Insider im Gespräch über … Christoph Moritz (#26)

Wenn schon Deadline Day, dann mal so richtig, haben sich die Verantwortlichen beim SVD heute gedacht. Zunächst verpflichteten sie Erich Berko für die kommende Saison von Dynamo Dresden und dann liehen sie Christoph Moritz sofort für ein halbes Jahr vom HSV. Moritz bringt reichlich Erfahrung mit ans Böllenfalltor. Schalke, Mainz, Kaiserslautern und der HSV stehen in der Spielervita des 29-Jährigen. Auf knapp 100 Erstliga- und 70 Zweitligaeinsätze hat es der Mittelfeldspieler bislang gebracht. Bei den Pfälzern war er bis zum vergangenen Sommer Kapitän, während er beim HSV nicht glücklich wurde. Nur knapp 200 Minuten durfte er für den ehemaligen Bundesligadino ran. Um mir einen besseren Eindruck von den Fähigkeiten der neuen Nummer 26 zu machen, sprach ich mit Flo von „Der Betze brennt“ und mit Sascha, der seit vergangenem Sommer beim altgedienten HSV-Podcast „Nur der HSV“ mitwirkt.

Flo, Christoph Moritz trug zwei Jahre lang das FCK-Trikot und wurde schnell zum Kapitän ernannt. Wenn Du heute an seine Zeit in Lautern zurückdenkst, was kommt Dir dann zu ihm am ehesten in den Sinn?
Flo: Da fällt mir ganz spontan ein, dass Christoph Moritz einer der ersten Spieler war, der beim sich abzeichnenden Abstieg seinen Abschied ankündigte. Das zeugt jetzt nicht gerade von einem „guten“ Kapitän. (Anm.d.Red.: Wir haben die ursprünglich veröffentlichte Antwort angepasst bzw. gekürzt.)

Wurde er denn Deines Erachtens der Kapitänsrolle auf und neben dem Platz gerecht?
Flo: Ich kann mich nicht erinnern, dass er die Mannschaft mal bewusst animiert hat, nach schlechten Spielen – und davon gab es einige in seinen beiden Spielzeiten bei uns – in die Kurve zu gehen. Da war ein Jan-Ingwer Callsen-Bracker schon ein anderes Kaliber. Ich schätze, Moritz war da eher im Stillen in der Kabine aktiv.

Er bekleidete im Mittelfeld verschiedene Positionen. Mal offensiver ausgerichtet, mal defensiver, mal eher rechts. Wo siehst Du ihn am besten aufgehoben?
Flo: Ich persönlich sehe ihn in eher offensiverer Ausrichtung. Für mich ist er nicht so der defensive Zweikämpfer. In Kaiserslautern hat er mir jedenfalls in offensiver Rolle immer ganz gut gefallen. Andere werden das sicher ganz anders sehen.

Welche Stärken kennzeichnen sein Spiel und wo siehst Du Defizite?
Flo: Am Ball ist Moritz schon ein ganz guter Kicker und er hat eine gute Übersicht. Dafür ist er aber halt nicht der Schnellste. Leider war er in Kaiserslautern – wie auch schon in Mainz und Schalke zuvor – sehr verletzungsanfällig. Er ist seit zehn Jahren Fußballprofi und hat gerade mal um die 200 Spiele gemacht. Das ist nicht sonderlich viel.

Hat es dich überrascht, dass er beim HSV nicht so recht Fuß fassen konnte?
Flo: Nein, das hat mich nicht überrascht. Der Transfer hat ja eine Vorgeschichte. Er und Hamburgs Ex-Trainer Christian Titz kennen sich wohl ganz gut und Titz war schon relativ früh an Moritz interessiert. Aber unter ihm hat er ja auch nicht viel gespielt, es wurden ihm eher die jüngeren Spieler vorgezogen. Bei Hannes Wolf hatte er dann ja gar keine Chance mehr auf Einsatzzeit.

Sascha, was würdest Du sagen. Mit welcher Erwartungshaltung hat der HSV Christoph Moritz verpflichtet?
Sascha: Moritz war der dritte Neuzugang, der im Sommer präsentiert wurde, zuvor kamen der Innenverteidiger David Bates und der Stürmer Manuel Wintzheimer – nicht gerade gestandene Zweitligaspieler. Unser Kaderplaner Johannes Spors sprach davon, dass Moritz ein „Fußballer auf hohem technischen Niveau und mit einer herausragenden Mentalität“ sei. Offensichtlich versprach man sich von ihm also gewisse Leaderqualitäten auf und neben dem Platz.

Konntest Du Dir bei seiner geringen Einsatzzeit überhaupt einen umfassenden Eindruck von ihm verschaffen?
Sascha: Wenn ich ehrlich sein darf: Nein. Moritz hat in elf Spielen exakt 202 Minuten gespielt – ohne verletzt zu sein. Nur ein einziges Mal hat er von Beginn an und durchgespielt: gegen Dresden, als der HSV zwar 1:0 gewonnen hat, aber phasenweise an den eigenen 16er gedrückt wurde. Bei den zehn Einwechslungen spielte er zwischen einer und 15 Minuten.

Was meinst Du, warum hat er es als gestandener Spieler weder unter Christian Titz noch unter Hannes Wolf so richtig gepackt?
Sascha: Titz bevorzugte Ballbesitzfußball, gepaart mit aggressivem Pressing und schnellem Umschaltspiel. Da passte ein Spieler wie Moritz, der eher einen geruhsameren, weniger dynamischeren Spielstil pflegt, schlicht nicht rein. Zu Saisonbeginn stöhnte Moritz auch, dass die Trainingseinheiten mental sehr anstrengend seien und er sich erst noch an das vorgegebene System gewöhnen müsse. Vor diesem Hintergrund ist der Transfer als solcher zu hinterfragen: Warum holt man den Spielertyp dann überhaupt erst, zumal der HSV zum schnellen Erfolg verdammt ist? Hannes Wolf mag nach dem Motto „Never change a winning Team“ verfahren haben. Vom 11. Spieltag bis zum Ende der Hinrunde gab es sechs Siege und ein Unentschieden – ohne Moritz in der Startelf. Da braucht es keine Veränderung.

Welche Spielertypen wurden ihm vorgezogen?
Sascha: Das Duracell-Häschen Lewis Holtby, das perfekt in das Titz’sche System gepasst hat und eh eine Art Ziehsohn von ihm war. Und Aaron Hunt, der vor der Saison das Kapitänsamt übernommen hat. Beides ehemalige Nationalspieler und mit Erfahrung entweder bei deutschen Topklubs oder aber im Ausland gesegnet.

Ist Dir bekannt, wie er die Situation angenommen hat?
Sascha: Gehört und gelesen habe ich nichts. Aber: Genau das spricht für ihn und seinen Charakter. Ich deute das jetzt einfach mal als Beleg seiner von Spors erwähnten „herausragenden Mentalität“.

Was meint ihr, sollte er bei den Lilien in der Rückrunde ein Faktor sein, und auf welcher Position seht ihr ihn am ehesten?
Flo: Ob er den Lilien weiterhelfen kann, darauf bin ich selbst mal gespannt. Mir hat er auf der 10 immer besser gefallen. Als Sechser finde ich ihn irgendwie verschenkt.
Sascha:
 Grundsätzlich ist Christoph Moritz ein Mann, dem die 2. Liga zuzutrauen ist. Er ist mit 29 Jahren erfahren, aber noch jung genug, um weitere drei, vier Jahre auf dem dafür notwendigen Niveau zu spielen. Zudem hatte er lange Jahre, etwa bei Schalke, Topspieler neben sich. In einem 4-2-3-1 kann er die Rolle im offensiven, zentralen Mittelfeld übernehmen und den Ballverteiler für die Außen oder aber Stürmer Serdar Dursun geben.

Flo, Sascha: Besten Dank für eure Einschätzungen!