Spieltag 2 (#d98sge): „Unser Kader ist ein Wagnis, das ich gerne eingehe“

Darmstadt vs. FrankfurtDie DFL scheint nicht genug kriegen zu können von diesem Hessen-Duell in der Bundesliga. Da spielte die Eintracht saisonübergreifend erst vor vier Spieltagen am Bölle und schon führt sie der Wille der Spieltagsplaner erneut in die ehemalige Residenzstadt. Die Spannung steigt, das Stadion wird voll und die Atmosphäre bleibt hoffentlich friedlich. Zur Einstimmung spreche ich im Verlauf meines Vorberichts mit Marvin vom Eintracht-Podcast.

So sieht’s aus:

Über die dürftige Leistung der Lilien am ersten Spieltag in Köln wurde reichlich geschrieben und geredet. Die verletzungsbedingten Ausfälle von Peter Niemeyer und Kapitän Aytac Sulu waren nicht zu kompensieren. Das Hineinwerfen von sieben Neuzugängen in die Startelf war zuviel des Guten. Umso mehr, da Änis Ben-Hatira, Sven Schipplock, Alexander Milosevic und László Kleinheisler allesamt noch keine zwei Wochen im Verein waren. So blieb das gegenseitige Verständnis allzu oft auf der Strecke, was oftmals hanebüchene Fehlpässe nach sich zog und dem Gegner ungewohnt viel Raum für sein Spiel gestattete. Da passt die laut kicker.de schwache Zweikampfquote von 40 Prozent ins Bild. Dass die Passquote bei sagenhaften 71 Prozent lag, hat man so in der letzten Saison auch nicht gesehen, freilich ohne jeden Ertrag. So war hernach jeder Lilien-Fan froh, dass die Mannschaft dank der schnellen Länderspielpause die dringend notwendige Zeit bekam, sich zwei Wochen lang besser kennenzulernen. Blöd nur, dass neben László Kleinheisler, Mario Vrancic und Artem Fedetskiy mit Roman Bezjak ein weiterer Neuzugang auf Länderspielreise weilte. Last-Minute-Leihe Leon Guwara von Werder Bremen wird sich ebenfalls erst noch zurecht finden müssen.
Abhanden kamen den Lilien derweil die beiden Außenverteidiger Junior Diaz und György Garics. Beide als Leistungsträger zu bezeichnen, wäre zu hoch gegriffen. Während Diaz sich Zweitligist Würzburger Kickers anschloss, bat der derzeit verletzte Garics aus familiären Gründen um eine Vertragsauflösung und erklärte sich den Fans in einem emotionalen Abschiedsbrief: KLICK.
Last but not least: Die Lilien empfangen die Eintracht im „Jonathan-Heimes-Stadion am Böllenfalltor„. Das alteingesessene Pharmaunternehmen Merck verzichtet eine Saison lang auf sein Namensrecht. Dieser Coup sticht. Merck erhielt in den letzten Tagen mehr Schlagzeilen, als es im Verlauf der Saison möglich gewesen wäre. Die Lilien können sich als der etwas andere Verein bestätigt sehen. Und die gemeinnützige Gesellschaft „DUMUSSTKÄMPFEN“ erhält hoffentlich einen nachhaltigen Push für ihr Engagement zugunsten krebskranker Kinder. Der im März unter großer Anteilnahme an Krebs verstorbene „Johnny“ Heimes erfährt in jedem Fall eine bemerkenswerte Würdigung! Infos zu „DUMUSSTKÄMPFEN“ gibt es hier: KLICK


Das lohnt sich:

  • Seit Anfang Juli gibt es „Hoch & weit, den Lilien-Podcast„. Jeden Montag besprechen Kai, Christian, Mike, Daniel und ich, was rund um die Lilien war und was kommen wird. Hört rein: KLICK
  • Über alle 14 Lilien-Neuzugänge habe ich mit Fans (oder ganz allgemein Insidern) der abgebenden Vereine gesprochen. Wie ticken die Neuzugänge und was ist ihnen zuzutrauen? Die Interviews könnt ihr hier einsehen: KLICK

Der Kontrahent hat das Wort:

Interviewpartner: Marvin, fester Bestandteil des Eintracht-Podcasts.

Marvin, die Lilien zeigten in Köln eine bescheidene Leistung, die Eintracht überzeugte gegen Schalke und hat sicher noch den 2:1-Sieg von Ende April in guter Erinnerung. Alles andere als ein Sieg der SGE wäre doch eigentlich eine Überraschung, oder?
Vor einem Monat hätte ich Dir da auf jeden Fall zugestimmt, aber mittlerweile bin ich mir unsicher. Ihr habt euch zuletzt ordentlich verstärkt und wir müssen uns trotz des guten Ergebnisses gegen Schalke erst noch finden. Mit einem Punkt könnte ich wohl auch ganz gut leben.

Beim Eintracht-Podcast habt ihr im Abstiegskampf sofort an Niko Kovac geglaubt. War das Zweckoptimismus und wie hoch schätzt Du die Chancen ein, dass er die Eintracht in dieser Saison stabilisieren und weiterentwickeln kann?
Ganz klar war da auch eine Portion Zweckoptimismus dabei, aber zur Zeit seiner Verpflichtung war ich recht oft beim Training und auch beruflich recht nah dran. Und schon zu Beginn merkte man, dass er ein ganz klares Ziel verfolgt und dieses auch nie aus den Augen verlor. Die Einheiten wirkten intensiv und trotzdem war die Stimmung innerhalb des Teams gut. Deswegen wuchs der Optimismus, welcher allerdings nur am Leben gehalten wurde, als wir dann tatsächlich noch kurz vor Schluss gegen Mainz punkteten und damit unsere Siegesserie starten konnten.
In dieser Spielzeit geht es allein um Stabilisation. Eine Weiterentwicklung wird – allein aufgrund des Transferkonzepts mit allerhand Leihspielern – kaum möglich sein. Aber ich glaube an Kovac und habe weiterhin das Gefühl, dass er einen konsequenten Plan verfolgt. Die Trainingseinheiten und -lager waren intensiv und konditionell sollte unsere Mannschaft nun top aufgestellt sein. Greifen alle Rädchen ineinander, kann die gewünschte Stabilisation erreicht werden. Auch und gerade wegen Kovac.

Kannst Du schon sagen, wie sich das Zusammenspiel von Niko Kovac und dem neuen Sportvorstand Freddy Bobic anlässt?
Für eine seriöse Beurteilung dessen ist es in meinen Augen zu früh, aber ich werte es als positives Zeichen, dass man nichts hört. Bobic, Kovac und auch Hübner arbeiten im Stillen, es dringt wenig nach außen.

Über die Neuzugänge der Eintracht wurde viel geschrieben. Darunter sind einige Leihspieler von großen europäischen Klubs und generell Spieler aus aller Herren Länder. Wie gefällt Dir die Zusammenstellung des Kaders?
Ich halte die Zusammenstellung für ein Wagnis. Allerdings eines, das ich gerne eingehe, denn ich bin ganz ehrlich: Mir ist es lieber man holt Leihspieler, die das Potential haben, die Qualität des Kaders anzuheben, als wenn Spieler gekauft werden, die – insbesondere aktuell – viel Geld kosten und womöglich nicht besser sind als die vorhandenen. Das einzige Manko sehe ich darin, dass wir keine Kaufoptionen einbauen konnten. Hier hätten wir etwas mehr Sicherheit in der nächsten Saison, denn so stehen wir kommendes Jahr womöglich ohne fünf Stammspieler da.

Wir Lilien sind froh, dass wir Aytac Sulu weiterhin an Bord haben, der wie kaum ein zweiter Spieler die Lilien-DNA in sich trägt. Kommt bei der Eintracht außer Alex Meier noch jemand in Frage, der diesem Status nahe kommt?
Alex Meier ist außer Frage DIE Integrationsfigur, aber auch Marco Russ und Marc Stendera sind – allein aufgrund ihrer Vergangenheit als Jugendspieler der Eintracht – immens wichtig für Verein und Fans. Für mich ist es jedoch grundsätzlich fast egal, wie lange jemand bei einem Verein ist. Wichtig ist, dass er für die Zeit bei dem jeweiligen Verein absolut alles gibt. Wie beispielsweise Lukas Hradecky, der sich innerhalb kürzester Zeit in die Herzen der Fans spielte.

Wir stehen noch am Anfang der Saison, aber was glaubst Du worin die Stärke Eurer Mannschaft in dieser Saison liegen kann und welches Spielsystem bevorzugt Kovac?
Unsere absolute Stärke sehe ich ganz klar im Tor. Hradecky ist ein Tier und ein unfassbar sicherer Rückhalt. Und auch von der Offensive mit Meier, Seferovic, Gacinovic und neu Hrgota bin ich eigentlich überzeugt. Wichtig ist hier allerdings, dass die Pässe aus dem Mittelfeld kommen und Hasebe trotz seines Alters noch absichern kann.
Ich gehe fest davon aus, das Kovac am 4-3-3 Spielsystem festhält, was in meinen Augen auch gut zu unserem Spielermaterial passt.

Änis Ben-Hatira hat die Seiten gewechselt. Bei der Lilien-Niederlage in Köln fiel mir auf, dass bei ihm schneller gemeckert wird als bei anderen Spielern. Wie stehst Du zu ihm und wie hast Du seine Leistungen bei der Eintracht erlebt?
Ich finde ihn absolut klasse. Ein super Typ, der sicherlich manchmal aneckt, weil er eben nicht der Kinderriegel-Milchbubi-Fußballer ist, aber gerade das macht ihn so wertvoll. Er kann seine Mitspieler mitreißen, sie mit seinem Kampfeswillen anstecken. Für uns war er in der Rückrunde genau deswegen so wichtig. Es gelang nicht alles, manches lief unglücklich, aber sein unbedingter Wille sorgte dafür, dass Situationen entstanden, die zu Toren für uns führten.
Ihr könnt wirklich froh sein, einen solchen Spieler verpflichtet zu haben. Wenn er sich mit Norbert Meier versteht, kann er ein absoluter Gewinn für die Lilien sein. 

Was fällt Dir zu den radikal umgebauten Lilien für die anstehende Saison ein?
Wie schon angedeutet, hatte ich bis vor einem Monat starke Zweifel, dass dieser Kader in der Bundesliga bestehen kann. Mittlerweile hat sich das Blatt etwas gewendet, habt ihr doch mit Bezjak und Ben-Hatira gute Spieler verpflichtet und zudem das wichtige defensive Mittelfeld zusammengehalten. Probleme sehe ich allerdings, trotz aller optimistischen Aussagen, auf der Torhüterposition.
Aktuell würde ich davon ausgehen, dass die Lilien um Platz 16 kämpfen und mit etwas Glück doch wieder einen sicheren Nichtabstiegsplatz erreichen können.

Ich will zum Schluss auf die Vorfälle in Magdeburg eingehen. Der KOS-Vorsitzende Michael Gabriel, der der Eintracht nahe steht, sprach hernach sinngemäß davon, dass auch die Fanszene gefordert sei. Wie stehst Du dazu und warum müssen Teile der Eintracht-Fans immer wieder den Bogen überspannen?
Ich sehe es absolut genauso und bin ebenfalls dafür, dass auch die Fanszene aktiv wird, um solche Vorfälle in Zukunft zu unterbinden. Nur ist das nicht so simpel. Die Szene ist bei weitem nicht so homogen, wie oft behauptet wird. Die unterschiedlichen Generationen kennen sich untereinander kaum, bei Teenagern fehlt nicht selten jeglicher Respekt. Aber ich muss eines sagen: Wer Raketen auf andere Menschen abfeuert, ist für mich kein Fan. Wer so etwas macht, der nimmt es billigend in Kauf, anderen Menschen und auch seinem Verein zu schaden. Und wer so etwas bewusst riskiert, hat sich als Fan und als Mensch disqualifiziert.
Eins noch: Ich würde mich darüber hinaus auch freuen, wenn über Rassismus und Antisemitismus im Stadion genauso intensiv gesprochen wird, wie über Pyrotechnik. Auch in Magdeburg mussten wir jetzt wieder erleben, dass der Hass auf andere Menschen noch allgegenwärtig ist. Nur äußert sich dies nicht immer so offensichtlich wie beim Abzünden einer Handfackel.

Marvin, herzlichen Dank! Auf ein – in jeglicher Hinsicht – faires Aufeinandertreffen.


An diesem Wochenende vor vier Jahren …

Spielte der SVD gar nicht, weshalb ich auf das vorangegangene Wochenende von vor vier Jahren eingehen muss. Damals präsentierten sich die Lilien in der 3. Liga gegen den 1. FC Heidenheim in einem bedauernswerten Zustand. Die einzigen, die an diesem Sonntagnachmittag in Hochform waren, waren die Gäste von der Schwäbischen Alb und das Wetter. Die Lilien liefen hinterher, brachten kaum gefällige und schon gar keine gefährlichen Aktionen zustande. Das Spitzenteam aus Heidenheim dominierte nach Belieben. Am Ende stand ein locker herausgespielter 2:0-Erfolg der Gäste, bei denen ‚Toni‘ Sailer (der im Interview für mein Lilien-Buch sagte, dass er als Gästespieler nie gerne nach Darmstadt kam) über 88 Minuten mitwirkte und Sandro Sirigu auf der Bank saß. Nach dem Spieltag rutschten die 98er in die Abstiegszone, die Heidenheimer grüßten von der Tabellenspitze und Kosta Runjaic verließ den SVD nach Duisburg.

Die Lilien-Mannschaft gegen den 1. FC Heidenheim:
Zimmermann – Gaebler, Islamoglu, Gorka, Stegmayer – Hesse (Steegmann), Latza (Karli), Behrens, Zielinsky (Schnier) – Tatara, Zimmerman
Zuschauer: 4.800

4 Gedanken zu “Spieltag 2 (#d98sge): „Unser Kader ist ein Wagnis, das ich gerne eingehe“

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  2. Zitat von Marvin: „Aktuell würde ich davon ausgehen, dass die Linien um Platz 16 kämpfen und mit etwas Glück doch wieder einen sicheren Nichtabstiegsplatz erreichen können.“

    Also ich fände es absolut okay, wenn die Linien um Platz 16 kämpfen, wir Lilien dafür aber über dem Strich blieben.

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