#SGFD98: „Grammozis hätte ich gerne in Fürth gesehen“

Aus Fürth fuhr der SVD in den letzten Zweitligaspielzeiten nie so richtig happy nach Hause. 2015 verloren die aufstiegswilligen Lilien am vorletzten Spieltag bei den vom Abstieg bedrohten Franken mit 0:1, 2017 musste eine abgerutschte Flanke von Hamit Altintop in allerletzter Minute herhalten, um wenigstens noch einen schmeichelhaften Punktgewinn einzufahren. Damals standen beide Teams zum Beginn der Rückrunde im Tabellenkeller, vor dem Duell am Sonntag liegen beide Seite an Seite im Tabellenmittelfeld, mit neun beziehungsweise zehn Punkten Abstand auf den Relegationsplatz.

In 98 Worten

Die 98er machen unter Dimitrios Grammozis weiterhin Freude. Gegen Regensburg rissen sie das Spiel sofort an sich und setzten erneut auf spielerische Lösungen. Als nach der Pause endlich das überfällige 1:0 durch Serdar Dursun fiel, dachte man schon, der Knoten sei geplatzt. Doch keine zehn Minuten später glichen die bis dahin unterlegenen Gäste aus. Was folgte war eine offene Schlussphase, in der beide Teams den Siegtreffer hätten erzielen können. In Fürth treffen die Lilien auf ein Team, das sich im Nachholspiel am Donnerstag mit Dresden die Punkte teilte. Gegen seinen Ex-Klub kann Dursun Saisontreffer Nummer elf folgen lassen.


Der Kontrahent hat das Wort

Sportreporter Adrian arbeitete bereits für Sport1 und DAZN, aktuell sitzt er für AmazonMusic vor dem Mikrofon. Privat schlägt sein Herz fürs Kleeblatt.

Adrian, wie hast Du die letzten beiden Spiele der Spielvereinigung gesehen? Ein 2:2 nach 2:0-Führung gegen Bielefeld und am Donnerstagabend das 0:0 im Nachholspiel gegen Dresden.
Das Spiel gegen Bielefeld war nicht nur der Start in eine Woche mit drei Heimspielen, sondern auch ein Wechselbad der Gefühle. Zum ersten Mal nach gefühlten Ewigkeiten zwei Tore in der ersten Halbzeit, defensive Stabilität, tolle Kombinationen, ein großartig herausgespieltes 2:0 – das war echt gut. Zum Ende des ersten Durchgangs habe ich aber einige leicht überhebliche Szenen gesehen, als ob Fürth schon gewonnen hätte. Dann muss Stefan Leitl nach einer völlig überflüssigen Schiedsrichterkritik auf die Tribüne. Ich muss sagen, dass ich beide Seiten verstehen kann. Der Satz von Leitl geht nicht, die Haltung von Schiedsrichter Sather hat mir aber ebenfalls nicht gefallen. Dann kam „Du bist so arrogant, ey!“ rausgerutscht. Dafür muss er natürlich auf die Tribüne, mit ein bisschen Fingerspitzengefühl belässt es aber Sather bei einer Ermahnung. Danach ging die Kontrolle verloren und zwei Unaufmerksamkeiten führen zum 2:2. Mit der Verletzung von Wittek musst du letztlich mit dem Punkt sogar zufrieden sein, weil du in Unterzahl zu Ende spielst. Ich habe mich geärgert, weil du mit einem Dreier einen Sprung endgültig raus aus dem Keller machst.

Und wie war es gestern Abend gegen Dresden?
Ähnlich. Da war mehr drin. Es gab einige Szenen, in denen Fürth das Tor machen kann. Trotzdem verlieren wir halt nicht, deswegen kann ich mit dem Punkt leben. Es ist alles in allem schön zu sehen, wie sich die Mannschaft entwickelt. Noch fünf Zähler und der Klassenerhalt dürfte durch sein.

Inzwischen trainiert mit Stefan Leitl ein Ex-Lilienspieler Fürth. Er löste Anfang Februar Damir Buric ab und hat das Team wieder in die Spur gebracht. An welchen richtigen Stellschrauben hat er gedreht?
In der Schlussphase unter Buric hat jegliches Selbstbewusstsein gefehlt und Fürth stand deutlich zu tief. Dadurch war der Weg zum gegnerischen Tor zu lang und zum eigenen zu kurz. Das hat Stefan Leitl sofort geändert und – zusammen mit seiner positiven Art – der Mannschaft ein neues Selbstverständnis eingetrichtert. Sie laufen deutlich früher an, die Passstaffeten kommen langsam wieder, die defensive Stabilität kehrt zurück. Dass es viel mit Mentalität und Taktik zu tun hat, ist daran zu erkennen, dass personell nicht so viel neu ist: Gugganig und Maloca sind nicht mehr Stammspieler, ansonsten wird nur (leider zu oft) verletzungsbedingt gewechselt.

Wie ist Dein Eindruck von Leitl als Coach?
Er macht auf mich einen guten Eindruck. Zuerst hatte ich Zweifel, vor allem, wenn ich sehe, dass Darmstadt sich Grammozis holt, den ich auch gerne in Fürth gesehen hätte. Leitl wurde anfangs von vielen Fans aufgrund seiner Nürnberger Vergangenheit kritisch gesehen. Das halte ich für albern. Er brennt für Fürth, das zeigt sich in vielen Szenen. Er beeindruckt mich mit seiner Ruhe, da hat er sich gegenüber seiner Zeit in Ingolstadt weiterentwickelt. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil ist seine Freundschaft zu Benno Möhlmann, der ewigen grau-grün-weißen Eminenz. Seit kurzem ist Benno wieder im Verein und sofort, nach Buric‘ Entlassung, kamen Gerüchte um seine erneute Rückkehr auf. Möhlmann auf seiner Seite zu haben – inklusiver einer guten Beziehung zu Manager Rachid Azzouzi -, das hilft in diesem Klub. In Ingolstadt hat er auch sofort funktioniert; Knackpunkt war die Sommerpause. Ich bin gespannt, ob er auch hier einen Schritt gemacht hat.

Wieso kam es unter Damir Buric überhaupt zu dem plötzlichen Einbruch? Noch am 14. Spieltag betrug der Rückstand auf Platz 3 nur einen Punkt. Danach folgten sechs Partien mit nur einem Punkt und 0:18 Toren.
So schwer mir das fällt: Zu Saisonbeginn hat Fürth überperformt und lange von Spielglück gezehrt. In der Vorbereitung zeigen sich schon große Offensivprobleme, in den letzten drei Testspielen bleibt Fürth jeweils (!) ohne eigenes Tor. Das erste Spiel gegen Sandhausen wird mit viel Willen gedreht, danach ist man gegen (Leitls) Ingolstadt total unterlegen und holt einen glücklichen Punkt. Dann steht das Pokalspiel gegen Dortmund an, in dem Fürth eines der besten Spiele der letzten Jahre macht. Mit viel Pech kassiert man jeweils in den Nachspielzeiten die Gegentreffer zum Aus. Im Endeffekt erweist sich das aber als Schicksal, denn das pusht die Mannschaft. Nur, wenn sie ans Limit geht und die richtige Mentalität zeigt, kann sie in dieser Liga gewinnen. Die Schlussphase zu Hause gegen Paderborn in Überzahl, in Darmstadt, die erste Halbzeit in Bielefeld – da fehlte der Hunger. Dann kam auch noch Spielpech hinzu: Krasse Fehlentscheidungen in Köln und bei Union Berlin bringen Fürth früh auf die Verliererstraße. Und so wächst die Verunsicherung in der Mannschaft immer mehr.

Und wie hatte Buric darauf reagiert?
Seine Reaktion passte der Mannschaft eher nicht so: Er setzte auf radikale Defensive und stellte bisweilen bis zu vier Innenverteidiger auf, manchmal sogar zwei gelernte zentrale Verteidiger ins defensive Mittelfeld. Dadurch stand Fürth wie angesprochen deutlich zu tief, die Wege nach vorne waren lang. Die Mannschaft verlor die Struktur und das Selbstbewusstsein. In Paderborn, seinem letzten Spiel, setzte Buric alles auf eine Karte und ließ super offensiv spielen. Die Folge: 0:3 nach 30 Minuten. Danach war er sportlich nicht mehr zu halten. Dennoch: In der schwierigsten Phase der jüngeren Vereinsgeschichte hatte Buric die Mannschaft stabilisiert und zu einem nicht mehr für möglich gehaltenen Klassenerhalt in einer brutalen Saison geführt. Das rechnet ihm in Fürth jeder sehr hoch an. Viele Spieler haben emotionale Statements auf ihren Social-Media-Kanälen abgegeben, in denen sie sich bei Buric bedankten. Er war der richtige Trainer zur richtigen Zeit, aber sein Ende war dann auch gekommen.

Mit dem Negativlauf hat die Trefferquote von Shootingstar Daniel Keita-Ruel rapide abgenommen. Der kicker bescheinigte ihm zuletzt dennoch, wertvoll für das Team zu sein. Teilst Du die Einschätzung?
Absolut. DKR ist eine Maschine vorne drin im Sturm. Er macht enorm viele Meter, ist sich für fast keinen Laufweg und fast kein Kopfballduell zu schade. Sehr häufig reißt er mit seinen Läufen dann Lücken für Teamkollegen. Dennoch spielt er beinahe immer 90 Minuten. Das zeigt, wie unglaublich fit er ist. Max Eberl hat mal über ihn gesagt, er sei in den Beinen Champions League, aber im Kopf Kreisklasse. Inzwischen hat er an letzterem gearbeitet und ist einer, der die Mannschaft mitreißt. In der Schlussphase unter Buric war er als einziger Stürmer einer viel zu defensiv orientierten Mannschaft allein auf weiter Flur und konnte seine Mitspieler nicht in Szene setzen. Momentan fehlt ihm ein wenig das letzte Quäntchen im Abschluss. Beim Trainerdebüt von Leitl verschießt er zwei Elfmeter, trifft einmal im Nachschuss. Gegen Bielefeld schläft er beim 2:2 von Klos. Und gegen Dresden muss er freistehend das 1:0 köpfen. Er hat keine leichte Phase. Aber mit der Unterstützung, die er mehr und mehr in der Offensive bekommt, wird auch seine Treffsicherheit kommen.

Wer sind für dich noch die Stützen des Teams?
Natürlich Marco Caligiuri. Trotz seines Alters hat er seine Eleganz, Spielübersicht und -intelligenz nicht verloren. Er ist in den vergangenen Wochen der beste Mann. Wie er sich trotz Maske nach Nasenbeinbruch für die Mannschaft zerreißt, ist beeindruckend. So ist es kaum vorstellbar, dass er unter Buric fast keine Rolle mehr gespielt hat. Er ist Kopf und Herz dieses Teams. Neben dem eben angesprochenen Keita-Ruel ist auch Maxi Wittek zu nennen. Das ist neben Douglas Santos vom HSV wahrscheinlich der aktivste Linksverteidiger der Liga. Seine Mitspieler suchen ihn sehr häufig, um das Spiel anzutreiben. Und seine Standards sind eine Waffe. Ich befürchte allerdings, dass das auch anderen Vereinen, vor allem aus einer anderen Liga, aufgefallen ist und er im Sommer den Verein verlässt. Zuletzt war er oft verletzt, ich hoffe, er kann am Sonntag spielen.
Ebenfalls wichtig ist Sascha Burchert. Anfangs war ich nicht von ihm überzeugt: Hibbelig, immer einen Schnitzer in seinem Spiel (wie im Hinspiel in Darmstadt), strahlt wenig Sicherheit aus. Aber er hat eine Entwicklung durchgemacht. Zum ersten Mal in seiner Karriere ist er wirklich die klare Nummer 1. Vielleicht brauchst du da auch ein wenig, um in deine Rolle zu wachsen. Im Laufe der Saison ist er auf jeden Fall zu einer ganz wichtigen Stütze geworden.
Als Player-to-watch für das Spiele nenne ich jetzt nochmal unsere Laufmaschine Sebastian Ernst, den spielstarken Neuzugang Paul Seguin, der kampfstarke Außenbahnangreifer (aber Chancentod) Fabian Reese und den erst 20 Jahre alten Paul Jaeckel, der für sein Alter schon sehr abgeklärt spielt.

Worauf dürfen sich die Lilien am Sonntag gefasst machen, sprich: Worin liegen die Stärken im Spiel der Spielvereinigung und wo happert es gerne mal?
Das definierende Stilmittel der Fürther ist das Umschaltspiel. Sowohl nach vorne als auch nach hinten ist das Extraklasse – siehe das Tor zum 2:0 gegen Bielefeld. Manchmal gelingt der letzte Pass aber noch nicht oder die Spieler spielen das Ding zu ungeduldig zu Ende. Ich sehe das aber alles als ein Ding der Routine: Mehr Spiele, mehr Erfolge, mehr Klarheit im Spiel. Wichtig wird auch sein, dass Fürth die richtige Einstellung findet. Zu häufig gingen die Spieler mit einem „Das schaffen wir schon irgendwie“ in die Partie, einer zu lässigen Herangehensweise – siehe die zweite Halbzeit gegen Bielefeld. Bei Standards ist Fürth auch anfällig, das dürfte sich aber mit der Rückkehr von Richard Magyar erledigt haben. Wenn die SpVgg konzentriert auftritt, ist alles drin am Sonntag.

Du hast das Spiel der Lilien beim HSV kommentiert. Wie hat Dir der Auftritt gefallen
Selbst in der Anfangsphase, als der HSV Darmstadt förmlich überrannte, hatte ich nie das Gefühl, dass Darmstadt gerade auseinanderfällt. Die Lilien sind bemerkenswert stabil geblieben und haben an ihre Chancen geglaubt. Die kamen dann auch und mit einem formidablen Marvin Mehlem konnten sie das Spiel drehen. Die Art und Weise von Grammozis gefällt mir sehr. Er ist ein cooler Typ, der bei den Spielern den richtigen Ton trifft. Serdar Dursun, den ich in Fürth schon vermisse, tut der Elf gut. Yannick Stark findet so langsam wieder zu seiner Form. Daniel Heuer Fernandes ist einer der besten Torhüter der Liga. Victor Pálsson, der schon unter Henrik Larsson und mit Thierry Henry und Rafa Marquez gespielt hat, hilft den Mitspielern mit seiner Erfahrung. Darmstadt ist unangenehm zu bespielen, schwer zu schlagen und wird sicher die Klasse halten. Ich mag die aktive Spielweise und den Spitznamen der Lilien.

Wow. Besten Dank, Adrian. Da hast Du eine ganze Menge preisgegeben!
An dieser Stelle noch ein großes Dankeschön an meinen Kollegen Max Stockert, der mir zuvor beim Sortieren meiner Gedanken geholfen hat.

Dann geht der Dank natürlich auch an ihn. Well done!


Auf die Ohren

Kai, Mike, Christian und mich faszinierte auch am Montagabend noch immer, dass die Auftritte der Lilien kaum mehr wiederzuerkennen ist. Was so ein Trainerwechsel nicht alles freisetzen kann?! Aber bevor wir es allzu bunt trieben, befassten wir uns unter anderem mit der Laufzeit der Spielerverträge: KLICK


Jung & …

Die U19 ließ in ihrer Hessenliga am Sonntag dem Schlusslicht aus Schwanheim keine Chance. Am Ende einer einseitigen Partie stand es 9:0. Die nächste Partie führt den ältesten Nachwuchsjahrgang in den Taunus zu den TuS Hornau. Die U17 kehrte mit einem 2:0-Sieg aus Fulda zurück, nur um unter der Woche ein 10:0 gegen Hessen Kassel folgen zu lassen. Somit  führt das Team seine Hessenliga weiterhin ungefährdet an. Am Samstag geht es zuhause gegen den Nachwuchs von Eintracht Frankfurt. Die U15 spielte in der Regionalliga Süd gegen den Karlsruher SC 2:2. Den schon sicher geglaubten Sieg, gab das Team in der Schlussminute noch her. Als Tabellenfünfter geht es am kommenden Wochenende nach Wehen, wo Revanche für eine bittere Hinrundenniederlage genommen werden soll.

… verliehen

Wenig los war am letzten Wochenende aus Liliensicht in der 3. Liga. Sämtliche dorthin verliehenen Spieler kamen nicht zum Einsatz. Julian von Haacke (SV Meppen) und Romuald Lacazette (1860 München) standen gar nicht im Kader, Orrin McKinze Gaines II (FSV Zwickau) blieb eine Einwechslung verwehrt. Silas Zehnder kam beim 3:3 von Viktoria Aschaffenburg gegen den FC Ingolstadt II in der Regionalliga Bayern ebenfalls nicht zum Zug. Bliebe noch Patrick Banggaard. Der Däne verteidigte beim 2:1-Sieg von AE Pafos (Zypern) gegen Paralimni wie gewohnt über 90 Minuten.