die Eintracht muss vor eigenem Publikum agieren und will sich nicht nachsagen lassen, gegen den aufmüpfigen Underdog aus der südlichen Peripherie Punkte liegen zu lassen. Ein Ausgangslage ganz nach dem Geschmack der 98er. Dirk Schuster und sein Team werden fokussiert, giftig und gewohnt schnörkellos auftreten.
Alte Bekannte:
Aufgrund der Nähe beider Städte ist es klar, dass immer wieder Ehemalige des einen beim anderen Klub aufschlagen. Besonders vorteilhaft war dieser Sachverhalt Anfang der 1970er Jahre für die Lilien. Mit Udo Klug wechselte der Trainer der Eintracht-Amateure ans Bölle und brachte Hansi Lindemann sowie Edwin Westenberger mit. Beide entwickelten sich zusammen mit dem 1972 verpflichteten Walter Bechtold zu Korsettstangen der folgenden erfolgreichen Jahre. Auch Bechtold besaß eine Eintracht-Vergangenheit, bevor er zum Beckenbauer am Böllenfalltor wurde. Die entgegengesetzte Richtung schlug 1979 Bum-Kun Cha ein. Sein einziger Einsatz für die Lilien im Dezember 1978 geriet so spektakulär, dass er ein halbes Jahr später für 200.000 Mark an den Main wechselte. Mit Jörg Berger und Lothar Buchmann heuerten zwei ehemalige Lilien-Trainer später bei der Eintracht an.
Im aktuellen Lilien-Kader steht eine ganze Armada von Kickern, die sich bereits das rot-schwarze Trikot übergestreift haben: Jan Rosenthal, Marcel Heller, Dominik Stroh-Engel und Yannick Stark. Letzterer in der Jugend, die anderen in der Bundesliga. Sie eint, dass sie bei der Eintracht entweder den Durchbruch als junge Spieler nicht schafften oder dort nicht so recht glücklich wurden (Rosenthal). Bei Heller und Rosenthal stehen die Chancen am besten, dass sie am Sonntag auflaufen. Entsprechend motiviert dürften sie ins Spiel gehen.

Bum-Kun Cha lief für beide Klubs auf. Das Spieltagsplakat des Eintracht-Museums greift diesen Sachverhalt auf. Gestaltet hat es Eintracht-Fan Christian Hahn.
Wir & Die & Die Bundesliga:
Zweimal fuhren die Lilien und ihre Anhänger bislang zu Bundesligaspielen ins Waldstadion. Beide Male als Tabellenletzter. Doch wie sich die Leistungen unterschieden:
Am 28. Oktober 1978 war nicht zu erkennen, welches Team hier ein Spitzenteam der Bundesliga war und welches das Tabellenschlusslicht. Die Lilien spielten groß auf, ließen aber selbst beste Torchancen fahrlässig liegen. So kam was kommen musste. Ronny Borchers und Jürgen Grabowski stellten für die glücklicheren Frankfurter den 2:0-Erfolg sicher. Der kicker schrieb nach dem Spiel:
„So wird Frankfurt nicht Meister, so steigt Darmstadt nicht ab. (…) Darmstadt hielt, wie schon allzuoft, in vielerlei Beziehung erstklassig mit, doch dort, wo die Spiele entschieden werden, entpuppten sich die 98er aber als zweitklassig. (…) Wie gehabt, gab es viele Komplimente, aber keine Punkte für den abermals in spielerischer und läuferischer Hinsicht überragenden Aufsteiger. (…) Frankfurts Trainer Otto Knefler überschlug sich fast bei seinen verbalen Verbeugungen vor dem Gegner: ‚Wir hatten es gegen diese Mannschaft viel schwerer als vor einer Woche beim Meister in Köln. Darmstadt ist eine ganz hervorragende Mannschaft. Spielerisch exzellent, läuferisch stark und taktisch hervorragend. Ich bin felsenfest überzeugt, dass diese Truppe nicht absteigen wird.„
Tja, wie man sich doch täuschen kann. Sieben Monate später war Darmstadt wieder Zweitligist, während die Eintracht mit fast doppelt so viel Punkten in den Europapokal einzog.
Am 28. April 1982 siegte die SGE zwar nur mit 2:1 gegen die Lilien. Doch die Eintracht war an diesem Mittwochabend deutlich überlegen. An beiden Toren der Gastgeber war ausgerechnet Ex-Lilie Cha beteiligt. Das 1:0 besorgte der Südkoreaner selbst, das 2:0 durch Norbert Nachtweih legte er auf. Die Eintracht trainierte mittlerweile übrigens Lothar Buchmann, der beim vorherigen Duell noch die Darmstädter gecoacht hatte. Der kicker berichtete über die Partie kurz und knapp:
„Frankfurt beherrschte nach dem 1:0 das Spiel nach Belieben, vor allem, weil Falkenmayer glänzend Regie führte. (…) Im Gefühl des sicheren Sieges wurde die Eintracht dann etwas nachlässig, so dass Vorreiter nach einem schönen Solo auf 1:2 verkürzen konnte (71.). Zu mehr reichte es jedoch den harmlosen Darmstädtern nicht.“
Die Partie wollten lediglich 10.000 Fans sehen, was primär an der durchwachsenen Spielzeit der Frankfurter lag, die fünf Spieltage vor Saisonende lediglich auf Platz 10 rangierte. Während die Lilien später als Tabellen-17. abstiegen, belegte die Eintracht Rang 8.
Fun-Fact am Rande: Laut kicker empfahl der von Frankfurt nach Darmstadt gewechselte Wolfgang Trapp rund um die Partie seinem neuen Verein einen ehemaligen Mitspieler. Dessen Name: Joachim Löw. Der zog es jedoch vor, nach der Saison zurück nach Freiburg zu wechseln.
Ach ja, an diesem Wochenende vor fünf Jahren:
Befanden sich die Lilien auf Platz 2 liegend schon in der Winterpause der Regionalliga Süd. Doch selbst in dieser spielfreien Zeit sollten die 98er den Rückstand auf den deutlich führenden Rivalen aus Kassel verkürzen. Der Grund: Zunächst fand sich Anfang Dezember 2010 die SpVgg Weiden in einem Insolvenzverfahren wieder, Anfang 2011 folgte der SSV Ulm 1846. Sämtliche Resultate der beiden Klubs flogen aus der Wertung. Da die 98er aus den Partien nur einen Punkt geholt hatten, büßten sie kaum Zähler ein. Somit hatte sich zum Rückrundenauftakt im Februar 2011 der Vorsprung der enteilten Nordhessen von sieben auf zwei Punkte verringert. Tja, der SVD wusste einfach gegen wen er sich maue Ergebnisse leisten konnte …
Und die Junglilien?
Bekommen es am Wochenende in der Bundesliga ebenfalls mit der Eintracht zu tun. Am vergangenen Sonntag hätten die Lilien einen kräftigen Befreiungsschlag landen können. Ein Sieg gegen den Nachwuchs des SC Freiburg, und die Junglilien wären bis auf einen Punkt an die Breisgauer und damit den ersten Nichtabstiegsplatz herangekommen. Doch die zuvor in drei Spielen ungeschlagenen Jungs vom Böllenfalltor unterlagen mit 0:4 und bleiben weiterhin Tabellenletzter. Die U19 der Eintracht, liegt auf Rang 7 im Niemandsland der Tabelle. Ein Punkt wäre für die Moral der Junglilien Gold wert.
Und schon ist das Derby am Sonntag wieder fünf Minuten nähergerückt!
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