Paul Fernie hat mal wieder einen Noname aus dem Hut gezaubert. Mit Yosuke Furukawa hat der Sportdirektor von Darmstadt 98 jedenfalls einen hierzulande gänzlich unbekannten Spieler als Verstärkung für die neue Saison präsentiert. Der 21-Jährige spielte in der vergangenen Spielzeit für den polnischen Erstligisten Górnik Zabrze. Zuvor sammelte er bereits in seiner Heimat Erstligaerfahrung. Fernie stellte den Japaner als dribbelstark und explosiv vor. Zudem soll ihn eine gute Technik auszeichnen. Ich machte mich bei Michal Trela und Thomas Dudek schlau. Welchen Eindruck haben die beiden Journalisten von dem Angreifer während seiner Zeit in Zabrze gewonnen? (Bildquelle: sv98.de)
Michal, gehen wir davon aus, dass die Lilien wieder datenbasiert gescoutet haben. Was dürften die Daten bei Furukawa gezeigt haben, um sich näher mit ihm zu befassen?
Michal: Furukawa war immer fleißig im Pressing und im Spiel gegen den Ball. Er konnte auch offensive Duelle gewinnen, traf aber im letzten Drittel oft schlechte Entscheidungen.
Okay, ganz offenbar ein Knackpunkt in seinen Leistungen.
Michal: Zunächst einmal muss man wissen, dass Górnik in der letzten Saison auf viel Ballbesitzfußball und Passpiel setzte. Furukawa spielte zumeist auf dem linken Flügel. Als Flügelspieler sollte er für Überraschungsmomente sorgen. Das bedeutete, er und die anderen Flügelspieler hatten viele Freiheiten und konnten ins Risiko gehen. Da Górnik keinen echten Mittelstürmer hatte, waren die Momente wichtig, in denen sie in den Strafraum gingen.
Und dort traf Furukawa dann häufig keine allzu guten Entscheidungen.
Michal: Genau. Und da sehe ich seine größte Schwäche. Er war nicht effizient genug. Auch bei der Anzahl seiner Vorlagen blieb er hinten den Möglichkeiten zurück. Ich finde, man hat sein Potenzial gesehen, aber eben auch, dass er noch einiges an Weiterentwicklung vor sich hat.
Furukawa trägt fortan die 44. Solch eine hohe Nummer ist in der Regel Nachwuchsspielern vorbehalten. Sollte man ihn dann also eher als entwicklungsfähigen Spieler betrachten und weniger als potenziellen Startelfspieler?
Michal: Ohne jetzt die Situation in Darmstadt gut genug zu kennen, so glaube ich, dass er kein reiner Entwicklungsspieler mehr ist. Er dürfte schon das Potenzial haben, um einen Platz in der Startelf zu kämpfen. Denn er hatte schließlich auch bei Górnik seine guten Szenen, er war jetzt aber kein Schlüsselspieler, den man unbedingt hätte halten wollen.
Thomas: Das stimmt. Górnik hat sich bei der Leihe Furukawas ein Vorkaufsrecht gesichert. Die Verantwortlichen waren nach einiger Überlegung aber letztlich wohl nicht hundertprozentig von ihm überzeugt. Mit Pogon Stettin soll sich zwischenzeitlich ein Ligakontrahent von Górnik mit der Verpflichtung von Furukawa beschäftigt haben.
Ein junger japanischer Spieler in der polnischen Ekstraklasa das klingt zunächst einmal gewöhnungsbedürftig. Ist es das tatsächlich?
Thomas: Górnik Zabrze hatte bis Mitte Juni neun neue Spieler geholt, darunter einen Koreaner. Das zeigt, dass inzwischen weitere Profis aus Fernost nach Polen kommen. Aktuell sind Spanier und Portugiesen die größten Gruppen ausländischer Profis in der Ekstraklasa. Aber Japaner wie Furukawa sind keine Seltenheit mehr. Vor zwei Jahren hat Górnik beispielsweise Daisuke Yokota für zwei Millionen Euro nach Gent verkauft, der zuletzt für Kaiserslautern auflief und der nun bei St. Pauli im Gespräch ist. Die polnische Liga hat sich in den letzten Jahren sportlich positiv entwickelt. Das hat die letzte Conference League gezeigt, in der Jagiellonia Bialystok und Legia Warschau in ihren Viertelfinals gegen die beiden späteren Finalisten Betis Sevilla und Chelsea FC ausschieden. Zudem steigen die Gehälter, was sie für immer mehr Spieler interessanter macht. Umso mehr, als sie die Ekstraklasa als Sprungbrett benutzen.
Michal: Bei Górnik versucht man seit einiger Zeit immer einen Japaner im Kader zu haben. Mit Kanji Okunuki spielte bis vor zwei Jahren ein weiterer Japaner für den Klub, der dann zum 1. FC Nürnberg ging. Von einer Verpflichtung von Soichiro Kozuki von Schalke 04 haben sie nach einer halbjährigen Leihe Abstand genommen, da er für die Verantwortlichen nicht gut genug war. Furukawa würde ich irgendwo dazwischen einordnen. Nicht so stark bei Górnik wie Yokota oder Okunuki, aber besser als Kozuki.
Besten Dank Michal und Thomas, für eure Antworten.
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