Na das war mal ein Neuzugang von der flinken Sorte. Selbst wenn am Transfer von Rechtsverteidiger Patrick Herrmann hinter den Kulissen länger gefeilt worden sein mag, dann lagen zwischen der offiziellen Bekanntgabe des Wechsels und dem ersten Einsatz nur etwas mehr als vier Stunden. Der 30-Jährige kommt von Ligakonkurrent Holstein Kiel. Dort spielte er seit 2011 und hat sich an der Küste demzufolge reichlich Meriten erworben. Ich sprach mit Frauke und Matthias vom Holstein- und Hopperblog Calcio Culinaria. Zusammen mit Martin sind sie mit ihrer Seite seit zehn Jahren am Start. Die beiden wissen so einiges über den Neuen im Liliendress zu berichten. An der ein oder anderen Stelle schlägt das Lilienherz freudig schneller.
Hallo Frauke, hallo Matthias. Mit Aytac Sulu haben wir bei den Lilien zuletzt eine Identifikationsfigur am Bölle verloren. Geht es euch nun mit Patrick Herrmann ähnlich?
Frauke: Definitiv. Patrick ist im Sommer 2011 zu uns gekommen. In der Saison zuvor hatten wir uns gerade von unserem Drittligaabstieg erholt, es gab einen großen Umbruch und für die darauffolgende Spielzeit hatte man wieder optimistisch nach oben geschaut. Herrmi hat die Erfolgsgeschichte Holsteins seitdem maßgeblich mitgeprägt. Besonders 2017, als er seine Mannschaftskollegen inklusive Familien in einer Phase, in der es nicht rund lief, zum Grillen eingeladen hat und damit nach Meinung vieler entscheidenden Einfluss auf das Aufstiegsrennen genommen hat. Auch auf dem Platz hat er immer alles für das Team gegeben, hat weggegrätscht, was es wegzugrätschen gab. Besonders positiv ist auch, dass er sich mit jedem Aufstieg nochmal gesteigert hat. Neben dem Platz hingegen ist er ruhig und bescheiden. All diese Eigenschaften haben ihm vollkommen zu Recht den Beinamen „Fußballgott“ eingebracht.
Nur zweieinhalb Stunden, nachdem die Verpflichtung von Herrmann bekanntgegeben wurde, stand er bereits im Lilienkader und half zum Schluss sogar noch mit, den Sieg zu holen. Er sagte, er habe richtig Bock auf die Lilien und mir ist er gleich in einem gewonnenen Kopfballduell gegen einen körperlich überlegenen Gegner aufgefallen. Haben wir uns da ein kleines Mentalitätsmonster gesichert?
Frauke: Klein wäre übertrieben. Wie gesagt, Patrick ist es einfach anzusehen, dass er Bock auf Fußballspielen hat, dass er Ehrgeiz hat, jeden Zweikampf zu gewinnen und seine Seite dicht zu halten. Das Wort Mentalitätsmonster müsste man für ihn erfinden, wenn es das nicht schon gäbe.
Matthias: Als Milad Salem 2015 nach Kiel wechselte, wurde er gefragt, was der Hauptgrund für den Wechsel an die Förde gewesen sei. Statt den üblichen Standardfloskeln sagte er: „Damit ich nicht mehr gegen Patrick Herrmann spielen muss.“ Die Duelle mit dem Rechtsverteidiger der Kieler seien immer die unangenehmsten gewesen. Für einen Defensivspieler war dies natürlich ein kleiner Ritterschlag. Egal welche Liga – Herrmi hat sich immer wieder reingekämpft. Selbst gegen körperlich überlegene Gegner setzt er sich durch. Und so eine Mentalität färbt vielleicht auch auf das ganze Team ab.
Glaubt ihr also, dass er zu den Lilien passt?
Frauke: Er ist ein absoluter Teamplayer und kann in Sachen Motivation und Einstellung den Unterschied machen.
Matthias: Einen Jungspund habt ihr euch nicht geholt, aber den braucht ihr wohl auch nicht. Was neben der tadellosen Einstellung und dem unbedingten Willen, jeden Zweikampf zu gewinnen, dazu kommt, ist die menschliche Komponente. Herrmi kann ein Team zusammenschweißen, was Frauke bereits mit dem Grillen erwähnte. Patrick Herrmann als Mensch passt in jedes Team, als Spieler sollte er zu den Lilien auch passen.
Wie interpretiert Herrmann in der Regel die Außenverteidigerposition?
Matthias: Bei Herrmi kann man wohl eher vom klassischen Außenverteidiger sprechen. Mit der Ansage “Mittellinie ist Schluss“ hätte er wohl keine Probleme, für das hohe Gegenpressing ist der“alte Recke“ nicht gemacht. Von daher passte er bei uns wahrscheinlich nicht mehr in das Spielsystem von Tim Walter. Wo das nicht gefordert ist, ist er aber immer noch einer der besten.
Was zählt ihr zu seinen unbedingten Stärken und wo zeigt er sich eher fehleranfällig
Frauke: Wie schon zum Ausdruck gebracht, liegen seine Stärken beim bedingungslosen Verteidigen. Es gab Spiele, da hat er mehr Einsatz gezeigt, als so manches Team zusammen. Präzision und feine Technik hingegen waren nie seine Stärken. Vor einiger Zeit wurde über ihn gesagt: „Wenn die Flanken von Patrick Herrmann jetzt auch noch ankommen, dann können wir ihn nicht mehr halten.“ Das beschreibt es schon ganz gut. Und trotzdem hat er sich hinsichtlich der Präzision noch gesteigert, auch wenn es noch immer nicht zu seinen Stärken gehört.
Vor der Saison kam der junge Jannik Dehm aus Hoffenheim und verdrängte Herrmann auf die Bank. Warum geriet er ins Hintertreffen?
Frauke: Er hat es selber gut ausgedrückt: „Der Zweikampf mit Jannik war nicht das Problem. Er hat sportlich den Vorzug bekommen, das gehört zum Fußball dazu. Kiel hat seit dem Sommer im spielerischen Bereich viel verändert. Es hat einen Umbruch gegeben. So etwas geht nie völlig ohne personelle Konsequenzen ab.“ – Herrmi ist ja mit 30 Jahren noch nicht in dem Alter, in dem man die Fußballschuhe an den Nagel hängen möchte. Es ist absolut verständlich, dass er sich nochmal beweisen möchte und vor allem, dass er spielen und nicht auf der Bank sitzen möchte.
Kann Herrmann auch eine andere Position außer rechts hinten bekleiden?
Frauke: Soweit ich mich erinnern kann, hat er bei uns nie auf einer anderen Position gespielt. Es bestand auch nie der Bedarf, ihn von seiner angestammten Position zu nehmen. Sicherlich käme es auf einen Versuch an, aber ich wäre da nur eingeschränkt optimistisch. 😉
Matthias: Mag sein, dass er auch mal auf der linken Seite gespielt hat, da will ich mich nicht festlegen, aber auf Rechtsaußen fühlt er sich schon sehr wohl. Und er ist da auch gut aufgehoben.
Ihr hattet ihn auch einmal bei euch im Interview. Wie ist er im persönlichen Umgang?
Frauke: Patrick ist ein unglaublich bodenständiger und bescheidener Mensch. Seine Familie ist sein größter Ausgleich und er ist abseits des Platzes nie mit irgendwas Negativem aufgefallen. Sicherlich kann er auch aus sich herauskommen. Das hat man nicht erst bei der Aufstiegsfeier 2017 gesehen.
Matthias: Wie man es im Norden sagt: Ein ganz feiner Kerl. Keine Starallüren, kein Geprotze, keine Skandale. Es gab mal einen Trainer, der gesagt hat: „Wenn mein Sohn so wird wie Patrick Herrmann, dann habe ich alles richtig gemacht.“ Das trifft es sehr gut.
Gibt es eine Anekdote, die ihr mit Patrick Herrmann verbindet?
Frauke: Mir ist es mal passiert, dass ich mein Auto zur Inspektion abgeben wollte. Ich heiße mit Nachnamen Hermann, mit nur einem „r“. Die Servicemitarbeiterin war völlig verwirrt, da weder Kennzeichen noch Modell übereinstimmten. Sie musste alles durchstreichen und korrigieren und hat sich über ihre Kollegen geärgert. Als wir wieder ins Servicebüro kamen, fing ich schallend an zu lachen. Patrick Herrmann saß da und wusste nicht, warum ich so lachen musste. Er hatte ebenfalls einen Termin für die Inspektion und die Mitarbeiterin hat sich halt den ersten Serviceauftrag, auf dem Her(r)mann stand geschnappt. Das war dummerweise aber nicht der für mein Auto.
Matthias: Niedlich war auch folgendes: Bei der Kinopremiere von HolsteinHerz, ein wunderbarer Film über die Geschichte Holsteins und die Fastaufstiegssaison 2017/2018, war die Mannschaft inklusive Familien ebenfalls anwesend. Als in einem Interviewteil Herrmi ins Bild kam, hörte man im stillen Kinosaal auf einmal ein süßes, nicht zu überhörendes „Papi!“ – das ganze Kino war entzückt.
Frauke, Matthias, besten Dank für euren Input zu Patrick Herrmann!
Und zum Schluss noch ein Schnappschuss von Patrick Herrmann aus dem Fundus von Calcio Culinaria. Danke!
Pingback: #MSVD98: „Klar ist jedenfalls, hier ist Land unter“ | Kickschuh.Blog
Pingback: #D98FCH: „Der Wechsel von Wittek hat mich schockiert“ | Kickschuh.Blog
Pingback: #SVSD98: „Solche Leute wie Diekmeier braucht man im Abstiegskampf“ | Kickschuh.Blog
Pingback: #D98SGD: „Maik Walpurgis scheint die Mannschaft nicht zu erreichen“ | Kickschuh.Blog
Pingback: "Fußballgott" Herrmann freut sich auf Wiedersehen mit Kiel - Lilienblog