
Nahezu sieben Jahre ist es inzwischen her, als ich erstmals Statistiken zu den Legionären in den europäischen Spitzenligen zusammengetragen habe. Seinerzeit stellte Brasilien die meisten ausländischen Kicker in den 25 besten europäischen Ligen (gemäß UEFA-Fünfjahreswertung). Es war also mal wieder an der Zeit, sich transfermarkt.de vorzunehmen. Was hat sich seither getan? Gibt es Profis aus Ländern, die plötzlich nicht mehr so stark gefragt sind? Gibt es inzwischen einen Run auf bestimmte Nationen, die seinerzeit eher unter dem Radar flogen? Führen die Brasilianer nach wie vor die Rangliste an und was oder wer sind eigentlich einheimische Legionäre?
Zur Erinnerung: Im März 2014 stellte Brasilien (442) mit weitem Abstand die meisten Legionäre in den 25 Topligen Europas. Es folgten Argentinier (198) vor Franzosen (180), Spaniern (165) und Portugiesen (153). Abgeschlagen an Position 18 fanden sich 56 deutsche Profis, die bei Klubs in der Serie A, der Premier League, in La Liga, aber auch in Österreichs Bundesliga oder Dänemarks Superligaen angestellt waren. Wohlgemerkt im Jahr des WM-Titels. Deutsche Kicker waren mithin kein allzugroßer Exportschlager. (Statistik 2014)
Welche Ligen wurden betrachtet?
Doch bevor wir ins Detail gehen, werfen wir noch einen Blick auf die Ligen, die in die Betrachtungen einflossen. Maßgeblich war und ist die UEFA-Fünfjahreswertung. Sie basiert auf den Ergebnissen der Klubs in den europäischen Pokalwettbewerben. Ganz oben rangiert 2020 Spaniens La Liga, auf Rang 25 findet sich die rumänische Liga 1 wieder. Unter den 25 besten Ligen gab es im Vergleich zu 2014 nur zwei Veränderungen. Belarus und Polens Eliteklassen fielen raus, dafür rückten die Norwegens und Serbiens nach. Der Ausländeranteil unter den Topligen fällt sehr unterschiedlich aus. Während die portugiesischen Erstligisten in ihren Kadern zu zwei Dritteln auf ausländische Profis setzen, stellen sie in den serbischen Klubs gerade einmal 15 Prozent. Generell lässt sich verallgemeinern, je weiter östlich eine Liga, desto weniger Ausländer sind in deren Vereinen angestellt.
Die Unterschiede zu 2014
Und dennoch nahm die Anzahl der ausländischen Profis in den vergangenen Jahren spürbar zu. Vergleicht man die Anzahl der Top 20 unter den Legionären von diesem Jahr, mit der von 2014, dann stehen bei den Klubs heute über zehn Prozent mehr ausländische Profis unter Vertrag.
Wie stellt sich nun jedoch die Situation im Dezember 2020 im Detail dar? Die Top-Legionäre kommen nach wie vor aus Brasilien, Argentinien, Spanien, Frankreich und Portugal. Während die Brasilianer weiterhin unangefochten über allen anderen thronen, haben die Franzosen (2014: 180, 2020: 270) stark aufgeholt. Die Kicker aus dem Land des amtierenden Weltmeisters sind mit Abstand der größte europäische Exportschlager. Etwas Federn lassen mussten Tschechen (2014: 55, 2020: 43) und Slowaken (2014: 91, 2020: 70), die beide nicht mehr unter den Top 20 der gefragtesten Legionäre zu finden sind. Zahlenmäßig zulegen konnten dahingegen fast alle anderen Legionäre. Unter anderem die Niederländer (2014: 88, 2020: 125), die Belgier (2014: 69, 2020: 92) die Engländer (2014: 63, 2020: 100) und tatsächlich die Deutschen (2014: 56, 2020: 116), die damit im Gesamtranking neun Plätze gut gemacht haben.

Nach wie vor vier Kategorien von Legionären
Ist hinter den Zahlen ein Muster zu erkennen? 2014 hatte ich herausgearbeitet, dass es vier Arten von Legionären gibt. Um es kurz zu machen: Die Legionäre lassen sich nach wie vor in vier Kategorien unterteilen. Da sind die Spieler, die aus Staaten kommen, die über historische Verbindungen zu dem Land verfügen, in dem sie dem runden Leder nachjagen. Klassische Beispiele sind die zahlreichen Brasilianer (deren schier unglaubliche Zahl folgt noch), die in Portugals Liga NOS spielen. Oder die Argentinier in Italiens Serie A, sowie die Schotten, die in Englands Premier League auflaufen. Das letzte Beispiel fällt zugleich in zwei weitere Kategorien. Die der Kicker, die aus Nachbarstaaten stammen und die der Spieler, die als einheimische Legionäre gewertet werden dürfen. Dazu zählen Profis, die im Land, in dem sie spielen geboren wurden oder aufgewachsen sind. Von den 18 Schotten, die derzeit bei Premier League Klubs unter Vertrag stehen, sind acht in England auf die Welt gekommen oder groß geworden. Die letzte Kategorie der Legionäre gehört schließlich zur Gruppe der nachgefragten Nationen. So sind Franzosen in allen 25 Ligen zu finden, außer in Kroatien und Schweden. Spanier spielen nur nicht in den 1. Ligen Schottlands, Russlands und Serbiens. Nigerianische Profis fehlen gar schließlich nur in den Erstligateams aus Bulgarien.
Die einheimischen Legionäre
Das Phänomen der einheimischen Legionäre verdient einen genaueren Blick. Zuletzt entschieden sich in der Bundesliga Aymen Barkok (Eintracht Frankfurt) und Kevin Akpoguma (TSG Hoffenheim) den Verband zu wechseln. Die ehemaligen deutschen Juniorennationalspieler laufen nun für Marokko bzw. Nigeria auf. Fünf der sechs türkischen Spieler in der Bundesliga sind in Deutschland geboren und fußballerisch ausgebildet worden, weshalb sie als Fußballdeutsche gelten. Beispiele wie diese führen dazu, dass von den derzeit 300 ausländischen Profis in der Bundesliga über neun Prozent hierzulande geboren wurden oder aufwuchsen. Viele dürften Doppelstaatsbürger sein. Etwa Freiburgs Ermedin Demirovic (22), der aus Hamburg stammt, für Bosniens U21 stürmt, mit 19 von Leipzig den Sprung zu Deportivo Alaves wagte und nun über St. Gallen wieder zurück in sein Heimatland wechselte. Was die einheimischen Legionäre anbetrifft, so befindet sich die deutsche Eliteklasse im oberen Mittelfeld unter den betrachteten Spielklassen. In Frankreichs Ligue 1 ist nahezu jeder vierte Legionär ein einheimischer Legionär. Aufgrund der kolonialen Vergangenheit haben sie ihre familiären Wurzeln zumeist in Algerien oder Subsahara-Afrika, sie sind aber in fast allen Fällen in Frankreich zur Welt gekommen. Auch die Schweiz und Schweden kommen auf einen hohen Anteil einheimischer Legionäre, wobei sich hier Länder vom Balkan hervortun. In Serbien ist die Quote auf den Zerfall des ehemaligen Jugoslawiens zurückzuführen.
Und wie sieht’s in den Top-5-Ligen aus?
Bleibt als letzte Statistik für heute noch ein Blick auf die Legionäre in den fünf großen europäischen Ligen. Welche ausländischen Profis sind hier besonders gefragt? Ich habe hier nicht nur die Anzahl der Profis ausgewertet, sondern auch deren Marktwert. Die Übersicht unterstreicht, wie immens nachgefragt französische Profis sind. Bedenkt man, dass selbst unter den anderen Nationalitäten noch viele mit einem französischen Background zu finden sind (Stichwort einheimische Legionäre), dann ist die Qualität der Ausbildung in Frankreich gar nicht hoch genug einzuschätzen. Sage und schreibe 102 französische Profis stehen bei Englands, Spaniens, Deutschlands und Italiens Erstligisten unter Vertrag. Zum Beispiel Geoffrey Kondogbia (Zentralafrikanische Republik) von Atlético oder Kalidou Koulibaly (Senegal) von Napoli. Streng genommen müsste jeder italienische, spanische, deutsche und englische Erstligist mindestens einen Franzosen unter Vertrag haben. Selbst die Brasilianer kommen nur auf sieben Profis mehr, obwohl bei ihnen alle fünf Ligen berücksichtigt werden dürfen, während die Ligue 1 für Franzosen ja nicht legionärsrelevant ist.
Die derzeit schwächelnde deutsche Nationalelf schlägt sich durchaus in der Nachfrage nach deutschen Profis nieder. Lag sie in der Erhebung unter allen 25 Topligen noch an Position 9, so purzelte sie in den Top-5-Ligen auf Position 18 herunter. Deutsche Profis sind damit in den besten Ligen genauso nachgefragt, wie Polen und Iren (die gleichwohl primär in der Premier League unterkommen). Ja, der Vergleich hinkt etwas, da bei den Polen und auch den Iren fünf Ligen in Betracht gezogen werden, und bei den deutschen Profis ohne die Bundesliga nur vier. Dennoch zeigen die Beispiele Frankreichs (102 Legionäre) und Spaniens (64 Legionäre), dass diese deutlich mehr in den starken Ligen gefragt sind, als deutsche Profis. Ein Blick auf den durchschnittlichen Marktwert führt allerdings Erstaunliches zutage. Hier weisen die deutschen Legionäre um Marc-André Ter Stegen, Kai Havertz, Toni Kroos und Timo Werner den höchsten Wert (23,9 Millionen Euro) aller Nationen auf, gefolgt von den Franzosen (19,4 Millionen Euro) und den Belgiern (18,3 Millionen Euro). Selbst die hoch gewetteten englischen Auslandsprofis wie Jaden Sancho reichen da im Schnitt (16,9 Millionen Euro) nicht heran.

Morgen folgt der zweite Teil der Auswertung. Darin werde ich aufschlüsseln, woher die meisten Legionäre in der Premier League, der Bundesliga, der schweizerischen Super League oder auch der russischen Premier Liga kommen. Und ich werde nach Nationen aufzeigen, wo diese am meisten gefragt sind. In welcher europäischen Topliga kommen also die meisten deutschen Profis unter, in welcher die meisten Japaner, in welcher die meisten Albaner, in welcher die meisten US-Amerikaner und in welcher die meisten Brasilianer. Okay, das hatte ich oben schon angedeutet. Die meisten Brasilianer spielen in Portugals Oberhaus, der Liga NOS. Es sind unfassbare 142 (!!!), die sich auf die 18 Erstligaklubs verteilen.
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