Am 1. März schloss das Transferfenster in der Ukraine und damit in Europas letzter starker Liga. Auf den letzten Drücker wechselte der ukrainische Nationalspieler Marko Devic von Metalist Kharkiw zu Rubin Kasan nach Russland. Transfers wie diese, die über Ländergrenzen hinweg erfolgen, sind oft das Salz in der Suppe jeder Transferperiode. Doch wie lesen sich eigentlich die Legionärsstatistiken in den europäischen Topligen? Welche Nation entsendet die meisten Legionäre? Welche „Gastarbeiter“ sind in welchen Ligen am meisten gefragt? Das verrät ein Blick in die derzeit laut UEFA-Fünfjahreswertung 25 besten europäischen Ligen. Angefangen bei der englischen Premier League bis zur bulgarischen A Grupa. Dabei stechen vier Kategorien von Legionären ins Auge:
1. Die Nachbarn
Bei der Verpflichtung von ausländischen Spielern bedienen sich die Klubverantwortlichen in zahlreichen europäischen Ligen gerne vor der eigenen Haustür. In zehn der 25 besten kontinentalen Spielklassen stammt die größte Gruppe ausländischer Spieler aus einem Nachbarland. Mehr als 30 Franzosen spielen in Belgiens bzw. Englands 1. Liga. 42 Slowaken laufen für tschechische Erstligisten auf. 20 Belgier stehen in den Niederlanden, 17 Schweizer in der Bundesliga unter Vertrag.
Skandinavische Spieler landen ebenfalls bevorzugt in der direkten Nachbarschaft. Schweden (12), Norweger (8) und Isländer (5) finden sich in der dänischen Eliteklasse unter den vier gefragtesten „Gastarbeitern“. Norweger (10), Isländer (8) und Dänen (6) zählen bei den Fußballimporten in Schweden zu den Top 6. In den Niederlanden sind dänische (15), schwedische (11) und isländische (7) Kicker ebenfalls nachgefragt und finden so ein Einfallstor in die stärkeren europäischen Spielklassen.
Auch die Briten stehen sich naturgemäß sehr nah. Folglich belegen in Schottland englische (46), irische (20) und nordirische (11) Spieler die ersten drei Plätze in der Ausländerstatistik. Selbst in der global aufgestellten englische Premier League sind 26 Iren, 20 Schotten und 16 Waliser anzutreffen, wobei mit Cardiff City und Swansea City derzeit sogar zwei walisische Klubs in Englands Oberhaus mitmischen. Außerhalb der britischen Inseln sind britische Spieler hingegen kaum gefragt.
In manch osteuropäischer Liga lässt sich ebenfalls die Vorliebe für Profis aus dem angrenzenden Ausland feststellen. Weißrussische Klubs setzen bevorzugt auf Ukrainer (18). Kroatische und polnische Klubverantwortliche schauen gerne über die jeweilige Grenze nach Bosnien bzw. in die Slowakei. Und natürlich spielen weißrussische (15), moldawische (8) und armenische (6) Spieler in Russland eine nennenswerte Rolle, obwohl sie ansonsten in keiner anderen europäischen Topliga auch nur annähernd so begehrt sind. Im russischen Fall dürfte neben der geographischen noch eine weitere Komponente eine große Rolle für die nachbarschaftlichen Transfers spielen: die gemeinsame sowjetische Vergangenheit.

Liste der Top-10-Legionäre in Europas besten 25 Ligen gemäß UEFA-Fünfjahreswertung (Stand: 02.03.2014, Quelle: transfermarkt.de, Tabelle: M. Kneifl)

Zum Vergrößern bitte die Liste ausgewählter Länderkürzel anklicken. Ebenso die darüber aufgeführte Tabelle.
2. Die historische Bande
Womit wir bei der zweiten Kategorie der Transferströme angelangt wären: der historischen Komponente! So lässt sich in einigen Ligen die koloniale Vergangenheit der Länder außerordentlich gut nachzeichnen. Insbesondere Portugal tut sich hier hervor. Sage und schreibe 97 Brasilianer stehen bei den lediglich 16 Erstligisten unter Vertrag. Auf Platz 2 der Ausländerliste grüßen Akteure aus einem weiteren ehemaligen Kolonialland: Kap Verde! Und selbst aus dem ehemals zu Portugal gehörenden Guinea-Bissau spielen genauso viele Profifußballer (5) in Portugals Eliteklasse wie aus dem Nachbarland Spanien.
Die spanischen Klubs gelten oftmals als erste europäische Adresse für Spieler aus dem überwiegend spanischsprachigen Lateinamerika. So finden sich unter den Top-10-Legionären 60 Argentinier, Uruguayer, Chilenen, Kolumbianer und Mexikaner. Zum Vergleich: Aus den angrenzenden Ländern Portugal, Frankreich und Marokko sind es 38.
Die starke Emigration von Italienern nach Südamerika sorgt dafür, dass deren fußballerisch talentierte Nachkommen nicht selten nach Italien zurückkehren. So verfügen knapp 30 der insgesamt 64 Argentinier und Uruguayer in der Serie A über italienische Wurzeln bzw. die doppelte Staatsbürgerschaft.
Die Vereinskader der französischen Ligue 1 weisen ebenfalls einen starken Bezug zur Kolonialgeschichte Frankreichs auf. Mit Senegalesen, Maliern, Ivorern, Kamerunern, Algeriern und Marokkanern gehören Spieler aus sechs ehemaligen Kolonialgebieten zu den zehn gefragtesten „Gastarbeitern“. Und dennoch liegt der Fall in Frankreich ein wenig anders. Viele afrikanische Kicker haben in Wirklichkeit eine starke französische Prägung, denn sie sind oftmals in Paris, Marseille oder Lyon aufgewachsen bzw. geboren. Diese Spieler optierten allerdings für eine Nationalmannschaftskarriere in den Ländern ihrer Vorfahren. Insofern müssen selbst zahlreiche afrikanische Nationalspieler aus anderen europäischen Topligen streng genommen als Franzosen gelten. Beispiele gibt es in Hülle und Fülle. Einige der nachfolgend Genannten spielten gar in Frankreichs Nachwuchsnationalteams: Adel Taarabt (Marokko, AC Milan), Pierre-Emerick Aubameyang (Gabun, Borussia Dortmund), Marouane Chamakh (Marokko, Crystal Palace), Younes Belhanda (Marokko, Dynamo Kiew), Sofiane Feghouli (Algerien, FC Valencia), Mohamed Diané (Senegal, West Ham), Didier Drogba (Elfenbeinküste, Galatasaray Istanbul). Die Liste wäre beliebig erweiterbar. Gleichermaßen dürfte so manch anderer afrikanischer „Import“ in anderen europäischen Ligen als Niederländer oder Belgier gelten, wenngleich sie zahlenmäßig nicht im Entferntesten an die afrikanischen Franzosen heranreichen.
3. Die falschen Legionäre
Somit befinden wir uns inmitten der nächsten Gruppe ausländischer Spieler in Europas 1. Ligen: Den Legionären, die bei genauerer Betrachtung gar keine sind. Die Schweiz kennt den Ausdruck der Secondos, also der Generation von Einwandererkindern, die für die schweizerische Nationalelf auflaufen. Die Legionärsstruktur der eidgenössischen Liga zeigt allerdings, dass einige Migrantenkinder sich wie in Frankreich für die Herkunftsländer ihrer Eltern entscheiden. Anders ist es nicht zu erklären, dass die Albaner mit zehn Spielern die Ausländerliste anführen. Zuletzt nahm Talant Xhaka, Bruder von Gladbachs eidgenössischem Nationalspieler Granit Xhaka, die albanische Staatsbürgerschaft an. Auch die sechs Kroaten sind teilweise in der Schweiz geboren, ebenso zwei der fünf Venezolaner. Insofern dürfen mehrere Ausländer in der schweizerischen Liga als Eigengewächse gelten.
Andere klassische Einwanderernationen wie die Niederlande, Belgien oder Deutschland kennen dieses Phänomen ebenfalls. Die sechs Marokkaner in der niederländischen Eredivisie sind ausnahmslos in Holland geboren. Gleichermaßen kamen alle zwölf türkischen Bundesligaspieler in Deutschland auf die Welt. Drei der zehn Bundesliga-Polen wuchsen in Deutschland auf. Ähnlich liest sich die Statistik bei den in Deutschland spielenden Serben und Bosniern.
4. Die Nachgefragten
Fehlt noch die letzte Kategorie, in der sich die Nationen wiederfinden, die in fast allen Ligen nachgefragt sind, ganz gleich ob in Nord-, West-, Süd- oder Osteuropa. Insgesamt spielen Fußballer aus 136 Nationen in Europas besten 25 Spielklassen. Die 442 Brasilianer stellen allerdings alle anderen Nationen in den Schatten. Im Schnitt müsste jeder Verein einen Brasilianer in seinem Kader haben. Damit spielen mehr Brasilianer in Europa als Argentinier (198) und Franzosen (180) zusammen, die in der Legionärsstatistik auf den Rängen zwei und drei folgen. Einzig Schottlands und Weißrusslands Erstligisten verschmähen Kicker vom Zuckerhut. Ansonsten sind sie in den meisten anderen Ligen unter den Top-3-Ausländern zu finden. In Italien, Portugal, Russland, der Ukraine, der Türkei, Rumänien, Israel und Bulgarien stehen sie gar an der Spitze.
Die innereuropäischen Topimporte kommen allen voran aus Frankreich, Spanien (165), Portugal (153) und Serbien (148). Alle diese Nationen finden sich in mindestens 19 der 25 Topligen wieder. Neben den Serben spielen auch Spieler aus anderen Republiken Ex-Jugoslawiens in ganz Europa und stellen damit ein reichhaltiges Reservoir an gut ausgebildeten Spielern dar. Neben einer regen Transfertätigkeit trug der Bürgerkrieg der 1990er Jahre zu diesem Sachverhalt bei. Viele Kinder von bosnischen oder kroatischen Bürgerkriegsflüchtlingen wuchsen im europäischen Ausland auf, laufen aber dennoch für die Nationalelf ihrer Eltern auf.
Die Globalisierung des Fußballs schlägt sich in den zahlreichen afrikanischen Kickern in Europa nieder. Insbesondere Nigerianer (97), Senegalesen (90), Ghanaer (81) und Ivorer (70) sind bei europäischen Topvereinen angestellt. Sie sind in nahezu jeder Liga anzutreffen, selbst, wenn – wie oben beschrieben – der ein oder andere Ivorer oder Senegalese eigentlich eher als Franzose gelten müsste. Die zahlreichen Nigerianer und Ghanaer dürfen als Beleg für die starke Nachwuchsarbeit in beiden Ländern gewertet werden, die oftmals mit ihren Nationalteams im Juniorenbereich auf sich aufmerksam machen. Folglich liegt ein Augenmerk der europäischen Scouts auf diesen Ländern.
Nordamerikaner und Asiaten spielen in Europa keine große Rolle. Lediglich 23 US-Amerikaner, 22 Australier, 21 Japaner, 13 Mexikaner und elf Südkoreaner tauchen in den Vereinen der 25 besten europäischen Ligen auf. Wobei die Bundesliga unverhältnismäßig viele Japaner (8) und Amerikaner (5) anzieht. Doch bei den US-Boys lohnt ein zweiter Blick, sind die meisten von ihnen doch in Deutschland geboren und verfügen oft über einen deutschen Elternteil.
Deutsche (56) und Italiener (39) sind angesichts ihrer starken Nationalteams vergleichsweise selten im europäischen Ausland angestellt. Womöglich ein Ausweis dafür, dass in den heimischen Ligen gutes Geld verdient wird und ein Wechsel ins Ausland (noch) nicht attraktiv genug erscheint.
Die „mustergültige“ Liga
Die beschriebenen Legionärskategorien spiegeln sich am besten in Zyperns 1. Liga wider. Hier befinden sich unter den Top-Ten-Ausländern viele der populären Legionäre (Portugiesen, Brasilianer, Spanier, Argentinier, Serben) sowie mit Israelis Profis aus einem benachbarten und mit Griechen Spieler aus einem historisch eng verbundenen Land. Und auch Nigerianer und Ghanaer fehlen unter den Top 10 nicht. Selbst in Deutschland fallen bei den zehn größten Legionärsgruppen lediglich die Norweger und Japaner aus dem Rahmen. Ein Indiz, dass eine in einem bestimmten Land (Japan) gut vernetzte Berateragentur (Pro Profil GmbH) mit einem Top-Transfer (Shinji Kagawa) Schleusen öffnen kann.
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