Trompetenfanfare: Los geht’s. Nach langer Sommerpause reisen die Lilien am ersten Spieltag zum effzeh nach Köln. Vor gerade einmal vier Monaten ging der SVD dort mit 1:4 unter. Dass es gezwungenermaßen im Sommer ein großes Stühlerücken im Kader der 98er gab, macht die ganze Sache nicht unbedingt leichter; auch was die Prognose anbetrifft. Wie schon in der letzten Saison umfassen meine Vorberichte einen aktuellen Status, ein Gespräch mit einem Fan des Kontrahenten (heute mit Thomas von effzeh.com) und einen Blick in den Lilien-Rückspiegel – fortan in die Saison 2012/13.
So sieht’s aus:
Da schießt der SVD am 11. August sein Mannschaftsfoto und kann es zwei Wochen später schon in die Tonne kloppen. Inzwischen kamen fünf Neue ans Bölle und das soll noch nicht einmal das letzte Wort gewesen sein. So oder so, der stark umgebaute Kader der Lilien ist fürs Erste eine Wundertüte. Allerdings eine, die einiges Potential in sich birgt. Wieder bedienten sich die Lilien bei der Ramschware anderer Vereine, wieder für kleines bis gar kein Geld und dennoch sieht es nach verhaltenem Start in die Transferperiode bei den Neuzugängen gar nicht mehr so schlecht aus. Den Aderlass der letztjährigen Stützen Sandro Wagner, Luca Caldirola, Konstantin Rausch, Christian Mathenia und Slobodan Rajkovic sowie den Abgang von Publikumsliebling ‚Toni‘ Sailer hat der Klub mit erstligaerfahrenen Profis aufgefangen. Viele von ihnen sind Nationalspieler. Dass ein László Kleinheisler leihweise am Bölle aufschlug, werte ich als gutes Zeichen. Dass Neu-Manager Holger Fach mit Artem Fedetskiy einen gestandenen ukrainischen Internationalen verpflichten konnte ebenfalls. Sven Schipplock vermittelt den Eindruck so richtig Bock aufs Kicken zu haben und Änis Ben-Hatira … nun, der könnte zumindest den Unterschied ausmachen, und zwar auf dem Platz. Wer sich einen Überblick über die aktuell zwölf Neuzugänge (Stand 24.08.) machen möchte, dem sei ein Klick auf die Kurz-Interviews empfohlen, die ich mit insgesamt elf Insidern geführt habe. Sie stehen den Vereinen nahe, bei denen die Neuzugänge zuletzt gespielt hatten und schätzen sie für mich ein: LINK!
Die Kardinalfrage lautet, wie es Neu-Coach Norbert Meier verstehen wird, den Krater zu füllen, den Dirk Schuster hinterlassen hat. Immerhin ist er dabei nicht allein, denn das Funktionsteam ist größer geworden. Co-Trainer Frank Heinemann bringt viel Erfahrung mit. Mit Efthimios Kompodietas setzt der zweite Co als Spezialist für Brain Activity neue Anreize. Michael Stegmayer rotierte aus dem Kader direkt ins neue Amt des Teammanagers. Sie alle sind gemeinsam mit Holger Fach gefordert, das gewaltige Schuster-Erbe zu stemmen und Platz 15 ins Visier zu nehmen.
Die Aufgabe im DFB-Pokal hat das Team bei Fünftligist Bremer SV souverän gelöst. Gerade ein solcher Gegner birgt Blamage-Potential. Dazu kam es nicht und Antonio Colak (noch einer der Neuen) hat sich wie in den Vorbereitungsspielen als treffsicher erwiesen. Bei den Verletzten gilt es für Lilien-Verhältnisse fast schon ein Lazarett zu beklagen. Jan Rosenthal (Achillessehne) arbeitet sich nach langer Rekonvaleszens immerhin schon wieder zurück. Felix Platte wird mit operierter Hüfte lange ausfallen, was gerüchteweise auch György Garics (Knie) droht. Zuletzt verletzte sich Aytac Sulu (Wade) in Bremen, sein Einsatz beim effzeh ist gefährdet.
Der Kontrahent hat das Wort:
Interviewpartner: Thomas, der für die Fan-Seite effzeh.com schreibt.
Thomas, unseren Klubs steht ein schnelles Wiedersehen bevor. Erst im April gingen die Lilien beim effzeh ziemlich deutlich mit 1:4 baden. Vor allem in der ersten Hälfte rollte ein Angriff nach dem anderen auf unser Tor. Wie sind Deine Erinnerungen an das Spiel?
Ein sonniger Nachmittag im schönsten Stadion der Republik mit einem starken effzeh, der sich durch Hurra-Fußball zum Klassenerhalt schoss. Was kann es Schöneres geben? Insgesamt dürfte es wohl eine der stärksten Saisonleistungen gewesen sein, wenn man bedenkt, wie schwer ihr Lilien es anderen Mannschaften gemacht habt. Sich derart viele Chancen herauszuspielen und sich auch vom Rückschlag durch das dämlich unnötige Gegentor nicht aus dem Rhythmus bringen zu lassen – so kenne ich den effzeh aus den letzten 20 Jahren gar nicht …
Unsere beiden Fanszenen standen sich während der ersten Bundesliga-Spielzeiten der Lilien ziemlich nahe. Wie hat man in Köln die letztjährige Comeback-Saison des SVD verfolgt?
Mit der üblichen Mischung aus Ver- und Bewunderung. Vor der Spielzeit wart ihr sicherlich der Abstiegskandidat Nummer 1, daher kamen die starken Leistungen und der sensationelle Klassenerhalt doch sehr unerwartet. Dass ihr in Köln bei vielerlei Leuten große Sympathien genießt, ist definitiv kein Geheimnis. Auch wenn sich das vielleicht mit dem neuen Trainer, den ja eine recht unrühmliche Geschichte mit dem effzeh verbindet, ein wenig ändern könnte.
Seit dem Aufeinandertreffen im April hat sich einiges getan. Die Lilien mussten ihren Kader zwangsweise stark umbauen, bei euch gab es überschaubare Veränderungen. Was ist von eurem neuen Kader zu halten?
Wie Du schon sagst: Es gab in Köln lediglich überschaubare Veränderungen. Der effzeh hat die wenigen Abgänge, die es gab, adäquat ersetzt, den Kader dadurch spürbar verbreitert. Wichtig war nach Platz neun in der Vorsaison, dass Stützen wie Timo Horn, Jonas Hector oder Anthony Modeste gehalten wurden – bei Letztgenannten gelang sogar die Vertragsverlängerung. Einzig die Mittelfeldzentrale macht mir nach dem Abgang von Yannick Gerhardt nach Wolfsburg noch etwas Sorgen, aber die Herren Stöger und Schmadtke werden schon wissen, was sie tun.
Welche Rolle wird Ex-Lilie Kocka Rausch spielen?
Wie es aussieht, dürfte er am 1. Spieltag direkt ein Wiedersehen mit seinen alten Kollegen (oder was davon noch übrig geblieben ist) feiern, denn ‚Kocka‘ scheint mir derzeit auf der linken Außenbahn gesetzt zu sein. Mit seinen Hereingaben und seinen Standards könnte er dem effzeh-Spiel eine weitere Farbe hinzufügen, die dem Team zuletzt noch abging. In Berlin war das beim Führungstreffer ja schon zu bewundern.
Worin dürfen die größten Veränderungen im Spiel des effzeh liegen? Wo seid ihr stark? Wovon bist Du noch nicht so überzeugt?
Die größte Veränderung dürfte wohl Jonas Hector betreffen, der in Zukunft deutlich häufiger im zentralen Mittelfeld zum Einsatz kommen soll. Das dürfte die Statik der Mannschaft ein wenig durchrütteln. Unsere Stärke dürfte weiterhin das taktisch eingespielte Kollektiv sein, das sich gerade defensiv wenig Blößen gibt. Kassiert der effzeh weiterhin kaum Gegentore, dürfte auch die eine oder andere Schwäche im Offensivbereich nicht so sehr ins Gewicht fallen. Insbesondere aus dem Mittelfeld ist die Torgefahr noch zu gering.
Sowohl die Lilien wie auch der effzeh hielten sich in der ersten Pokalrunde gegen Amateur-Teams mit 7:0-Siegen schadlos. Wie hat Dir der Auftritt Deines Teams in Berlin gefallen?
Es war der erwartet nüchterne Pflichterfolg, der gegen einen Sechstligisten auch standesgemäß hoch ausfiel. An der einen oder anderen Stelle hakte es noch etwas, aber großen Bewertungsspielraum liefert das Duell nicht. Mehr als ein erster Aufgalopp war es nicht, der erste Härtetest folgt am Samstag mit den Lilien.
Die Lilien sind angesichts des Umbruchs eine Wundertüte, aber dennoch klarer Abstiegskandidat Nummer 1. Was erwartest Du von den 98ern und ist es Dir möglich zumindest einige unserer Neuzugänge zu bewerten?
Darmstadt dürfte wieder ein Jahr lang mit Haut und Haaren um das sportliche Überleben in der Liga kämpfen. Es ist tatsächlich kaum einzuschätzen, wozu das völlig neugestaltete Team in der Lage ist – das war aber in der Vorsaison ähnlich. Bei den Neuzugängen sagen mir ehrlich gesagt nicht alle etwas, aber die bereits in der Bundesliga bekannten Akteure schauen wieder nach der bekannten Mischung aus: Alle wollen beweisen, dass sie in der Liga bestehen können. Ob aber besonders ein Knipser wie Sandro Wagner durch Sven Schipplock ersetzt werden kann, halte ich für äußerst fraglich. Am Ende braucht es wohl wieder einmal ein Wunder für den Klassenerhalt!
Ein Kollege von mir, der bekennender Köln-Fan ist, frohlockte nach der Bekanntgabe des ersten Bundesligaspieltags, dass der effzeh nach dem Wochenende Tabellenführer sein werde. Ist dem Mann noch zu helfen und wie fällt Dein Tipp aus?
Er ist effzeh-Fan, das sollte deine Frage doch beantworten, oder? Uns ist allen natürlich überhaupt nicht mehr zu helfen. Diese „elitäre Arroganz“, mitunter typisch kölsch mit Selbstironie vermischt, gehört da natürlich dazu. Ich glaube aber nicht an einen hohen Heimsieg, der effzeh hat mit den Auftaktbegegnungen so seine liebe Mühe und Not. Wenn am Schluss die drei Punkte herausspringen, ist mir die Platzierung nach dem 1. Spieltag völlig egal. Sie bringt in der Tabelle zum Saisonende keinen Bonus …
Thomas, herzlichen Dank für Deine Einschätzungen.
An diesem Wochenende vor vier Jahren …
Empfingen die Lilien Hansa Rostock. Der namhafte Zweitliga-Absteiger hatte zahlreiche Gästefans und eine Pyroshow im Gepäck. In den 6. Spieltag der 3. Liga gingen die Lilien und ihr Coach Kosta Runjaic mit vier Punkten als Tabellen-17. Die Gäste rangierten auf Platz 10. Am Ende stand ein 1:1. Kacper Tatara erzielte sein erstes von insgesamt drei Toren für die 98er, bei denen er letztlich wenig Spuren hinterließ. In Hälfte 2 drosch Nils Quaschner für die Gäste den 1:1-Ausgleich in die Maschen, wobei er von einem Stellungsfehler von Lilien-Neuzugang Benni Gorka profitierte. Anschließend konnte der SVD selbst in Überzahl den Sieg nicht mehr erzwingen. Der passende Schlussakord an einem wolkenverhangenen Sonntagnachmittag.
Die Lilien-Mannschaft gegen Rostock:
Zimmermann – Gaebler, Beisel, Gorka (Islamoglu), Stegmayer – Hesse (Schnier), Behrens, Latza (Steegmann), da Costa – Zimmerman, Tatara (1).
Zuschauer: 8.600
Eine englische Woche führte die 98er am darauffolgenden Mittwoch zum Derby gegen den SV Wehen Wiesbaden, wo die mitgereisten Lilien-Fans die Partie zum Heimspiel machten. Nach 90 Minuten hieß es zwischen dem 16. beim 13. (mit Milan Ivana) erneut 1:1. Wieder gaben die Lilien eine Führung aus der Hand. Das 1:0 durch Benni Gorka glich Zlatko Janjic kurz vor Schluss aus. Rückbetrachtend war es ein ärgerlicher Punktverlust, aber auch eine überaus dürftige spielerische Leistung der Lilien.
Die Lilien-Mannschaft in Wiesbaden:
Zimmermann – Gaebler, Islamoglu, Gorka (1), Stegmayer – Hesse (Schnier), Behrens, Latza, Zimmerman – Steegmann (Zielinsky), Tatara (Karli).
Zuschauer: 4.600
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Ein heißes Spiel…. schade, dass ich Dich nicht gesehen habe! Viele Grüße aus Bonn, Frauke