„Der Glubb is a Depp.“ Der Ausspruch der FCN-Anhänger genießt derzeit wieder eine gewisse Konjunktur. In vier der letzten fünf Partien erzielten die Franken keine Tore und blieben entsprechend sieglos. So versäumten sie es, dem Aufstieg mit großen Schritten näher zu kommen. Die Lilien scheinen ebenfalls wenig von großen Sprüngen zu halten. So blieben sie in den letzten drei Partien zwar ungeschlagen, zwei Heim-Punkteteilungen gegen Heidenheim und Ingolstadt ließen sie aber im Keller keinen Boden gut machen.
So sieht’s aus:
Ach SVD. Was wäre es schön gewesen, am vergangenen Samstag einfach mal mutig und entschlossen ins Spiel zu gehen. Die 98er hatten immerhin ein überzeugendes 2:0 aus Dresden im Gepäck. Die Gäste aus Ingolstadt mussten hingegen auf eine halbe Stammelf verzichten, hatten zuvor drei Niederlagen kassiert, kamen mit reichlich Unruhe ans Bölle und … gehen mit 1:0 in Führung. Wieder einmal hieß es einem Rückstand hinterherlaufen. Statt dem Gegner sofort aufzuzeigen, dass hier heute nichts zu holen ist, verloren die Lilien rasch den Zugriff und Ingolstadt wirkte selbstsicherer. Eine erste Großchance für die Gäste bewirkte keinen Hallo-Wach-Effekt, sondern mündete keine Minute später im Gegentor. Sonny Kittel konnte ungestört den Ball hinter die Abwehr schicken, die sich wie so oft in dieser Saison von einem Pass aushebeln ließ, und Robert Leipertz hatte keine Mühe zu vollenden. Danach waren die Lilien bemüht, aber erschreckend ideenlos.
In der zweiten Hälfte kamen sie mit der richtigen Einstellung und einer gehörigen Portion Willen zurück auf den Platz und kamen letztlich durch einen geschenkten Elfer zum Ausgleich. Am Ende stand eine etwas schmeichelhafte, aber nicht unverdiente Punkteteilung. Womit sich die 98er jedenfalls keinen Gefallen tun, ist das wiederholt stümperhafte Spiel mit dem Ball. Es ist phasenweise erschreckend, wie schnell die Bälle wieder hergeschenkt werden. Wird ein Ball abgefangen, landet er zu oft postwendend beim Gegner. Die langen Bälle in die Spitze sind ein gefundenes Fressen für die gegnerische Verteidigung. So betreiben die 98er viel Aufwand, ohne ein überzeugendes Offensivspiel. Vereinfacht könnte man sagen: Viel Mentalität, zu wenig Köpfchen. Und wenn der Gegner selbst zügig den Vorwärtsgang einlegt, bieten sich diesem immer wieder Räume. So wie Sonny Kittel, der verblüffend oft unbehelligt die Bälle verteilen durfte. Die Schanzer kombinierten sich ohnehin deutlich besser nach vorne. Passspiel und -sicherheit sowie Laufwege wirkten wesentlich gefälliger und strukturierter. Auch wenn sie sich keine großen Chancen erspielten, sie hatten allemal mehr Klarheit in ihrem Spiel.
Nun geht es zum 1. FC Nürnberg, der gerade – wie eingangs erwähnt – in einer kleinen Krise steckt. Vorne stottert die Offensivabteilung gehörig. In vier der letzten fünf Partien blieb der FCN ohne Torerfolg. Das muss gegen die Lilien nichts heißen, dürfte aber mit daran liegen, dass mit dem verletzten Top-Torjäger Mikael Ishak und dem in der Winterpause verkauften Cedric Teuchert 18 der bislang 46 Treffer nicht (mehr) auf dem Platz stehen. So ist derzeit Ex-Lilie Hanno Behrens mit neun Toren der treffsicherste Mann im Aufgebot, und das als gelernter Defensivspezialist. Ach ja, so einer wie Hanno würde dem SVD gerade sehr gut zu Gesicht stehen. Denn, es heißt wie immer in den letzten Wochen: Ein Dreier tut langsam definitiv Not! Leider wird Felix Platte dazu keinen Beitrag leisten können. Der Angreifer der Lilien laboriert an einem Muskelbündelriss in der Wade.
Der Kontrahent hat das Wort:
Steffen ist eingefleischter FCN-Fan und fasst auf seinem Twitter-Account aktuelle Entwicklungen und Aussagen rund um den Glubb zusammen. Daneben mischt er noch beim FCN-Podcast TotalBeglubbt mit und schreibt er für www.fussball.news.
Steffen, erst zuhause das 0:2 im Derby gegen Fürth und dann die Last-Minute-Niederlage in Bielefeld. Wie ist Deine derzeitige Gemütslage?
Hallo erstmal und Danke für die Einladung! Meine Gemütslage auf den Fußball bezogen ist aktuell (!) aufgrund des anhaltenden Abwärtstrends eher beschränkt gut. Natürlich spielen wir bis jetzt eine sehr tolle Runde mit vielen eindrucksvollen Spielen. In den letzten Spielen ist aber leider ein bisschen der Wurm drin, die Punkte sowie die Tore fehlen. Als Clubberer schwenkt man gerne in Extremen und die Ausgangslage ist natürlich nach wie vor gut. Der Rückstand auf Platz 3 betrug schon mal acht Punkte und wir waren Tabellenführer, nach einer Niederlage gegen euch, und nach dem Sieg von Kiel gestern, würde der Vorsprung bei nur noch einem Punkt liegen. Von Vereinsseite aus wird mir noch zu viel auf der guten Ausgangslage ausgeruht. Gegen euch wäre ein guter Zeitpunkt für eine kleine Trendwende nach zuletzt einem Sieg aus den vergangenen fünf Spielen.
Du sprachst es an. Die Tore fehlten zuletzt. Viele machen das am Fehlen von Mikael Ishak fest. Du auch? Oder liegt da mehr im Argen?
Seit dem Pauli-Spiel (und der damit verbunden Verletzung von Ishak) läuft es nicht mehr in der Offensive. Auch davor war es nicht immer berauschend, aber die Chancen, die man sich teilweise sehr sehenswert herausspielte, wurden größtenteils sehr effektiv genutzt. Ohne Mikael fehlt aber der klassische Ziel- sowie Abschlussspieler. Weder können wir zum langem Ball greifen, da unsere Angreifer meist kleingewachsen sind, noch haben wir einen weiteren Spieler in unseren Reihen, der eine starke Abschlussqualität besitzt. Dieses enstandene Vakuum können wir noch nicht auffangen, die Lösungen fehlen. Und leider nutzen wir die wenigen sich noch ergebenden Chancen nicht mit zuvor vorhandener Effektivität.
Trotz der zuletzt ausbleibenden Punkte steht ihr immer noch ausgezeichnet da. Was überwiegt derzeit im Umfeld? Die immer noch gute Perspektive aufzusteigen oder die Angst sich die Butter vom Brot nehmen zu lassen?
Es ist immer schwer zu sagen, wie das Umfeld denkt. Ich glaube, dass beide ‚Lager‘ gut vertreten sind, wenn nicht sogar das derer überwiegt, die die Ausgangslage mehr schätzen, als den negativen Trend realisieren. Leider kommen Kiel und beispielsweise der Jahn aber immer näher an uns ran. Persönliche Einschätzung: Wir dürfen gerne mal wieder gewinnen!
Beim 4:3-Sieg am Böllenfalltor habt ihr durch schnelles Umschaltspiel und starke Schnittstellenpässe in die Spitze überzeugt, die Gift für die Lilien-Defensive waren. Traust Du der Mannschaft zu, am Sonntag diese Leichtigkeit in ihrem Spiel wiederzufinden?
Auf jeden Fall. Nach dem letzten Spiel gegen Bielefeld gab es eine längere ‚Aussprache‘ zwischen Trainer und Mannschaft, welche unterschiedlicher Auffassungen über die taktische Einstellung hatten [Anm.: Für mehr siehe Steffens Tweets]. Ich hoffe, dass dieses Gespräch ‚Kräfte‘ freisetzt und Differenzen beseitigt werden konnten. Sollte dies gelungen sein, bin ich auch guter Dinge, dass wir die lang ersehnte Rückkehr in die höchste deutsche Spielklasse schaffen.
Glubberer Hanno Behrens und Lilie Tobi Kempe kommen aktuell beide auf 13 Scorerpunkte und haben beide eine Vergangenheit beim jeweils anderen Verein. Hättest Du gedacht, dass Kempe nach der nicht so starken Saison bei euch, wieder so in die Spur kommt, und dass Hanno so torgefährlich würde?
Beides: Ja. Kempe hatte mit Alois Schwartz einfach keinen Trainer, der zu ihm passte. Bei euch fühlt er sich wohl und heimisch, da ist es nur mehr als logisch, dass die Leistungen wieder passen.
Käptn‘ Behrens profiterte stark von Ishak, der ihm Räume verschaffte, um im 4-1-4-1-System als Achter öfter in die gern gennante ‚Box‘ zu kommen. Glücklicherweise verlängerte er auch seinen (damals auslaufenden) Vertrag langfristig. Hanno kann ein Gesicht des Wiederaufstiegs werden und eine Ära prägen.
[Anm.: Hanno war auch in Darmstadt ein Gesicht der erfolgreichen Jahre. Hier mein Interview mit ihm aus seiner letzten Saison bei den Lilien: KLICK]
Wie bewertest Du aus der Ferne die Auftritte der Lilien?
Ich investiere sehr viel Zeit in meinen Verein und habe auch im Alltag mehr als genug zu tun, daher kann sich meine Wahrnehmung natürlich von denen unterscheiden, die sich viel genauer mit euch Lilien beschäftigen. Unter Frings mochte ich die spielerische Ader am Bölle, aber am Ende wirkte er eher wie eine Last anstatt eines Brustlösers wie in der Abstiegssaison.
Nach der Rückkehr von Schuster postete ein Darmstadt-Fan ungefähr: „Endlich wieder dreckigen, aber erfolgreichen Fußball.“ Ähnlich war auch meine Einstellung zum Trainerwechsel. Den erhofften/erwarteten Effekt brachte es aber (noch) nicht. Vorne fehlt euch scheinbar die Torgefahr, hinten eine stabile/konstante Abwehr. So wird es schwer, in einer sowieso schon schweren Liga zu bestehen.
Dieser tolle Verein muss aber mindestens in Liga 2 bleiben. Für mich gehören die Lilien mit dem einzigartigem Bölle zu einem Teil der deutschen Fußball-Geschichte. Nach dem jahrelangem Höheflug muss aber nun der freie Fall verhindert werden.
Mit welcher Marschroute dürfte Michael Köllner seine Elf am Sonntag auf den Platz schicken?
Hoffentlich mit einer besseren als in den letzten Partien. Im Ernst: Die Einstellung war meiner Meinung nach nicht das Problem, sondern eher die nominelle sowie taktische Aufstellung sowie Ausrichtung. Sollte Coach Köllner diese Mischung (wie schon so oft) wieder finden, können sich die Clubfans auf einen schönen Sonntag freuen. Und die Lilienfans sich ganz auf den Abstiegskampf konzentrieren. Ab Montag. Dieser Verein darf niemals untergehen.
Danke Steffen. Wir haben tatsächlich schon dramatischere Situationen erlebt als einen Zweitligaabstieg. Aber das Durchreichen in Liga 3 wäre schon ein sehr empfindlicher Schlag.
Auf die Ohren: Der Lilien-Podcast
Kai, Christian und ich diskutierten länger als gedacht über das Lilienspiel gegen Ingolstadt. Die Hoffnung schwindet und ist zum Schluss wie aus dem Nichts doch wieder da: KLICK.