#D98FCSP: „Auswärts schauen wir uns ganz gerne an, was das gegnerische Team so zu bieten hat“

Die Erinnerung an den letzten Spieltag vor Weihnachten ist schon ein wenig verblasst. Und dennoch sorgte die derbe 2:6-Klatsche in Paderborn unmittelbar danach für ordentlich Misstöne in der Fanszene. Nicht nur in diesem Spiel war die Defensivleistung enttäuschend, waren die Offensivaktionen zu ausrechenbar. Dirk Schuster und sein Team haben nun gegen das Spitzenteam des FC St. Pauli die Gelegenheit zu zeigen, dass sie in der Winterpause an den richtigen Stellschrauben gearbeitet haben.

In 98 Worten

Da freute man sich als Lilienfan gerade noch über die Ankunft des vielversprechenden Neuzugangs Victor Pálsson vom FC Zürich, da platzte am 11. Januar die Bombe: Aytac Sulu verlässt die Lilien nach sechs Jahren durch die Hintertür. Der langjährige Kapitän schloss sich überraschend dem türkischen Drittligisten Samsunspor an. Eine Tatsache, die viele Lilienfans mit Stirnrunzeln quittierten. Man hätte sich einen würdigeren Abgang des Kopfs der 98er gewünscht, der sein Premierenspiel in der Türkei mit 2:3 verlor. Nun sind andere gefordert, seine Lücke zu schließen. Ein Innenverteidiger soll den Winter-Neuzugängen Pálsson und Sören Bertram (von Erzgebirge Aue) noch folgen.


Die Neuen (Interviews)

Wie immer sprach ich mit Insidern des abgebenden Vereins über die Neuzugänge:


Der Kontrahent hat das Wort

Tim wirkt beim Millernton mit, dem längst schon legendären FC St. Pauli Fan-Podcast und Blog. Daneben ist er Hörplatzreporter für die sehgeschädigten und blinden Zuschauer am Millerntor.

Tim, Platz 3, nur drei Punkte hinter dem Tabellenführer. Das liest sich hervorragend. Was waren für dich die entscheidenden Faktoren für die tolle Hinrunde?
Die Ergebnisse haben gepasst und das täuscht ein wenig über teilweise ausbaufähigen Leistungen hinweg. Wenngleich wir deutlich besseren Fußball bei Ballbesitz spielen als noch in der Vorsaison. Nach dem tollen Start mit zwei Siegen und Tabellenführung folgte eine Serie von drei Niederlagen. In dieser Phase wurde deutlich, dass das einstudierte 4-1-4-1 nicht so richtig funktionierte, weshalb wir wieder auf das altbewährte 4-2-3-1 zurückgriffen. Zum Ende der Hinrunde änderte sich das dann in ein flaches 4-4-2, was vor allem daran lag, dass mit Henk Veerman, Sami Allagui und Dimitrios Diamantakos alle Stürmer konstant lieferten, wenn sie auf dem Platz standen, und im Mittelfeld mit Richard Neudecker, Waldemar Sobota und Christopher Buchtmann einige Ausfälle zu verknusen waren. Entscheidend für die erfolgreiche Hinrunde war vor allem die defensive Stabilität, die sich das Team mühsam ab Spieltag 6 erarbeitet hat. Hinzu kam dann eine breite Brust, wenn die Ergebnisse stimmen.
Die Teams der zweiten Liga – ausgenommen Köln und hsv – sind halt leistungsmäßig dicht beieinander. Wenn ein Team da erstmal einen kleinen Lauf hat, dann entwickeln sich die Dinge manchmal von selbst. Genauso gut kann es aber in die andere Richtung gehen.

Am letzten Spieltag stand ein 4:1 gegen Magdeburg. Den Torreigen eröffnete Kapitän Bernd Nehrig, der einen richtigen Sahnetag erwischte. Wenige Tage später wechselte er zu Eintracht Braunschweig in die 3. Liga. Wie haben die Fans den Abgang aufgenommen?
Es hatte sich über die Hinrunde bereits angedeutet, dass dieser Wechsel kommen würde. Daher tragen wir es mit Fassung. Trotzdem ist es wirklich schade, denn Bernd Nehrig verkörperte vieles von dem, was wir am Millerntor gerne sehen. Inzwischen stimmen Einsatz und Einstellung aber bei jedem Spieler auf dem Platz. Und nun haben wir mit Marvin Knoll jemanden auf der Sechs, der zusätzlich zu seiner kompromisslosen defensiven Spielweise auch als Spielmacher aktiv ist und das fehlte Bernd Nehrig immer ein bisschen.

Welche Nachricht hatte für dich zwischen den Jahren die größere Tragweite? Die schwere Verletzung von Stürmer Henk Veerman oder die Rückkehr von Alex Meier?
Die Verletzung von Veerman. Definitiv. Er hat in der Hinrunde zwar enorme Schwächen im Defensivverhalten gezeigt – vor allem aufgrund fehlender Geschwindigkeit -, aber der Typ ist 2 Meter und tanzt die Gegenspieler auf`m Bierdeckel aus, sodass man sich unweigerlich fragt, wieso der eigentlich nicht in höheren Ligen unterwegs ist. Der wird also fehlen in der Rückrunde. Ich lasse mich aber gerne von der Tragweite des Alex Meier-Transfers persönlich überzeugen, in Form von Toren.

Nun fällt auch noch Philipp Ziereis länger verletzt aus. Wird jetzt Marvin Knoll neben Christopher Avevor verteidigen?
Ich hoffe nicht, denn Marvin Knolls Stärken auf der Sechs sind für das Team aus meiner Sicht wichtiger. Mit Florian Carstens haben wir guten Ersatz auf dem Innenverteidigerposten. Ich hoffe auch ein wenig auf die triumphale Rückkehr von Marc Hornschuh, der 18 Monate verletzt war, aber nun die gesamte Vorbereitung mitgemacht hat. Nicht vergessen sollte man Jan-Phillip „Schnecke“ Kalla, der diese Position auch schon etliche Male gespielt hat. Gut möglich, dass diesen Winter auch noch etwas auf dem Transfermarkt passiert, da die Verträge von Ziereis und Avevor im Sommer auslaufen.

Wie lautet eigentlich die Marschroute für den zweiten Saisonabschnitt?
Das Wichtigste ist erst einmal die Stadtmeisterschaft zu verteidigen. Wenn dann während der Vorbereitung auf das Spiel und bei den Feierlichkeiten danach noch ein paar Siege rausspringen, dann ist alles gut.
Mal ehrlich: Alles andere als der Aufstieg von Köln und dem hsv käme einem Wunder gleich. Um Platz drei werden sich einige Teams bewerben. Wir natürlich auch, aber ich sehe Kiel und Union da etwas besser aufgestellt. Nach dem Spiel bei Euch kommt erst Union ans Millerntor und dann sind wir in Köln zu Gast. Danach können gegebenenfalls Wünsche formuliert und die Marschroute geändert werden.

Wie schickt Markus Kauczinski für gewöhnlich seine Jungs auswärts ins Rennen und welchen Spieler gilt es in Deinem Team besonders zu beachten?
Auswärts schauen wir uns immer ganz gerne erst einmal an, was das gegnerische Team so zu bieten hat. Den daraus resultierenden Umschaltfußball beherrschen wir ziemlich gut, da wir auch die entsprechenden Spieler dafür haben. Es gibt viele Spieler, die es zu beachten gilt. Wir kommen da als Kollektiv, das macht uns auch so stark. Mats Möller Daehli sollte man aber allein deswegen beachten, weil er so viel Schönes macht.

Besten Dank, Tim.


Auf die Ohren

In der Winterpause waren wir mit unserem „Hoch & Weit“-Podcast zweimal auf Sendung. Einmal thematisierten wir ausführlich den überraschenden Abgang von Kapitän Aytac Sulu und sprachen über die letzten sportlichen Eindrücke des vergangenen Jahres (KLICK). Zuletzt blickten wir ein wenig voraus auf das Duell gegen St. Pauli und sprachen über noch offene Baustellen (KLICK).
Daneben haben wir – tadaaa – seit kurzem mit Tim (nicht zu verwechseln mit meinem Interviewpartner von eben) einen weiteren Mitstreiter gewonnen. Unter „Hoch & Extraweit“ wird er künftig Themen abseits des aktuellen sportlichen Geschehens aufgreifen, der Lilienfokus soll dabei aber immer gegeben sein. In seiner Premierenfolge besuchte er das Fanprojekt der 98er und beleuchtete deren Arbeit: KLICK


Jung & …

Sämtliche Jugendteams befinden sich noch in der Vorbereitung auf die Rückrunde. Die U19 musste in der Hessenliga bereits den Kontakt zur Tabellenspitze etwas abreißen lassen. Die U17 führt die Konkurrenz in ihrer Hessenliga sourvän an und die U15 mischt in der höchstmöglichen Spielklasse, der Regionalliga Süd, ordentlich mit und belegt einen Platz im Tabellenmittelfeld.

… verliehen

Jamie Maclaren spielte in den letzten Wochen mit der australischen Nationalmannschaft beim Asien-Cup und zählte dabei stets zur Stammelf seiner Auswahl. Gegen Palästina gelang ihm sogar ein Treffer, ansonsten wurde er regelmäßig ausgewechselt. Im Viertelfinale war für den Titelverteidiger dann Endstation. Vor dem Turnier gab es schlechte Schlagzeilen für den Angreifer. Neil Lennon, sein Trainer bei den Hibs aus Edinburgh, zählte ihn öffentlich an und verlangte mehr Zählbares von seinem Angreifer. Andernfalls stehe es schlecht um dessen Zukunft bei den Grün-Weißen. Bei nur einem Tor im bisherigen Saisonverlauf verständlich, wenngleich der Weg über die Medien in der Deutlichkeit überrascht.

Romuald Lacazette und Julian von Haacke starten mit ihren Drittligaklubs am Wochenende in bzw. um Osnabrück herum in das noch junge Jahr. Lacazette durfte mit seinen Sechzgern nach Lotte und wirkte in den letzten 20 Minuten auch mit. Von Haacke spielte mit Meppen beim VfL. Silas Zehnder startet mit Viktoria Aschaffenburg erst wieder im März in die Rückrunde der Regionalliga Bayern.

Patrick Banggaard spielte derweil auf Zypern mit AE Pafos ohne Pause durch und ist weiterhin unumstrittener Stammspieler in der Innenverteidigung. Zuletzt zog er mit seinem Team ins Pokal-Viertelfinale ein.