Die Zeit der Vorberichte in meinem kleinen Blog-Wohnzimmer ist erstmal vorbei, stattdessen wird es immer wieder Nachberichte im „Quick & Dirty-Stil“ geben. Den Auftakt macht die heutige Partie beim HSV. In den letzten Jahren immer ein Garant für einen Dreier. Auch dieses Mal … fast!
So ging’s ins Spiel
Elf Lilien auf grünem Feld …
Neun Neue holte der SVD im Sommer. In der Startaufstellung fanden sich lediglich drei von ihnen: Dario Dumic (verdrängte Mathias Wittek auf die Bank), Fabian Schnellhardt (den die Hessenschau vor zwei Tagen als „klassischen Ergänzungsspieler“ tituliert hatte … was rauchen die eigentlich?) und natürlich Marcel Schuhen. Er rückte für den zum HSV abgewanderten Daniel Heuer Fernandes zwischen die Pfosten. So kam es gleich am ersten Spieltag zum Wiedersehen mit „Ferro“, womit streng genommen sogar zwölf Lilien auf dem Rasen standen. Der SVD spielte wie gewohnt im 4-2-3-1. Schnellhardt durfte hinter Dursun im zentralen Mittelfeld auflaufen. Mehlem rückte dafür auf links. Für Tobi Kempe war erstmal kein Platz in der offensiver Dreierkette im Mittelfeld.
… und die andere Elf
Der HSV hatte in der Sommerpause seinen Kader ordentlich auf links gebügelt und mit Dieter Hecking ein Trainer-Urgestein nach Stellingen gelotst. „Ferro“ stand natürlich im Kasten, Gyamerah (Bochum), Dudziak (St. Pauli), Hinterseer (Bochum), Leibold (Club) und Fein (Bayern II) brachten ebenfalls frisches Blut auf den Platz.
So spielte es sich ab
Der HSV dominiert, zielt aber daneben
Nach hinten verlegten sich die Lilien darauf, abwartend und tief zu stehen. Die Doppelsechs Stark und Pálsson ließ sich bis in Strafraumnähe fallen. Das Resultat: eine vielbeinige Abwehr, die den HSV bis 25 Meter vor dem Tor kombinieren ließ, die sich auch von dessen Flügelspiel nicht auseinanderdividieren ließ und die sich im Strafraum in alles reinwarf.
Nach vorne sollte es schnell gehen. Heller startet oft schon auf Verdacht durch, wurde aber nur selten gesucht bzw. gefunden. Schnellhardt und Mehlem hatten es schwer, Akzente zu setzen. Selbst wenn die beiden andeuteten, dass im Lilienspiel künftig deutlich mehr spielerisch gelöst werden könnte, so blieben sie in den ersten 45 Minuten vergleichsweise blass.
Der HSV hatte deutlich mehr vom Spiel und drängte auf das 1:0. Wenn er direkt und flach in die Sturmspitze kombinierte, dann brannte es im Defensivverbund. Dass Hunt (14.) und Dudziak (27.) haarscharf vorbeischossen, ist schlichtweg unerklärlich. Zum Glück! Außer Mehlems Direktabnahme aus 20 Metern (15.), die sehenswert auf dem Tordach landete, war vorne wenig geboten. In der 26. Minute hatte der eingesprungene Patrick Herrmann Glück, dass ein Kontakt in Strafraumnähe von ihm an Leibold nicht per VAR gecheckt wurde. Trotz 0:0 ging der HSV mit einem klaren Punktsieg in die Halbzeit.

Guck mal wer da köpft
Doch es blieben ja noch 45 Minuten, um einen besseren Eindruck zu hinterlassen. In diesem Fall sollten sogar 14 Sekunden reichen. Wie schon beim letzten HSV-Gastspiel reagierte Dimi Grammozis auf das Gesehene. Mehlem ging ins Zentrum, Schnellhardt raus, Skarke rein und prompt stand es 1:0. Mehlem hatte Dursun in Szene gesetzt, dessen zentralen Schuss faustete Ferro zur Seite, wo Skarke 14 Sekunden nach seiner Hereinnahme nur noch den Kopf hinhalten musste. Was für ein Einstand für den Neuzugang. Karma baby!
Und schon läuft’s
Der zentral spielende Mehlem zeigte, warum sein Weggang dem Lilienspiel mal so richtig weh tun würde. Sogar körperlich setzte er sich in zwei, drei Szenen richtig gut durch und ließ seine Gegenspieler abprallen. Da geht einem das Herz auf. Auch Skarke präsentierte sich laufstark, flink und defensiv aufmerksam, ohne das Offensivspiel aus dem Blick zu verlieren. Hinten kam Mandela Egbo zu seinem Debüt im Liliendress, nachdem sich Herrmann insgesamt drei Fluggrätschen geleistet hatte und dabei einmal verwarnt wurde. Ergo: Safety first. Die Lilien hatten das Spiel beruhigt und fortan deutlich besser im Griff. Als Dursun zehn Minuten vor Schluss ausgewechselt wurde, kam Tobi Kempe und durfte sich als Sturmspitze (!) versuchen. Fast erfolgreich, doch sein feiner Schuss nach schöner Einzelleistung im Strafraum strich knapp über die Querlatte (84.). Auf der Zielgeraden des Spiels gab dann HSV-Recke Kyriakos Papadopoulos den Spielverderber. Erst riskierte der Grieche als letzter Mann gegen Tim Skarke erfolgreich Kopf und Kragen, wenig später riss er den davoneilenden Marvin Mehlem gelbwürdig um. Argh! Zwei Szenen, bei denen die Lilienfans schon die anschließenden Tormöglichkeiten vor ihrem geistigen Auge hatten.
Die große HSV-Flaute
Das 1:0 war für den HSV ein richtiger Wirkungstreffer. Er ging deutlich zaghafter zu Werke, das Stadion wurde merklich leiser. Der Gastgeber brauchte fast 20 Minuten, bis er sich schüttelte, agierte aber auch in der Schlussphase ideenlos. Immer wieder wurden Bälle unbedrängt ins Aus gespielt oder geschlagen. Auch der eingewechselte Kittel versuchte zwar, Einfluss auf das Spiel zu nehmen, allerdings erfolglos. Als dann ein Freistoß des ehemaligen Ingolstädters vorbei flog, da hätte man schon von einem Dreier ausgehen können. Bis …
90 + 8!
… ja, bis zur gefühlt letzten Szene des Spiels. Was an Gegrätsche über 90 Minuten einigermaßen gut ging, ging auf den letzten Drücker nicht mehr gut. Der ansonsten sehr präsente Dario Dumic leistete sich eine ebenso finale wie fatale Grätsche. Als ob whoscored.com nicht just die Grätschen als Schwachpunkt in seinem Spiel ausgemacht hätte!! Zwei Minuten später – und nach reichlich Videokonsum – zeigte der Schiri auf den Punkt. Aaron Hunt verwandelte seinen nicht sehr platziert getretenen Elfer zum Ausgleich. Das war’s: Aus die Maus, ein Punkt ist ein Punkt, ist ein Punkt!

So kann man’s auch sehen:
Sascha ist ein fixer Teil des HSV-Podcasts „Nur der HSV“ und schilderte mir unmittelbar nach Schlusspfiff seine Eindrücke vom Spiel:
Sascha, was war beim HSV stark bzw. schwach?
Die gesamt erste Hälfte war stark, würde ich sagen. Die erste Chance, wenn man sie so nennen mag, hatte Darmstadt nach einer guten Viertelstunde, Mehlem schoss aufs Tornetz. Davor dominierte der HSV das Spiel und hatte eine Riesenchance von Hunt, der aus gefühlten acht Zentimetern danebengeschoben hat. Hamburg hat den Ball auch danach schön in den eigenen Reihen behalten und ließ im Grunde nichts zu. Schwach, sehr schwach dagegen: ALLES in der zweiten Hälfte und die Chancenverwertung im allgemeinen. Nach dem Gegentor brauchte der HSV mehr als 20 Minuten, um wieder am Spiel teilzunehmen. Das darf man sich nicht erlauben. Ferro hat in seinem ersten Pflichtspiel für uns eine solide Partie abgeliefert. Beim Gegentor hätte ich mir erhofft, er hätte den Ball noch weiter zur Seite abgewehrt. Aber: kein Vorwurf.
Was ist Dir bei den Lilien aufgefallen?
Darmstadt hat sehr diszipliniert gespielt. Trainer Grammozis hatte offenbar einen Matchplan, und seine Jungs haben den sehr gut umgesetzt. Abwartend, sehr tief stehend, um dann Nadelstiche zu setzen, u. a. mit dem schnellen Heller, den ich wie die Pest hasse, aber der ein gutes Spiel abgeliefert hat. Aus neutraler Sicht müsste man sagen: Schade, dass es für die Lilien nicht mit einem Dreier geklappt hat, denn der Plan hat meines Erachtens gut funktioniert.
Was gab den Ausschlag für den Spielausgang?
Wie in vielen anderen Spielsituationen danach, so war Darmstadt auch bei der Aktion, die zum 1:0 geführt hat, wacher, schneller, mehr bei der Sache. Die Konzentration war da. Bei meinen HSVern hatte ich das gutbekannte Gefühl, dass die Spieler sich vor Fehlern fürchten. Nachdem der Schock des Rückstands verarbeitet war, rannte Hamburg wieder an. Zwar planlos, aber mit Wut im Bauch. Sie haben sich den zweifelsohne sehr glücklichen Ausgleich erzwungen.
Mein Fazit: Das 1:1 geht in Ordnung, weil beide Teams eine Halbzeit lang besser waren als der Gegner.
Vielen Dank, Sascha.